Über wackelige Pfade nach Namche Bazar

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Gerade rechtzeitig zum Abendessen in dem wie immer gut geheizten und ebenso gut besuchten dining room von The Nest, unserer heutigen Lodge, kommen Ellen und ich von unserem nachmittäglichen Kaffeeklatsch in der schon erwähnten german bakery zurück.

Dieses Mal ist diese sogar mir dem eindeutig deutsch klingenden Namen „Herman Helmer“ versehen, und was bei uns Startbucks, Coffee Fellows und Co. sind, scheint die Herman Helmer german bakery in Nepal zu sein, denn im Laufe der Tage und Wochen finden wir immer wieder Bäckereien, die unter diesem Namen firmieren.

Uns ist es recht, so gibt zumindest ab und an ein wenig Luxus in Form des schon gewürdigten black forrest cake oder der immer wieder gerne gekosteten cinamon roles.

Die „Herman Helmer German Bakery“ ist übrigens ein Joint Venture einer tatsächlich deutschen Bäckerei in Kathmandu und Ang Dorjee Sherpa , einem sehr umtriebigen Nepalesen, der Dank Bäckerei und eigener Lodge ein reicher Mann geworden ist, und mittlerweile wohl auch politische Ambitionen hat.

Unser Energiespeicher wird also regelmäßig mit Leckereien versorgt sein, mein Glückskonto nimmt ebenso Fahrt auf, denn ich drehe fleißig an allen Gebetsmühlen-Rädchen, die sich ebenso zahlreich wie farbenfroh entlang unseres Weges zeigen.

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Nach dem eher entspannten Einlaufen gestern war die heutige Etappe eine echte Steigerung inklusive der ersten „echten“ Steigung kurz vorm nachmittäglichen Zieleinlauf in Namche Bazar, der Sherpa-Hauptstadt, die sich auf gut 3400 Höhenmeter an die steilen Hänge schmiegt. Neben zahlreichen Lodges, Hotels, Shops, Restaurants und Bars gibt es auch Polizeirevier, Bank und die örtliche Verwaltung. Keine Frage, wir sind im eindeutigen Zentrum der Solu-Khumbu-Region.

Unser Weg führt uns entlang dem Flussufer des Dud Koshi, den wir mal links und mal rechts von uns haben, und den wir immer wieder auf meist wackeligen, und für einige von uns nicht ganz angstfreien Hängebrücken überqueren.

Besonders wackelig ist dabei die Sir Edmund Hillary Bridge, die sich in fast 80 Meter Höhe über eine zweiten Hängebrücke weit über das Tal spannt, und die ich schon aus dem „Everest“-Film kenne, den ich noch kurz vor meiner Abreise gesehen habe. Damals in 3D und jetzt „in echt“!

Ich finde es sehr spannend, durch meine Reise vieles aus dem Film selbst erleben zu können und mit eigenen Augen zu sehen. Passend dazu begleitet mich und Ellen Ron Krakauers Welterfolg „In eisigen Höhen“, der die damaligen Geschehnisse am Mount Everest auf wie ich finde sehr spannende aber wohl auch sehr subjektive Weise beschreibt und die Grundlange für den Film darstellt.

Mich fasziniert, welche enormen und meiner Meinung nach fast übermenschlichen Anstrengungen und Entbehrungen offensichtlich nötig sind, um den höchsten Berg der Welt zu besteigen. Und wie viele Menschen, das dennoch so sehr reizt, dass sie dafür viel Geld investieren und das eine oder andere Mal auch ihr Leben aufs Spiel setzen.

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In wenigen Tagen werde ich selbst am Fuße des Sagarmatha stehen, wie die Einheimischen den Mount Everest nennen. Mir reicht aber der imposante Anblick und „mein“ Mount Everest wird der Island Peak sein, der mich auch an die Grenzen meiner Belastbarkeit bringen wird. Doch davon später mehr.

Markus, Peter und Christian planen für 2017 tatsächlich die Besteigung des Mount Everest – ohne Sauerstoff versteht sich, denn sonst ist es wohl kein echtes Bergsteigen. Ich drücke im Geiste jetzt schon alle Daumen, und bin gespannt, wie dieses Abenteuer ausgehen wird.

Die erste Nacht in meinem Schlafsack kann ich getrost unter der Rubrik „Sauna“ verbuchen, denn als ich mitten in der Nacht aufwache, bin ich schweißgebadet. Nachdem ich mich aber bis auf die Unterhose entblättere, wird es richtig kuschelig warm und gemütlich und für den Rest der Reise werde ich zumindest im Schlafsack nicht frieren. Auf jeden Fall eine sehr lohende Investition, und je kälter es in den Lodges wird, desto mehr freue ich mich Abend für Abend auf mein kuscheliges Stelldichein mit meinem olivgrünen Schlafsack.

Im Vergleich zu der ersten Nacht schlafe ich fast himmlisch tief und fest, Träume unterschiedlichster Couleur inklusive. Meine Bandscheibe, die gestern noch gezwickt hat, scheint mittlerweile auch gut in den Bergen angekommen zu sein, und gibt in den nächsten Tagen und Wochen keinen Laut mehr von sich.

Nachdem wir die Hillary Bridge, die bunt und luftig mit zahllosen Gebetsfahnen eingewickelt ist, hinter unter gelassen haben, geht es für fast eine Stunde steil bergauf. Wieder über viele, viele dieses Mal auch sehr staubige Stufen für nepalesische Riesen, die mir heute aber schon wesentlich leichter fallen als gestern.

„Spocky“ Naran und ich laufen zusammen vorneweg, und ich versuche mich im Smalltalk. Leider müssen wir es beim Austausch von wenigen Fakten belassen, da sein Englisch dem vom echten Spocky nicht gerecht werden kann. Trotzdem schön zu erfahren, dass er vier Kinder im Alter von 9-25 Jahre hat, und dass er außerhalb der Wandersaison meist zuhause bei seinen Lieben ist, was er sehr genießt. Und was ich sehr gut verstehen kann.

Mit 55 Jahren ist er der eindeutige Oldie unserer Truppe, ein Alter das man ihm aber in keiner Weise anmerkt, denn so leicht und lachend wie er bergauf geht, sieht das für mich sehr jugendlich sein.

Auf halben Weg nach Namche zeigen sich zum ersten Male Mount Everest und Lhotse, und natürlich zückt jeder seine Kamera und hält die ersten Impressionen auf diese Bergriesen fest. In Anbetracht der ungleich eindrücklicheren Ansichten, die wir von den Beiden noch vor die Linsen bekommen werden, eigentlich völlig unnötig, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und zum Glück hat die Speicherkarte heutzutage gaaanz viel Platz für Impressionen aller Art.

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Mittlerweile hat sich der Abendessen-Tisch gut gefüllt und zusammen mit Georg, Katrin, Christina und Christian (die übrigens weder verwand noch verschwägert und auch nicht verliebt sind, wie ich das beurteilen kann nach wenigen Tagen), sowie Andrea und Andreas (dito!) plaudern wir bei orange tea über den heutigen Tag und die bevorstehenden Herausforderungen.

Ob es am Sammelsurium der Dialekte liegt oder der Müdigkeit der ersten Tagen – die Gespräche sind (noch) sehr stockend und zurückhaltend. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich ein Gutteil der österreichischen Fraktion schon gut kennt und gemeinsam nach Nepal gereist sind. Im Laufe der Tage und Wochen werde ich aber mit den meisten das eine oder andere Gespräch führen. Im Vergleich zu 2010 bleiben diese aber doch meist eher oberflächlich. Anerkennen was ist!

Und eines ist auch mehr als offensichtlich: Im Vergleich zu den bestens ausgerüsteten Mitwanderten bin ich doch eher improvisiert unterwegs. Im Vergleich zu unseren nepalesischen guides und Trägern bin aber auch ich hochmodern ausgestattet und daher lass ich Ausrüstung Ausrüstung sein, genieße mein Dhal Bhat, das geteilte Mars mit Ellen und freue mich auf eine weitere Nacht in meiner kleinen aber feinen Schlafsack-Sauna.

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