„Design Thinking ist wie ein Besuch beim Optiker“

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Der Design Thinking Coach Ferdinand Grah ist ein Kind des Ruhrgebiets und inspiriert von der stetigen Neuerfindung dieser Region. Er fand früh seine Leidenschaft zur Kreativität und Innovation. Dies spiegelte sich u.a. in seiner Tätigkeit als Kabarettist und Musiker wieder. Er hat insgesamt 4 Bühnenprogramme geschrieben, so dass Storytelling, kreatives Schreiben, Improvisation und Spontanität absolut keine Fremdwörter für ihn sind.

Ach ja, und die typischen Eigenschaften des “Ruhrpöttler” besitzt er natürlich auch. Er trägt sein Herz am rechten Fleck, ist direkt, mit beiden Beinen auf dem Boden und ein klein wenig verliebt in diesen Dortmunder Fußballverein.

In seiner beruflichen Tätigkeit als Senior Expert, in den Bereichen  Produkt-, Prozess- und Service Design, war er u.a. bei IBM und Porsche beschäftigt und hat mit über 18 Berufsjahren ein breites Spektrum an Erfahrungen gesammelt.

Ferdinand Grah ist Absolvent des Professional Education Program der HPI School of Design Thinking in Potsdam, einem Schwesterinstitut der d.school in Stanford, sowie Absolvent der Porsche Akademie zum Thema Lean Management und schlanke Produktentstehung.

Daneben verfügt er über ein ausgeprägtes Netzwerk zu Design Thinkern und Lean Experten in der ganzen Welt. Auf Symposien und Veranstaltungen spricht er regelmäßig  zu den Themen Innovation, Design Thinking, Lean Thinking und Kreativität.

…und wenn er mal nicht über neue Ideen redet, liebt er drei Dinge: Seine Familie, Jazz und Bücher.

 

Jochen: Hi Ferdi, vielen Dank, dass Du Dir ein wenig Zeit nimmst für ein paar Fragen von mir. Da ich weiss, wofür Dein Fussballherz schlägt, liegt die erste Frage auf der Hand: was ist mit Deinem BVB los?

Ferdi:  Also da sag ich nur “Fail early and often”, wobei die Betonung ganz klar auf  “often” liegt! Bloss nicht nervös werden!

Jochen:  Kann da vielleicht Design Thinking helfen?

Ferdi: Ja natürlich, alleine die Erkenntnis, dass man aus den Fehler lernt. Wobei mir wichtig ist, dass die Betonung darauf liegt, AUCH aus Fehlern zu lernen, da man immer natürlich auch aus den Dingen lernt, die man richtig gemacht hat. Hier hilft mir immer das Feedback Grid  (“I like, I wish, Ideas, Questions) Aber auch das nicht zu schnell Aufgeben ist hier sicherlich eine Hilfe, Geduld haben und immer wieder iterieren, ausprobieren, lernen und reflektieren.

Jochen: Wobei kann denn Design Thinking grundsätzlich helfen?

Ferdi: Bei ganz vielen Dingen finde ich. Für mich ist das eine Art Struktur oder Leitplanke, in der ich mich austoben kann mit meiner Kreativität. Dinge einfach zu tun und nicht nur darüber zu sprechen. Design Thinking hilft hier zu lernen und Dinge anders zu sehen. Für mich ist Design Thinking wie ein Besuch beim Optiker, der mir eine neue Brille verpasst: Du siehst auf einmal Dinge, die du vorher nicht gesehen hast. Daher bedeutet für mich Design Thinking auch „Sehen lernen“. Design Thinking sollte man nicht nur auf den Output beschränken. Lerneffekte hast Du über den gesamten Prozess!

Jochen: Und warum stören dabei Krawatten?

Ferdi: Weil diese die Sauerstoffzufuhr zum Hirn einschnüren! Ich könnte jetzt noch etwas dazu sagen – aber weniger ist ja manchmal mehr – ich lasse das mal einfach so stehen.

Jochen: Du bist Design Thinker UND Lean Thinker. Wie passt das eine mit dem anderen zusammen?

Ferdi: Weniger ist mehr, Dinge zu vereinfachen, zu verschlanken ist im Lean Management sehr wichtig. Dies spielt auch im Design eine wichtige Rolle. Auch das Hinterfragen, so kommt z.B. die Methode 5 Whys aus dem Lean Management. Die verwende ich und andere auch im Design Thinking in der Research Phase. Aber am meisten verbindet die beiden Mind Sets das „Just Do it“ bzw. das “Go and See”

Jochen:  Thema Kreativität: wie und wann und wo bist Du kreativ?

Ferdi: Beim Spazierengehen, beim Musik machen aber eigentlich immer und überall. Manchmal stehe ich sogar nachts auf und schreibe mir Ideen in mein kleines schwarzes Notizbüchlein.

Jochen: Kann man kreativ sein Deiner Meinung nach lernen?

Ferdi: Ja, kann man schon, wobei ich sagen muss, dass ich mich mit dem „ja das kann jeder“ schwer tue, da man auch bestimmte Eigenschaften braucht, wie Empathie, neugierig sein, über den Tellerrand blicken, usw. Diese Eigenschaften hat nicht jeder, so dass ich sagen würde, lernen kann es jeder aber jeder ist dann nicht auf dem gleichen kreativen Level.

Jochen: Und warum haben wir das verlernt?

Ferdi: Wir haben verlernt miteinander zu kommunizieren, ich meine hier miteinander zu sprechen. Mein Jahrgang wird sich wahrscheinlich noch daran erinnern an dieses „miteinander Reden“. Unsere Gesellschaft heute ist hektisch und die Kommunikation findet meistens über Social Media statt und verrückte Dinge zu tun oder auszuprobieren hat keinen Platz.

Jochen: Du machst ja auch Musik –  was kann der Musiker lernen vom Design Thinker? Und umgekehrt?

Ferdi: Um Brad Mehldau zu zitieren: “Im Akt des Versuchens liegt eine wunderbare, starke Erfahrung des Ausdrucks”

Jochen: Letzte Frage: wie geht es aus mit dem BVB? Abstieg oder Champions League? 

Ferdi: Nächste Frage bitte! – Natürlich Champions League!

„Anyone can make the simple complicated. Creativity is making the complicated simple.“
 – Charles Mingus 

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„New is a River, not a Lake“

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René Kaufmann ist 1978 im badischen Bruchsal geboren und hat in Berlin und Heidelberg Ethnologie studiert. Während andere eine beruflicheKarriere in einem einzigen Feld einschlagen, gibt sich der 36-Jährige gleich drei Berufen und Berufungen hin: Er führt nicht nur eine Innovationsberatung, sondern ist gleichzeitig Limonadenhersteller und Bierbrauer. 
Während des Studiums führt ihn eine ethnologische Feldforschung zu samoanischen Migranten nach Los Angeles. 2005 startet er seine berufliche Karriere in der qualitativen Marktforschung, um internationale Unternehmen wie Roche, Telekom oder Philips zu beraten.
Durch videoethnographische Projekte, die ihn direkt in Wohnzimmer, Badezimmer oder Arztpraxen führen, erklärt er Marketing- und Innovationsverantwortlichen die alltäglichen Bedürfnisse ihrer Konsumenten. Nach einer Zwischenstation bei der französischen Social Media Intelligence-Agentur Linkfluence gründet er 2014 seine eigene Agentur coalisten.
Sein Lebensmotto fasst René zusammen mit „New is a river, not a lake“. René lebt mit seiner Frau und seinen 2 Söhnen in Heidelberg.

 

Jochen: Toll, dass Du Dir Zeit nimmst für unser Interview. Ich kenne Dich als Ethnologe, Design Thinker, Braumeister und Limonadenerfinder, das klingt nach einem sehr abwechslungsreichen (Berufs-) Alltag. Wie kam es dazu?

René: Eigentlich führe ich in den verschiedenen Rollen nur Fähigkeiten und Talente zusammen, die in meiner Persönlichkeit angelegt sind, bzw. die ich mir im Laufe der Zeit angeeignet habe. Das sind: Neugier und Empathie, Lust an Handwerk und der Wunsch danach, Eigenes zu schaffen statt nur zu konsumieren.

Im Moment versuche ich, daraus einen Lebensentwurf für mich selbst zu machen. Er basiert auf 3 Säulen: Leidenschaft, Experiment und Profit. Die Kurzphilosophie ist ungefähr: “Mach Etwas mit Leidenschaft, weil Du davon überzeugt bist. Etwas, bei dem Du Dich ausprobieren kannst. Und etwas, mit dem Du Geld verdienen kannst”.

Jochen: Beim Thema „Ethnologie“ werde ich natürlich hellhörig — da stelle ich mir Feldforschung bei den letzten noch unerforschten Stämmen in Afrika oder im Dschungel vor. Aber ist das die Realität?

René: Das ist Realität, wenn man sich als Ethnologe für eine akademische Laufbahn entscheidet. Unerforschte Stämme gibt es zwar nicht mehr viele, aber es ist tatsächlich so, das Ethnologen immer noch nach Afrika, Asien oder Australien fahren, um vor Ort Kulturen zu erforschen, indem sie für eine längere Zeit in und mit einer Kultur leben. Die Tendenz geht aber dazu, das westliche Ethnologen in der eigenen Kultur Feldforschung betreiben. Da geht es dann um Subkulturen, Migranten oder sogar den Wissenschafts-betrieb als “Stamm”.

Die zentrale Methode der ethnologischen Feldforschung ist aber noch die gleiche wie seit 100 Jahren: Teilnehmende Beobachtung. Das bedeutet, durch ein Wechselspiel von empathischem Eintauchen in eine Kultur und (halbwegs) objektiver Beobachtung, die Einstellungen, Bedürfnisse oder den Alltag einer Gruppe von Menschen zu verstehen. Danach schreibt man das dann in einer sogenannten Monographie auf. Erst dann ist man ein echter Ethnologe. Echte Feldforschung plus Monographie sind sozusagen der Ritterschlag für einen Ethnologen.

Jochen: Wie kamst Du zu dem Thema?

René: Ich habe Ethnologie und Religionswissenschaften in Berlin und Heidelberg studiert. Während der Zeit in Berlin waren mein Schwerpunkte die Rolle von Religion und Kultur in Migrationssettings. Als Feldforschungsprojekt fuhr ich 3 Monate nach Los Angeles, wo ich mit samoanischen Migranten lebte. Samoa ist eine Insel in der Südsee und die samoanischen Migranten in Kalifornien ahmen Stammes- und Hierarchiestrukturen im Migrationskontext nach. Ich habe vorher Samoanisch gelernt und dort bei einem Pfarrer gewohnt, der praktisch der Häuptling ist. Durch die Feldforschung habe ich viel gelernt über die Anwendung von ethnologischen Methoden aber auch was es heisst, sich inmitten einer doch sehr anderen Kultur zurechtzufinden.

Als ich nach Heidelberg wechselte verschob sich mein Schwerpunkt auf das Thema Konsum und Populärkultur in der westlichen Welt. Ich begann, mit videoethnographischen Methoden, den Einfluss von Kultur auf Konsumpraktiken und -Motive zu erforschen.

Abseits der akademischen Ethnologie haben ethnograpische Methoden der Beobachtung, Interviewführung, Empathieentwicklung, Interpretation und Ideenfindung Eingang in die Wirtschaft gefunden. Das nennt man dann Angewandte Ethnologie (Applied Anthropology) oder Business Anthropology. Viele Methoden und Aspekte beim Design Thinking sind im Grunde übrigens tief ethnologisch. Meine Magisterarbeit hatte dann auch den Titel “Die Ethnologie zu Markte tragen”. Darin habe ich den Weg von ethnographischen Methoden seit den 30er und 40er Jahren in die Wirtschaft nachgezeichnet. Von dort war der Sprung in meinen ersten Job als qualitativer Marktforschung nicht mehr weit.

Jochen: Und wie kannst Du dieses Wissen für Deinen beruflichen Alltag nutzen?

René: Als Ethnologe lernt vor allem drei Dinge: Beobachten, Hinterfragen und Analysieren. Beobachtung ist im beruflichen Alltag unabdingbar, um Menschen zu verstehen. Egal ob Kunden, Kollegen oder Konsumenten. Und ein guter Beobachter kann auch ein Thema holistisch in seinem Kontext erfassen.

Hinterfragen ist leider nicht mehr selbstverständlich und im Beruf sollte man viel öfter Fragen stellen wie: “Machen wir das wirklich richtig? Macht das Sinn wie wir es machen? Was haben unsere Kunden davon, wie wir etwas machen?”.

Und Analysieren müssen wir heute ja sowieso alles: Daten, Informationen, Menschen, uns selbst. Als Ethnologe lernt man finde ich sehr gut, wie man aus Informationen wirklich brauchbares Wissen macht, bzw. welches Wissen für Menschen wirklich Relevanz für ihren Alltag erzeugt.

Alle drei Fähigkeiten zusammen sind keine schlechte Vorraussetzung, um in einer zunehmend komplexen Welt einigermaßen den Überblick zu behalten.

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Jochen: Thema „Bierbrauen“ — Du hast mal einen schönen Artikel drüber geschrieben, wie Bier brauen und Design Thinking zusammenhängt. Erzähl doch mal:

René: Ich habe die zentralen Schritte des Design Thinking — Beobachten& Verstehen, Ideenfindung, Prototyping und Testing — mit dem Prozess des Bierbrauens verglichen. Also nicht das industrielle Brauen von Bier, sondern das handwerklich-kreative Bierbrauen, das gerade eine Rennaissance in der sogenannten Craftbeer-Bewegung erfährt. Da geht es darum, individuelle Biere mit hohem Anspruch an Qualität und Braukunst herzustellen.
Das Vorgehen entspricht im Grunde genau dem Design-Thinking-Ansatz. Man sucht nach Inspiration durch Rezeptrecherche oder fragt Bierkonsumenten nach ihren Vorlieben. Man entwickelt ein individuelles Rezept, experimentiert mit neuen Hopfensorten und macht eine Reihe von Testsuden, um zum perfekten Ergebnis zu kommen, das man dann “implementiert”. Eigentlich eine klassisch iterative Herangehensweise.

Jochen: Ich kenne Dich als neugierigen und offen Menschen — hat das auch mit Deinem Hintergrund als Ethnologe zu tun?

René: Da gibt es sicher gewisse Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeit und akademischem Hintergrund. Man muss schon neugierig und offen sein, um so etwas zu studieren. Ethnologie und Religionswissenschaften waren schon immer sehr stark interdisziplinär angelegte Fächer. Während dem Studium liest man Soziologen, Philosophen, Ökonomen bis hin zu Neurobiologen oder Medizinern. Dadurch versteht man Menschen und kulturelle Phänomene in seiner Ganzheit, bzw. wird befähigt, Muster zu erkennen und Erklärungen mit einander zu verknüpfen.

Andererseits sind Neugier und Offenheit Teil meiner Persönlichkeit. Meine Oma wurde im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika geboren und ich lauschte schon als Kind wie gebannt ihren Kindheitserinnerungen an das Leben in einer fremden, fernen Kultur. In meiner Jugend in den 1990ern war ich dann in der Punk- und Hardcoreszene aktiv. Die war damals ganz stark geprägt von Themen wie Toleranz, Community und einem kritischen Hinterfragen von Gesellschaft oder Macht. Da ging es um gegenseitigen Respekt, ausprobieren, über den Tellerrand schauen, neue Leute kennenlernen, andere Meinungen anhören.

Jochen: Wie geht der Ethnologe durch die Welt? Was gibt es für ihn in einem Städtchen wie Heidelberg noch zu entdecken?

René: Der Ethnologe geht mit wachen Augen durch die Welt. Er beobachtet gerne was Menschen machen und warum sie etwas so oder so machen. Er lernt gerne neue Menschen und Dinge kennen. Er ist offen für Veränderung statt sie als Gefahr zu sehen. Und der Ethnologe hört nie auf zu fragen. Eigentlich ist man ein bißchen wie ein Kind.

In Heidelberg gibt es einiges zu entdecken. Hier werden gerade riesige Konversionsflächen frei und ich bin wahnsinnig gespannt, wie die Stadt und ihre Bürger diese Flächen entwickeln und bespielen werden. Und ich persönlich merke, das junge Menschen wieder hierbleiben anstatt nach Berlin oder Hamburg zu gehen, weil sich in der Kunst-, Kultur- und Kreativszene etwas tut in Heidelberg und Mannheim. Leider ist vor allem Heidelberg aber auch sehr gesättigt und neue Dinge haben es nicht immer ganz leicht.

Jochen: Was kann der Ethnologe vom Design Thinker lernen? Uns was umgekehrt?

René: Am meisten kann der Ethnologe lernen, seine Methoden anwendungs- und praxisorientierter zu verkaufen. Die meisten Ethnologen sind nämlich in Sachen Selbstvermarktung sehr mies obwohl viele ihrer Fähigkeiten und Methoden und Fähigkeiten in der Wirtschaft sehr gefragt sind. Design Thinking ist gerade ein sehr gefragtes Instrument in Unternehmen, um Probleme kreativ zu lösen. Ich kenne aber komischerweise fast keine Ethnologen, die in dem Bereich in Agenturen oder Unternehmen arbeiten und ihre Kompetenzen monetarisieren.

Der Design Thinker kann etwas über die wissenschaftlichen Fundamente von Kultur, Verstehen und Empathie lernen. Wir reden als Berater oder Trainer ja ständig von Begriffen wie Kultur, Kreativität oder Innovation. Aber kaum einer fragt sich, was diese Begriffe im Jahr 2014 eigentlich bedeuten. Klar, es geht darum, Unternehmen kreativ oder innovativ zu machen, aber dazu lohnt sich sicher auch mal ein Blick in die Kulturgeschichte dieser Begriffe. Ich lese zum Beispiel gerade ein Buch des französischen Soziologen Marcel Mauss über das Thema Reziprozität und Tausch. Das ist von 1925 und erklärt den aktuellen Trend der Sharing Economy besser als jedes aktuelle Sachbuch dazu.

 Jochen: Was sind Deine nächsten Pläne? Oder macht der Held mal Pause?

René: Die Heldenpause macht gerade etwas Winterpause. Wir wollen die Limo im Frühjahr 2015 mit neuem Schwung vorantreiben, um Heldenpause jenseits von Heidelberg bekannter zu machen. Das ist bisher ein “Projekt der Leidenschaft”, mit dem wir kein Geld verdienen. Deshalb kümmere ich mich gerade vor allem um neue Kunden und Projekte für meine Agentur coalisten.

Und wirklich ganz, ganz aktuell arbeite ich an der Idee für ein Social Startup. Dabei geht es um eine App, die man benutzen kann, um sich bei jemandem zu entschuldigen und gleichzeitig einen kleinen Geldbetrag an eine gute Sache spendet. Da schließt sich der Kreis, denn diese Idee bringt hoffentlich Leidenschaft, Experimentierfreude und Profit im positiven Sinne zusammen.

Jochen: Da wünsche ich viel Erfolg und bedanke mich recht herzlich für unser Gespräch (und freue mich schon auf unser nächstes gemeinsames Mittagessen im Tati!).

Wenn sich Helden aufmachen

Nina_TrobischNina Trobisch liegt die kreative Entwicklung von Mensch und Organisation am Herzen.
Sie ist Theaterwissenschaftlerin und Dramadozentin, Systemischer Coach und Gestalttherapeutin sowie Initiatorin des Heldenprinzip®. Als Dramaturgin für Veränderung begleitet sie mit ihrer Firma Einzelpersonen, Teams und Unternehmen.
Zudem ist sie Lehrbeauftragte an der Universität der Künste in Berlin. Die Verknüpfung von sinnlichem Erleben, modernem Wissen und mythologischer Substanz, ist das, wozu sie beitragen will.

 

Jochen: Vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein Interview nimmst. Wer war der Held Deiner Kindheit? Und warum?

Nina: Der Held, nein besser die Heldin meiner Kindheit ist Aschenputtel. Ich blättere oft in meinem wunderschönen Bilderbuch. Ein Bild, ganz grau und staubig, zeigte sie matt und erschöpft in der Küche, auf einem anderen erstrahlte sie in einem traumhaft glitzerndem Kleid und sie zog alle staunende Blicke auf sich.  Ein krasser Unterschied, den ich liebte.
Wenn ich mir heute überlege, was mich an ihr beeindruckt hat, war es wohl ihr Wille und ihre Kreativität, sich von Gemeinheit, Bosheit und Elend nicht unterkriegen zu lassen. Sie hat immer wieder Ideen, findet Auswege und Lösungen in ihrem Dilemma, suchte Hilfe und wird am Ende mit der Liebe belohnt. Das ist doch schön.

Jochen: Ich kenne die Heldenreise aus meiner Ausbildung zum Gestalttherapeuten als sehr intensive Selbsterfahrung. Wie seid ihr auf die Idee gekommen die Heldenreise auf Innovationsprozesse bzw. Organisationsentwicklung anzuwenden?

Nina: Die „Heldenreise“, von der Du sprichst, benennt einen Seminartitel von Paul Rebillot. In seinem Konzept hat er das Grundmuster des sogenannten Monomythos in kongenialer Art für ein Seminar genutzt, was durch einen kreativen Selbsterfahrungsprozess zur Selbsterkenntnis führt. Den Monomythos wiederum hat Joseph Campbells in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ eingeführt.

Jochen: Was verbirgt sich denn hinter diesem Monomythos?

Nina: Also, da ich muss einen kleinen Umweg machen, um Deine Frage zu beantworten: Seit es Menschen gibt, gibt es Veränderung und die Überlieferung damit verbundener Erkenntnisse. In Mythen und Geschichten wurden Fakten, Erlebnisse und Gefühle zusammengefasst, die Menschen mit dem universellen Thema Veränderung erfahren hatten. Das Erstaunliche daran ist, dass sich in diesen Geschichten – aus allen Zeiten und Kulturen – ein typisches Grundmuster verbirgt, so wie auch die Natur mit dem Rhythmus der Jahreszeiten einer inneren Struktur folgt. Wir alle kennen diese Struktur „Aufbruch-Abenteuer-Rückkehr“ von Filmen und Geschichten, aber auch aus Medienberichten und dem eigenen Leben. Immer handelt es sich um eine oder mehrere Personen, die den risikoreichen Weg vom Vertrauten ins Ungewisse wagen.

Der Mythenforscher Joseph Campbell nun hat Erzählungen von Helden aus aller Welt analysiert und daraus die Essenz gefiltert, die er  „Monomythos des Helden“  nannte. Diese Akteure – ob fiktiv oder real,  ob Mann oder Frau, ob Kind oder Jugendlicher, ob heute oder gestern, ob viele oder einer…. gehen einen Weg, begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, auf eine „Heldenreise“.

Jochen: Der Monomythos also als „Blaupause“ für Veränderungsprozesse. Das ist spannend. Und diese Blaupause verwendet ihr in Euer Arbeit mit Firmen und Organisationen?

Nina: Ja genau. Denn viele Unternehmen glauben immer noch, dass sie mit einem Mehr an Planung, Steuerung und Kontrolle ein Gegengewicht zur den schnelllebigen immer komplexeren Dynamiken schaffen. Doch damitwirklich neue Prozesse in Gang gesetzt werden, braucht es meiner Meinung nach viel mehr Kompetenzen im Umgang mit Ungewissheit, sprich: Mut, Kreativität, Verantwortung, Selbstbestimmtheit und Intuition. Wenn sich heute Menschen, Teams oder Unternehmen mit Change und Innovation „herumschlagen“, meistern sie aus meiner Sicht nichts anderes als „Heldenreisen“ – so wie unzählige Menschen vor ihnen.

Jochen: Und Eure Kunden lassen sich darauf ein?

Nina: In innovativen Unternehmen rennen wir da in der Tat offene Türen ein,  andere sind dagegen eher in ihren Mustern und Handlungsgerüsten gefangen,  sprechen viel von Erneuerung aber suchen Lösungen im „mehr von desselben“.

Unsere Ausgangsüberlegung war, dass uns das Erkennen dieses archetypischen Musters mit seiner in Metaphern verpackten inneren Weisheit hilft, die verschiedenen Ebenen von Erneuerung zu durchdringen und gestalten zu lernen. In unserem Verstehen geht es gerade darum, auch in schwierigen ungewissen Situationen handlungsfähig und kreativ zu sein. Dazu müssen Menschen ihre schöpferische und intuitive Seite herausbilden bzw. dieses Potenzial wieder entdecken. Das braucht andere Werte,  eine andere Führungskultur, mehr Vertrauen in und Fähigkeiten von Menschen, das Zulassen von Emotionalität und Intuition.

Jochen: Das ist dann Euer Heldenprinzip, oder?

Nina: Das Heldenprinzip®  macht den kollektiven Erfahrungsschatz der Menschheit für heute zugänglich. HELD bezeichnet die Akteure der Veränderung und PRINZIP steht für seine universelle Schrittfolge. Seine Struktur schafft einen Orientierungs- und Handlungsrahmen, um inneren und äußere Prozessdynamiken erfolgreich zu gestalten, deshalb nennen wir es „Kompass für Innovation und Wandel“. Vielfältigen Methoden aus Kunst, Systemik, Gestaltarbeit und Management helfen dass die Akteure (Helden und Heldinnen des Veränderungsprozesses) schöpferische Potenziale entfalten, um Krisen, Aufbrüche und Umbrüchen zu meistern.

Jochen: Beschreib doch bitte die Schritte eures Heldenprinzip®?

 Nina: Der Veränderungsprozess, wie ihn das Heldenprinzip® zeigt, findet auf zwei grundsätzlich verschiedenen Ebenen statt:  – die gekannte Welt (gewohnten Muster und Routinen) und die unbekannte Welt (fremdes Terrain und der ungewohnte Herausforderungen). Diese beiden Welten sind durch eine Schwelle getrennt.

Das Geschehen kann man in drei Akte unterscheiden, die sich in ihren Aufgaben und Dynamiken voeneinander unterscheiden:

 1. Akt: Aufbruch:Der Held (Mensch / Team / Organisation) erhält von innen oder außen einen Ruf, sich von der  alten Welt, ihren Mustern und Strukturen zu lösen, um sich für seine Bestimmung ins Ungewisse zu wagen. Eine Not oder eine Vision fordern heraus. Im Fokus steht: Die Entwicklung der Bereitschaft, sich zu lösen, um etwas noch vage Zukünftiges zu erringen.

2. Akt: Abenteuer

Der Held (Mensch / Team / Organisation) bewältigt herausfordernde Bewährungen, bei denen im Voraus nicht klar sein kann, worin sie bestehen. Im Fokus steht hier: Die Öffnung für eine schöpferische Auseinandersetzung in widersprüchlichen Bewährungsproben sowie der Erwerb neuer Denk- und Handlungsmuster.

3. Akt: Rückkehr

Der Held (Mensch / Team / Organisation) wappnet sich, die unbekannte Welt wieder zu verlassen, um die Errungenschaften in der alten Welt, zu entfalten. Im Fokus stehen: Das Auslösen von Wirkung, Implementieren und Verstetigen der erworbenen Kompetenzen.

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Jochen: Hast Du konkrete Beispiele, wie das dann in Projekten mit Kunden aussehen kann?

Nina: Der erste Unterschied liegt natürlich darin, ob wir einen personalen oder einen organisationale Prozess analysieren, begleiten oder reflektieren. Zweifelsohne ist ein Veränderungsprozess, in den viele Menschen oder  sogar Organisationseinheiten involviert sind, schwieriger zu handhaben. Denn die unterschiedlichen Beteiligten sind nicht alle unbedingt an der gleichen Stelle im Prozess. Haben alle den Ruf gehört? Ist er bereits ein gemeinsam geteiltes Anliegen? Sind vielleicht einige schon bereit für den Schwellenübergang ins unbekannte Land, wohingegen andere aber noch tief in der Weigerung stecken?

Ist die Organisationskultur so weit, dass sie die Beteiligen ermutigt, Neues zu erproben; zu üben, auch Fehler machen zu dürfen? Wie geht man mit großen Herausforderungen oder gar teilweisen Niederlagen um? Wie wird nach den großen Prüfungen im Alltag tatsächlich die Erneuerung verankert?  Wie bewusst wird eine Ruhe-und Erholungsphase eingeräumt, um das Unternehmen nicht an den Rand des burn outs zu führen.

Beobachtungen und Wahrnehmungen stehen am Beginn, damit passende Begleitsequenzen gefunden werden, die Jeden wertschätzen. Auf dem Weg soll möglichst niemand „verloren“ gehen. Veränderungsprozesse sind nicht über das Knie zu brechen und nicht von der Stange zu haben. Jeder Prozess muss mit Sensibilität und Kraft gestaltet werden.

Wir bieten u.a. Jahreszyklen für Führungskräfte von Unternehmen an, in dem diese in einer co-kreativen Gemeinschaft lernen, den Weg der Organisation neu zu überdenken, zu spüren und anders zu lenken.

Es gibt viele Ideen für Formate für das Heldenprinzip®  in Organisations – und Personalentwicklung: Workshops, Coaching, Labore, Retreats; denn die Fähigkeit schöpferisch mit Veränderung umzugehen, brauchen wir in vielfältigsten Facetten.

Jochen: Welche Pläne hast Du für die Zukunft? Wie geht es weiter mit dem Heldenprinzip?

Nina: Mein ganz persönlicher Ruf ist es, mit dem Heldenprinzip® und schöpferischen Arbeitsmethoden meinen kleinen Beitrag für das Gelingen des Wandels zu leisten.

Das Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung „Innovationsdramaturgie nach dem Heldenprinzip“ (2009-2013), eine Kooperation der Universität der Künste und der Hochschule für Technik und Wirtschaft, ging Ende 2013 zu Ende. Seither werden die Ergebnisse und Erfahrungen in der Praxis der Personal- und Organisationsentwicklung von Deutschland, Österreich und in der Schweiz etabliert; über interaktive Vorträge und konkrete Angebote für Einzelpersonen, Teams und Unternehmen.

Um die Verbreitung, aber auch die Qualität der Arbeit zu sichern, bieten wir an der Universität der Künste| Berlin Career College eine Weiterbildung mit Hochschulzertifikat an. Hier bieten wir Experten, die professionell in Innovations- und Veränderungsprozessen tätig sind, (Trainer, Berater und Change Begleiter) eine „schöpferische Gebrauchsanleitung“ für den kunstvollen Umgang mit Veränderung an. In zwei Kurse a drei Modulen erweitern die Teilnehmenden ihr  Know How um archetypische (mythologische), dramaturgische, künstlerische und psychologische Dimensionen der Veränderung. Sie erhalten damit außergewöhnliche Impulse für Diagnose, Begleitung und Reflexion von Veränderungsprozessen und methodische Inspiration für ihre berufliche Praxis. (www.innovation-heldenprinzip.de)

Jochen: Und zu guter Letzt: wie würden denn der Held Deiner Kindheit heutzutage mit dem Wunsch nach Innovation umgehen? Was kann eine Firma von ihm lernen?

Nina: Tja, welche Innovation könnte sich Aschenputtel wünschen?

Geht es um das Finden innovativer Produkte oder eine Maschine, mit der sie die Erbsen sortieren kann (denn die schönen Kleider machen es überhaupt erst möglich, dass sie Eintritt ins Schloss erhält und die Täubchen helfen ihr beim Erbsenauslesen)?

Ich glaube, dass es vielmehr um eine Haltung zum Leben geht: Nicht aufgeben – Freunde gewinnen, die helfen – kooperieren. Sie hält nicht fest an den ach so wichtigen Dingen (der goldene Schuh klebt an der Treppe fest, sie geht ohne ihn weiter. Sie bleibt trotz schlimmer Erfahrungen im Vertrauen, dass das Gute sich durchsetzen wird und das Gemeine, Habsüchtige und nur auf den eigenen Vorteil bedachte Handeln letztendlich den Kürzeren zieht. Selbst wenn die bösen Schwestern dem gierigen Rat der Mutter folgend sich die Füße verstümmeln lassen um als Königin in Geld und Reichtum zu schwelgen, wird ihr Verhalten ruchbar und bestraft.

 Das könnte eine Firma von Aschenputtel lernen – nicht nur den eigenen Vorteil zu sehen, sondern das Wohl des Ganzen im Blick zu behalten.

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„Augen auf. Ohren auf. Herz auf.“

IMG_6420_web-001Gina Schöler, Glücksministerin und Kommunikationsdesignerin M.A.
„Seit 2014 führe ich als selbständige Kommunikationsdesignerin und Glücksministerin, die sich mit ganzem Herzen dem Glück und der Gestaltung widmet, diese großartige Kampagne weiter. Als Kommunikationsdesignerin behandle ich das Thema „Glück und Wohlbefinden“ von einem ganz anderen Blickwinkel aus: Mit viel Kreativität, spielerischem Herangehen, Humor und Interaktivität fordere ich mit dieser Kampagne die Menschen heraus, sich mit diesem wesentlichen Thema zu beschäftigen. Als Glücksministerin möchte ich mit meiner Arbeit einen sinnvollen, nachhaltigen und glücklichen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten. Im Rahmen dieser Tätigkeit biete ich u.a. Seminare, Workshops, Vorträge und Veranstaltungen an, die zu den Ideen und Zielen der Kampagne „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ beitragen.“
 

Jochen: Hi Gina, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst für ein Interview. Du strahlst wie immer mit der Sonne da draussen um die Wette, darum erübrigt sich meine erste Frage vielleicht fast schon: wann warst Du zuletzt glücklich?

Gina: Ich habe das große Glück, eine kleine Pausen-Heldin zu haben, die mich regelmäßig daran erinnert, abzuschalten, rauszugehen und die kleinen Momente wertzuschätzen. Gretel ist ein fröhlicher Straßenmix aus Rumänien und weiß das Leben wirklich zu schätzen. Und wenn man gerade wieder vertieft in die Arbeit ist und sie dich anstubst, ist die Welt in Ordnung, egal, wie hektisch es gerade außenrum ist. Das letzte Mal glücklich war ich heute Morgen (Montag!) – eine Powerwoche liegt vor mir, aber wenn man im Nebel am Neckar entlang läuft und die Sonne sich durchkämpft, kann man nur glücklich sein.

Jochen: Was heißt es denn für Dich „glücklich“ zu sein?

Gina: In eben diesem Moment zufrieden sein, sich wohl fühlen, den Kopf auch mal abschalten können (nicht immer leicht…), Sorgen vergessen, dem Leben vertrauen, das Positive sehen und stärken, anderen etwas Gutes tun, Freude in den kleinen Dingen finden. Glücklich sein bedeutet für mich, die Balance für mich persönlich zu finden zwischen Gas geben und bremsen, Freude und Unglück, Ruhe und Aktion. Auf sein Bauchgefühl hören, Wünsche erfüllen, Entscheidungen treffen, im Hier und Jetzt leben.

Jochen: Du möchtest mit Deinem Ministerium für Glück Menschen dazu ermutigen um- und neu-zudenken. Wie ist diese Initiative entstanden?

Gina: Das ganze Projekt entstand aus einer Semesteraufgabe im Masterstudiengang Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim im November 2012. Ich feiere mit dem MfG also 2jähriges, Wahnsinn!
Aufgabe war es, eine Kampagne zu gestalten, die in unserer Gesellschaft einen Wertewandel initiiert, anstößt und begleitet. Wie können wir auch in Zukunft nachhaltig, gut und somit auch glücklich leben? Was müssen wir dafür tun und ändern? Sich auf das Wesentlich zurückbesinnen, nicht im Hamsterrad durchdrehen, vor lauter Konkurrenz- und Leistungsdruck den Blick für das Schöne im Leben verlieren… So ist die Metapher des MfG entstanden, anhand der die große Frage nach dem guten Leben transmedial nach außen kommuniziert wird und Deutschland sich auf kreative Weise fragen kann, was uns denn eigentlich glücklich macht.

Jochen: Ja, was macht uns denn glücklich? Kann man „glücklich sein“ vielleicht sogar lernen?

Gina: Ja, definitiv. Üben kann man es zumindest prima! Hier verweise ich gerne auf das Glücksspiel des MfG, es enthält mittlerweile bis zu 75 verschiedene Alltagsaufgaben, die einem mit den verschiedensten Mitteln klarmachen, wie einfach es sein kann, etwas für das eigene und das Glück der anderen beizutragen. Manchmal ist es der selbstgebackene Kuchen, der Tag Auszeit, eine Kissenschlacht oder ehrenamtliche Hilfe, eine nette Notiz im Briefkasten oder ein Kompliment. Sich selbst und anderen eine Freude machen, unverhofft und selbstverständlich, macht mächtig Spaß und vor allem nachhaltig glücklich. Und wenn man sich einfach bestimmte Gewohnheiten antrainiert, dann steigert sich das Wohlbefinden maßgeblich!
Und mit einer Portion Kreativität findet man ganz schnell selbst noch jede Menge Aufgaben und Glückspotenzial für den eigenen Alltag!

Jochen: Du bist Glücksministerin UND Designerin und damit auch von Berufswegen kreativ. Was bedeutet es denn für Dich „kreativ“ zu sein?

Gina: Ich finde, kreativ sein bezieht sich nicht nur auf das Gestalterische oder Grafische, es bezieht sich auf fast jede Lebenslage. Querdenken, um die Ecke denken, vorausdenken, mitdenken und vor allem auch -fühlen. Neugierig sein. Wahrnehmen. Wenn man Empathie mit Kreativität vereint, wird es richtig spannend! Vielleicht ist es wirklich das Geheimrezept, was dieses Projekt für mich zu einem „Lebensprojekt“ hat werden lassen, zumindest vom Thema her!

Jochen: Empathie mit Kreativität verbinden, da lacht natürlich mein Design-Thinker-Herz. Und was brauchst Du um kreativ sein zu können?

Gina: Ruhe, Spannung, Aktion, Pausen, Reisen, Menschen, Eindrücke, Sinneswahrnehmungen, Natur – das sind ein paar Sachen, die ich „brauche“ bzw. die mir helfen, neue Ideen entstehen zu lassen. Manchmal reicht aber auch eine Badewanne oder eine Portion Halbschlaf.

Jochen: Macht kreativ sein glücklich?

Gina: Dafür müsste man vielleicht erst einmal „kreativ“ definieren. Aber ich denke, Menschen, die wirklich von innen heraus kreativ sind, Ideen haben, Innovationen entstehen lassen und somit im Flow sind, sind daher auch glücklich. Vielleicht nur für den Moment, in dem die Idee entsteht, aber etwas Neues schaffen und erleben ist ein wichtiger Teil zum Glücklich(er) werden, auch laut der Positiven Psychologie.

Jochen: Oder sind gar nur glückliche Menschen kreativ?

Gina: Nein, das denke ich nicht. Es gab seit jeher schon immer kreative Künstler, die sogar auch schwer depressiv waren. Bei mir persönlich ist es aber so, dass am besten authentische Ideen entstehen, die Hirn und Herz beinhalten, wenn ich mit allem im Reinen, ausgeglichen und fröhlich bin. Wenn dann noch ein gutes Team außenrum ist und man sich gegenseitig die Bälle zuspielen kann, kann eigentlich fast nichts mehr schief gehen.

Jochen: Zu guter Letzt: ein Tipp von der Expertin für ein kleines bisschen mehr Glück?

Gina: Augen auf. Ohren auf. Herz auf.

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„Kreativität ist für mich vor allem eine Haltung“

Daniel-Prandl-1Der aus Burghausen stammende Pianist Daniel Prandl hat in Mannheim und Helsinki Jazz studiert.
Bereits als Student konnte er zahlreiche Auszeichnungen entgegennehmen, darunter ein Solistenpreis des Hochschulwettbewerbs der Rektorenkonferenz und das Stipendium der Kunststiftung Baden Württemberg. Inzwischen zu einem der gefragtesten Musiker der Rhein-Neckar-Region avanciert, ist Daniel an zahlreichen musikalischen Projekten beteiligt: In der Allstar-Band Jazzgrooves von Dirik Schilgen sorgt er im Mainstream-Kontext ebenso für kreatives Aufsehen wie im Duo mit dem Mannheimer Trompeter Thomas Siffling. Er ist festes Mitglied der Band „Schlag auf Schlag“, die Radio- und Fernsehproduktionen für NDR, WDR und SWR musikalisch gestaltet und Kopf seines eigenen Quartetts, dessen Debütalbum „Fables & Fiction“ im Sommer 2012 erschienen ist. Außerdem arbeitet er regelmäßig für das Nationaltheater Mannheim, sowie das Capitol Mannheim. Seit mehreren Jahren hat er einen Lehrauftrag für Jazzklavier an der Mannheimer Musikhochschule inne. Mehr Infos unter: www.danielprandl.de

 

Jochen: Hallo Daniel, es freut mich, dass Du Dir heute Zeit für ein Interview mit mir nimmst. Wenn ich mir alle Deine Aktivitäten anschaue, hast Du ja ein richtig abwechslungsreiches Musikerleben. Und dabei bist Du sicherlich „von Berufs wegen“ kreativ nehme ich an. Bei den Innovations-Workshops, die ich betreue, ist oft und viel von den (Frei-) Räumen die Rede, die kreatives Arbeiten inspirieren und fördern. Wie sehen denn diese Freiräume für Dich aus – wie und wann bist Du kreativ?

Daniel: Für mich ist Kreativität nichts, das ich auf Knopfdruck herstellen kann. Kreativität ist für mich vor allem eine Haltung: „Kreativ sein“ bedeutet für mich zuerst einmal mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Einflüsse von Außen zuzulassen, mit denen ich mich dann auseinander setze. Ich übernehme dabei keine diese Einflüsse „blind“, sondern reflektiere durchaus kritisch, ob und wie ich einzelne Aspekte kopieren oder adaptieren möchte – bzw. auch kann.

Denn unter Umständen bedeutet das für mich, dass ich mir dafür neue handwerkliche Fähigkeiten aneignen muss oder mich mit dem Thema auch intellektuell auseinandersetzen muss, um es wirklich zu „Meinem“ machen zu können. Da geht es dann aber nicht um das stupide Auswendiglernen oder dem „Schreibmaschine spielen“ auf dem Klavier. Denn natürlich müssen die Finger auch mal möglichst schnell von „A“ nach „B“ – und da ist natürlich auch viel Üben nötig – aber alles Üben und sich Beschäftigen untersteht für mich immer einem kreativen Grundgedanken bzw. dem kreativen Ziel, das ich erreichen möchte.

Jochen: Weißt Du denn immer, wohin Du willst in Deiner kreativen Arbeit?

Daniel: Nein auf keinen Fall. „Make a plan. Change a plan“ – das trifft auch auf mich zu. Und vor allem auf Jazzmusik. Denn da gibt es „das perfekte“ Konzert“ oder das „perfekte Solo“ gar nicht bzw. die Frage danach stellt sich für mich überhaupt nicht.

Wenn ich beispielsweise mit meinem Quartett an mehreren Abenden hintereinander spiele, ist jeder der Abende anders. Vielleicht nicht radikal anders, denn natürlich haben wir eine gemeinsame Vision für unsere Musik, die wir machen wollen. Aber es gibt durchaus Parameter und Impulse, die jeden Abend variieren und uns und unsere Musik beeinflussen.

Jochen: Welche Parameter und Impulse können das denn beispielsweise sein?

Daniel: Na wenn ich beispielsweise ein Stück, das ich normalerweise einzähle, stattdessen direkt mit einer Einleitung beginne ohne das vorher abzusprechen. Natürlich ist die Band erfahren genug, das nicht als „Fehler“ meinerseits zu interpretieren sondern stattdessen neugierig zu lauschen und sich inspirieren zu lassen. Dadurch kann man die Stimmung einer Komposition durchaus variieren.

Jochen: Und das funktioniert dann?

Daniel: (lacht) Meistens schon. Es kommt aber natürlich darauf an, dass ich dabei einen sinnvollen Bogen spanne und der Band die Möglichkeit gebe, mit einzusteigen. Meine Mitmusiker müssen dazu natürlich aufmerksam genug sein, dieses Angebot anzunehmen und sich auf das einzulassen, was ich ihnen in meiner Einleitung angeboten haben.

Jochen: Sich also wirklich gegenseitig zuhören und sich inspirieren lassen von den anderen …

Daniel: … ja absolut – ansonsten könnten wir nicht gemeinsam Musik machen.

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Jochen: Besprecht ihr denn das dann nach dem Konzert? Macht ihr quasi eine Konzert-Retrospektive?

Daniel: Ja, in meinem Quartett reden wir durchaus über das letzte Konzert. Du darfst aber nicht vergessen, dass man nach so einem Konzert relativ leer und ausgepumpt ist, da hast Du einfach nicht die Muse für ausgiebige Spielbesprechungen. Wenn es einen Mitschnitt gibt, dann machen wir das teilweise nachträglich in aller Ruhe, und dann hört man durchaus interessante Aspekte, die wir  besprechen und uns dann auch für zukünftige Konzerte merken.

Jochen: Kann denn dann so ein Konzert überhaupt schief gehen?

Daniel: Na es könnte schon sein, dass sich zum Beispiel der Saxophonist an dem einen Abend in ein Solo von mir einmischt, das normalerweise nur vom Schlagzeug und dem Bass begleitet wird. Das kann natürlich auch schief gehen – es kann aber auch Türen öffnen. Und wenn es tatsächlich in die Hose geht, dann nicht notwendigerweise weil die Idee schlecht war, sondern weil ich oder die Band in dem Moment nicht drauf vorbereitet war und entsprechend darauf reagieren konnte. Wenn wir die Idee gut finden, dann nehmen wir uns vor, das wieder auszuprobieren oder wir proben das explizit, um damit wieder eine weitere Vokale, eine weitere„Schublade“ zu haben, die wir als Band öffnen können. So wächst dann natürlich auch die Band, so wächst meiner Meinung nach letztendlich jedes Team.

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Jochen: Das ist ein gutes Stichwort:  Design Thinking ist meist Teamwork und daher beschäftigt mich oft die Frage nach dem „richtigen“ Team und ich empfehle beispielsweise wann immer möglich mit interdisziplinären Teams an den anstehenden Fragestellungen zu arbeiten. Wie stellst Du Deine Band, Dein Team zusammen, mit dem Du Deine Musik machen willst?

Daniel: (lacht) Also es gab auf jeden Fall kein Casting. Aber natürlich kenne ich nach all den Jahren in der Musikszene viele Musiker und kann auch deren Stärken und Schwächen einschätzen. Perfekt ist niemand und das ist auch vollkommen in Ordnung. Letztendlich überlege ich mir, welche Art von Musik ich machen möchte, wer da musikalisch gut reinpassen könnte und wer überhaupt Zeit und Lust hat.

Vor allem aber überlege ich mir, wer als Band gut harmonieren könnte, nicht nur musikalisch sondern auch auf einer persönlichen und menschlichen Ebene. Denn in meinem Quartett möchte ich wirklich gemeinsam Musik machen, und da braucht es dann eben mehr als bei irgendeinem „Job“, die es natürlich auch gibt als Profi.

Jochen: Spielt dann auch „Teambuilding“ eine Rolle?

Daniel: Klar, auf jeden Fall. Unter Umständen ist das gemeinsame Glas Wein am Abend fruchtbarer als ein ganzer Probentag. Man lernt sich kennen, spricht über Musik, inspiriert sich gegenseitig und lernt voneinander. Nach solchen Abenden sind die anschließenden Proben oft viel produktiver, weil jeder besser versteht, was der andere vorhat und welche Musik der andere machen möchte.

Jochen: Hast Du als Bandleader eigentlich immer das letzte Wort wenn es um Eure Musik geht?

Daniel: Also ehrlich gesagt bin ich, was meine Musik angeht, kein Fan von Demokratie bin. Jeder darf natürlich seine Meinung äußern, und ich habe oft schon eigene Ideen auf Grund von tollen Anregungen aus der Band verworfen oder angepasst. Die Entscheidung liegt aber letztendlich immer bei mir, wobei ich immer wieder überrascht bin, wie viele meiner ursprünglichen Ideen sich dann im Laufe eines Projektes verändern und in eine ganz andere Richtung entwickeln.

Dieses Feedback von außen ist aber wirklich sehr wichtig und wertvoll, weil ich mich natürlich ab und an beim Komponieren auch im Kreis drehe und das Eine oder Andere für gegeben hinnehme, was aber dann gar nicht so sein muss.

Jochen: Im Design Thinking geht es u.a. auch darum, Ideen möglichst früh anfaßbar und testbar zu machen um damit von Anfang an Feedback von anderen Teammitgliedern oder potentiellen Nutzern zu ermöglichen. Wie gehst Du mit Deinen musikalischen Ideen um? Wie schnell präsentierst Du diese anderen, sozusagen als „musikalischer Prototyp“?

Daniel: Bei meiner ersten CD war die Musik im Grunde fertig, als ich mit der Band angefangen habe. Bei der neuen CD möchte ich  definitiv anders vorgehen und auch schon mit nur einer Melodie oder auch nur  einer musikalischen Skizze anfangen, und die Musik zusammen mit der Band entwickeln. Bei der ersten CD hatte ich also im Prinzip die Musik fertig auf dem Notenpapier stehen, wusste welche Stimmung ich erreichen möchte, wie ich die Instrumente einsetze. Bei der neuen Produktion möchte ich  die Band, das „Team“, auf jeden Fall früher und stärker integrieren.

Jochen: Wie wichtig ist dabei Inspiration von Außen?

Daniel: Sehr wichtig. Gerade wenn wir an neuen Stücken arbeiten, wird beispielweise vor oder nach einem Konzert viel miteinander geredet und dabei spielt Musik von anderen Bands immer eine große Rolle: „Hör Dir doch mal die Nummer 3 an auf der einen oder andere CD, das könnten wir doch auch für uns adaptieren“ beispielsweise.

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Jochen: „Build on the ideas of others“ also …

Daniel: ….ja absolut. Es gibt ja das berühmte Zitat von Strawinsky, wonach gute Komponisten sich Ideen leihen, hervorragende Komponisten sich aber Ideen klauen. Das ist vielleicht ein wenig provozierend formuliert, aber meiner Meinung nach erfindet kein Musiker das Rad neu, sondern baut auf dem auf, was schon da ist. Und dieses Zusammenstecken von Bausteinen, die es im Grunde alle schon gibt, ist dann natürlich im besten Fall ein sehr kreativer Prozess, in dem dann auch Neues entstehen kann.

Jochen: Wie weit geht dann die Inspiration von Aussen? Hörst Du Dir als Jazzer zum Beispiel auch die Heavy-Metal-Abteilung an, um neue Ideen zu bekommen?

Daniel: Das wäre jetzt natürlich eine nette Geschichte fürs Interview, aber nein – soweit gehe ich normalerweise nicht. Aber andererseits höre ich in der Tat sehr viel unterschiedliche Musik (wobei Heavy Metal nicht dazugehört). Aber ich höre sehr viel Klassik und fast alle Arten von Jazz – und das ist ja sowieso eine Hybridform, in der sich alle möglichen Einflüsse wiederfinden.

Und natürlich bin ich auch stark beeinflusst von Pop und Rock, das kann man heutzutage kaum verhindern denke ich. Wobei ich dabei dann schon den Anspruch habe, nicht in Trivialitäten abzudriften.

Jochen: Was Dir auch immer gelingt, wenn ich an Deine tolle erste CD denke. Vielen Dank für Deine Zeit und ich freue mich schon auf Deine neue CD.

810AoXGkvnL._SL1242_ Daniel Prandl´s erste CD Fables & Fiction