Echte Handarbeit und Spirituelles

DSC07281

Nach den ersten Tagen unterwegs, gewöhne ich mich mehr und mehr an die morgendlichen Rituale. Entweder bin ich sowieso schon wach oder werde von bellenden Hunden, einer hustenden und schnupfenden Ellen oder von trampelnden Mitwanderern geweckt. Die meisten Lodges bestehen nämlich vor allem aus zusammengezimmerten Sperrholzplatten, und wenn da der morgendlich motivierte Wanderer in seinen Bergstiefel darüber poltert, wackeln die Wände und ich bin wach.

Danach folgt ein meist kurzer aber intensiver Kampf mit meinem inneren Schweinehund, der noch im ach so schön kuscheligen Schlafsack lieben bleiben möchte Ab und an schenke ich ihm noch fünf zusätzliche wunderbare Minuten, diesen Kampf kann er aber nur verlieren, denn schließlich ruft der Berg. Also raus in die Kälte und schnell die im Schlafsack vorgewärmte Unterwäsche anziehen, die Wanderhose überstreifen, die ich unter (!) dem Schlafsack warm gehalten haben (Danke Ellen, für diesen Tipp), den Fleece drüber, die Wanderschuhe geschnürt und ab zum Frühstück.

Die morgendliche Katzenwäsche gibt es meist noch während dem Zähneputzen – das bei eiskaltem Wasser für meine doch so empfindlichen Zahnhälse jedes Mal eine kleinen Herausforderung darstellt.

Apropos Frühstück: was mir die veg noodle soup am Mittag und das Dhal Bhat am Abend ist, wird für mich das tibetian bread am Morgen. Eine liebgewonnene Gewohnheit, die ich entweder mit Honig oder Marmelade versüße und mit meist zwei Tassen coffee with milk garniere. Der Tag kann kommen.

Heute geht es in einer schönen Runde rund um Namche Bazar. Die 4000 Meter über dem Meeresspiegel werden wir erst morgen knacken, denn Markus bremst nach wie vor unseren (Höhen-) Eifer und lässt uns nur schrittweise aber dadurch umso nachhaltiger akklimatisieren.

Kurz vor 9 Uhr brechen wir auf und schon knapp eine Stunde später stehen wir hoch über Namche und genießen die prächtige Aussicht auf die zahllosen Gebäude, die sich scheinbar an den steilen Hänge festhalten.

Auch wenn es gleich richtig steil und staubig nach oben geht, geht es mir gut. Die Puste reicht, die Kopfschmerzen sind meilenweit entfernt und meine Beine sind flink unterwegs heute. Da reicht es noch für einen entspannten Plausch mit Markus und Peter, die zusammen wohl schon ganz andere Bergabenteuer gemeistert haben.

Dem ersten steilen Anstieg folgen nun saftig-grüne Almweiden, die von Yaks und Yans bevölkert werden. Wir finden Edelweiß wie Sand am Meer und der Himmel ist nach den ersten eher nebelig-grauen Tagen so blau-weiß geputzt, dass er selbst den niederbayerischen Ansprüchen von Georg gerecht wird.

Gegen Mittag dann das eindeutige Schmankerl des Tages. Wir biegen um einen letzten Bergrücken, der uns lange Zeit die Sicht versperrt hat und unmittelbar vor uns erheben sich mit einem Male die höchsten Gipfel der Erde, angefangen mit dem Everest ganz im Hintergrund, gefolgt von Lhotse, Nuptse, und der Ama Dablam, dem wohl schönsten Gipfel in dieser Aussichts-Runde.

DSC07297

Wie oft werde ich diese Gipfel in den nächsten Tagen und Wochen bewundern, wie oft wird man und frau mir die Namen der Gipfel nennen und wie oft werde ich diese auch gleich wieder vergessen! Namen sind bei dieser so gewaltigen Schönheit doch nicht mehr als Schall und Rauch wie ich finde, und daher sitzen und liegen wir fast eine Stunde in der Almwiese und lassen diese Schönheit auf uns wirken.

Ich bin ganz ergriffen und bin dankbar das erleben zu dürfen. Schon jetzt ist diese Reise ein echtes Highlight für mich, an das ich mich sicherlich immer erinnern werde.

Markus schießt das erste clearskies-Gruppenfoto, dem noch etliche folgen werden, bei so vielen Höhepunkten, die es für uns noch zu erklimmen und zu genießen gibt.

Unsere erste Teepause verbringen wir auf der Terrasse des Everest View Hotel, das auf 3880 Höhenmetern wohl vor allem japanischen Gästen sehr eindrucksvolle aber wohl auch recht kostspieligen Zimmer mit Aussicht bietet. Das Hotel wirbt damit, das höchstgelegene Hotel der Welt zu sein. Hubschrauberlandeplatz inklusive versteht sich. Der aber allem Anschein nach mindestens genauso oft für den schnellen Rücktransport von höhenkranken Japanern gebraucht wird, als für den Hintransport der selbigen. Denn auch das komfortabelste Hotel kann eine richtige Akklimatisation nicht ersetzen, Spa und Champagner hin oder her.

Wir lassen uns den mint tea und die coconout cookies, die uns unsere ganze Reise begleiten werden, aber dennoch oder gerade deswegen prächtig schmecken, ein Japaner lässt sich aber die ganze Zeit nicht blicken.

Danach geht es frohgelaunt und mit viel Sonne am Himmel und im Herzen weiter nach Khumjung, wo wir unsere Mittagspause einlegen. Wir sind wohl ein wenig „zu früh“ dran und müssen auf veg noodle soup, veg fried noodles und allen anderen Leckereinen ein wenig warten. Was uns aber die Gelegenheit gibt, die Baustelle nebenan ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen.

Das Haus wird nach dem Erdbeben gerade wieder aufgebaut und folgt einem Muster, das wir fast jeden Tag beobachten können. Zuerst entsteht ein Rahmen aus Holz, der dann mit vielen Steinen ausgemauert wird. Die Innenwände werden dann meist mit den schon erwähnten Sperrholzplatten versehen und oben drauf kommt dann das Dach – meist ohne nennenswerte zusätzliche Isolierung.

Das für mich beeindruckteste dabei ist die beispiellose Handarbeit, mit der die meist 10 bis 20 Arbeiter auf der Baustelle dabei vorgehen. Einfachstes Werkzeug wie Hammer, Meisel, Säge, und Hobel müssen genügen, um am Ende wirklich schöne Häuser zu bauen.

DSC07381

Das Hämmern der Steinhauer ist ein Geräusch, das mich fast die ganze Reise über begleitet und mich fasziniert wie sich die hand-gehauenen Steine aus Granit am Ende fast Millimeter-genau zusammenfügen. Ein Steinhauer schafft normalerweise sieben bis acht Steine pro Tag, und so ist es kein Wunder, dass sich die Geschwindigkeit „am Bau“ vor allem an der Anzahl der eingesetzten Arbeiter entscheidet. Elektrische Maschinen gibt es keine, Solar-betriebenes Gerät könnte das Bauwesen in Nepal aber revolutionieren denke ich.

Am frühen Nachmittag sind wir dann schon wieder in Namche und ich fühle mich in den Gassen fast schon heimisch, als ich zusammen mit Georg und Andreas noch zur mittlerweile fast schon traditionellen cinemon role in der – logisch! – german bakery schlendere.

Das free wifi lockt mich zwar auch, zumal alle anderen direkt ins weltweite Netz abtauchen. Ich bleibe dieses Mal aber standhaft, möchte ein wenig Abstand zum What´s app-Alltag halten und nehme mir vor, erst nächster Woche wieder digitale Lebensgrüsse in die Heimat zu schicken.

Kurz vor dem Abendessen besuchen Christian, Andrea, Peter, Miriam, Ellen und ich noch das kleine Kloster von Namche. Ellen und ich vor allem aus Interesse, die anderen auch um ihre gerade erstandenen Xi-Steine weihen zu lassen. Diese Steine gelten bei den Tibetern als besonders heilig und den Bergsteigern in aller Welt sind sie geschätzter Glücksbringer und Talisman.

Der Mönch im klassischen rot-orange empfängt uns mit einem breiten Grinsen, vielleicht auch weil er sich freut Besuch zu bekommen, da er das kleine Kloster derzeit ganz alleine bewohnt. Er ist gegen eine kleine Spende gerne bereit, die gewünschte Zeremonie durchzuführen, und so sitzen wir schon wenige Minuten „strümpfig“ und gespannt in der prunkvoll ausgemalten Gebetshalle. Der überlebensgroße goldene Buddha thront nicht zu übersehen über allem.

Der Mönch blättert in einem kleinen goldverzierten Büchlein, scheint das passende Sprüchlein zu finden und leg mit lautem Gemurmel los. Das fast so klingt, als ob er die zu weihenden Xi-Steine im Mund hat, so unverständlich sind seine Gebete – zumindest für mich. Er weiß aber allem Anschein nach, was er tut, denn von Zeit zu Zeit blättert er in seinem Büchlein auf die nächste Seite – und murmelt dann unverdrossen weiter.

Das ist einerseits lustig und schräg, in Anbetracht der Tatsache, dass wir gerade in einem buddhistischen Kloster im Himalaya sitzen, haben diese Momente auch etwas sehr Spirituelles für mich und ich schließe für ein paar Minuten die Augen, spüre meine Füße auf dem Boden und lausche meinem Atem. Ohm.

DSC07472

Beim Abendessen bekommen wir Besuch von mehreren, mal jüngeren und mal älteren Tanzgruppen. Denn heute ist wohl die nepalesische Variante von Halloween, und an diesem Abend wird um viel Süßes und gerne auch ein wenig Bares gebeten, dafür aber viel gesungen und getanzt. Die meisten haben sich in ihre schönsten Trachten gestürzt, und die schicken Pelshüte der Damenwelt erkenne ich aus „7 Jahre in Tibet“ wieder. Noch so ein Film, den ich nach meiner Rückkehr wieder mal anschauen möchte.

Ich lasse mit das eine oder andere Selfie mit der gut behüteten Damenwelt natürlich nicht entgehen und lass mich von der Lebensfreude und dem Lachen der Tänzerinnen und Tänzer anstecken.

Ich bin angekommen in Nepal und freue mich auf die nächsten Tage.

Schreibe einen Kommentar