Froh dabei zu sein

SoluKhumbu2015-183

Ich stehe kurz nach halb 9 am Morgen im departure room des International Airports in Kathmandu. Nach zwei Tagen in der nepalesischen Hauptstadt geht es nun endgültig über Delhi und Frankfurt zurück in meine Karlsruher Heimat.

Zusammen mit Ellen lasse ich mir die Sonne auf den Rücken scheinen, und schaue mir das bunte Treiben vor mir an. Denn der Raum ist völlig überfüllt mit Reisenden aus allen Herren Ländern und ich befürchte, dass sich das so schnell auch nicht ändern wird.

Wohl auf Grund „schlechter Wetterverhältnisse“ sind etliche Flüge verspätet oder gar ganz gestrichen. Der blaue Himmel draußen vor den milchigen Fenstern sieht für mich zwar nicht nach Schlechtwetter aus, aber auch unser Flug wird zuerst um 10 Minuten, dann um 30 Minuten und schließlich fast um zwei Stunden verschoben.

Gestern Abend haben wir noch einmal Abschied gefeiert – bei Bier und Pizza. Nach dem vielem Tee und dem fast täglichen Dhal Bhat war das nämlich unser absolutes Lieblingsmenü während unseres Aufenthaltes in Kathmandu.

Den Tag zuvor war ich noch mitten in der herrlichen Bergwelt rund um Lukla. Nach einer (fast) durchtanzten und dementsprechend kurzen Nacht heißt es frühmorgens aufstehen, ein letzten Mal den Schlafsack zusammenrollen und alles im duffle bag verstauen. Bei aller Vorfreude auf Zuhause fühle ich auch viel Wehmut, da unsere Reise nun dem Ende zu geht.

Das Packen geht aber fast von selbst, denn einerseits habe ich mittlerweile genügend Erfahrung und zum anderen fehlen nun all die Teile, die ich bei der Tombola den Trägern überlassen habe. Vor allem die schweren Bergstiefel schaffen Platz für Souvenirs und meine roten Turnschuhe werden mich sicherlich auch gut über die Straßen von Kathmandu bringen.

Die Träger verabschieden sich von uns mit den klassischen weißen Tüchern und sind sichtlich verlegen dabei. Wie ich erst jetzt erfahre, kommen alle Fünf aus dem gleichen Dorf, das sind in zwei zügigen Tagesmärschen erreichen werden. Ohne schweres Touristengepäck auf dem Rücken, aber so hoffe ich mit einem guten Lohn in der Tasche, und ein paar schönen Erinnerungen obendrein.

Der Flughafen in Lukla empfängt uns dann wieder mit der inzwischen wohlbekannten aber auch liebgewonnenen nepalesischen Variante von Ordnung und wie schon beim Hinflug stapeln sich in der kleinen Abflughalle Taschen, Material und die dazugehörigen Wanderer.

Wir bekommen Flug Nummer 3, dürfen aber in der eiskalten Halle noch fast eine Stunde warten. Dann aber nehmen uns wie schon beim Hinflug zwei sehr entspannte und wunderbar uniformierte Ray Bans und eine ebenso attraktive Stewardess in Empfang. Pradap´s Sitzgurt funktioniert leider nicht und er ist schon dabei sich von uns zu verabschieden. Ein pfiffiger Flughafenmitarbeiter löst das Problem aber dadurch, dass er den Gurt kurzerhand mit einem Stück Seil fixiert. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Mit viel Standgas und damit ordentlich Schwung gelingt uns dann ein mustergültiger Start und keine 15 Minuten später verabschiede ich mich mit einem leisen „Servus“ von den letzten Himalaya-Riesen, die langsam am Horizont verschwinden.

Und dann: Kathmandu! Zurück im großstädtischen Lärm und Chaos, das sich aber auf Grund des immer noch geltenden Benzinboykotts doch sehr in Grenzen hält. Auch die Hauptstadt zeigt sich im Festgewand und über all singen und tanzen kleinere und größere Gruppen. Die Tage wird das Ochsen-Fest, dass Kuh-Fest und das „Bruder & Schwester“-Fest gefeiert. Schelm, wer bei dieser Reihenfolge gewissen Ähnlichkeiten vermuten will.

Im Holly Himalaya machen Ellen und ich es uns dieses Mal eine Etage höher gemütlich, die heiße Dusche gibt es aber erst ab 18 Uhr. Bis dahin stürze ich mich zusammen mit Christian, Ellen, Andrea, Andreas und Miriam im ersten Italiener am Platz auf leckerste Pizza und Pasta. Ein Genuss!

Auf Empfehlung Markus´ wage ich mich danach zusammen mit Andreas nicht in die Hölle des Löwen, sondern in den Friseurladen von Pabu. Der nämlich schneidet und frisiert nicht nur wie ein Weltmeister, sondern verpasst müden Wandererschultern danach noch eine in der Tat sehr entspannende Massage. Da wird geklopft und gedehnt bis die Halswirbel knacken. Aber was soll ich sagen: danach fühle ich mich fast wie neu geboren und die Frisur und mein Bart sitzen auch ohne Dreiwettertaft.

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Gerade wird die Verschiebung unseres Fluges nach Delhi auf nun zwei Stunden angesagt, und ich werde langsam nervös, da wir dort nur gute zwei Stunden Aufenthalt haben. Aber andererseits: nach drei Wochen buddhistischer Gelassenheit lasse ich den Dingen ihren Lauf, und am Ende wird auch alles gutgehen.

Air India versucht die wartenden Passagiere mit Saft und Chips zu besänftigen, ich belasse es aber bei einem mineral water und einem letzten gemeinsamen Snickers mit Ellen.

Die zwei Tage in Kathmandu vergehen wie im Fluge. Ich hab viel Spaß beim ausdauernden Feilschen um die besten Souvenir-Preise und fülle den freigewordenen Platz in meinem duffle bag mit Masken, Buddhas, zwei Mandalas und etlichen Räucherstäbchen.

Bei einem Abstecher nach Little Tibet statten wir der durch das Erdbeben zerstörten aber auch schon wieder fast vollständig aufgebauten riesigen Stupa einen Besuch ab und haben eine interessante Führung durch eine Mandala-Schule. Das wunderschöne riesengroße Mandala aus Gold für 18.000 Dollar kaufe ich mir aber nach kurzer Umlegung doch nicht.

Zuvor darf ich noch ein echtes Highlight miterleben. Durch Vermittlung von Christian haben wir nämlich die Möglichkeit einer echten nepalesische Berühmtheit einen Besuch abzustatten. Denn Elisabeth Hawley gilt als the mother of Himalaya und hat seit dem Beginn der Bergexpeditionen in Nepal darüber Buch geführt . Die unzähligen Aktenschränke in ihrer Wohnung zeugen auf sehr sichtbare Weise davon, und in der Tat hat sie wohl mit allen berühmten und weniger berühmten Bergsteigern gesprochen.

Paradoxerweise war sie selbst den Bergriesen nie näher als Lukla, auf Grund der unzähligen Interviews hat sie aber wohl dennoch so ein riesiges Wissen über mögliche und unmögliche Expeditionen, dass sie in der Vergangenheit oft als Expertin zu Rate gezogen wurde, wenn es darum ging, herauszufinden, ob der eine oder andere Bergsteiger wirklich den Gipfel erreicht hat.

Die mittlerweile weit über 80-jährige Frau hat auch zu Jon Krakauer´s Version des Dramas am Mount Everest ihre Meinung, die sie uns mit viel bissigem englischen Humor auch sehr gerne mitteilt.

Zwei sehr interessante und spannende Stunden, die für mich den perfekten Abschluss unserer Reise darstellen.

Die erste Nacht in Kathmandu starten wir dann bei Bier und Pizza und beenden diese dann sehr sehr viel später in Sam´s Bar. Sam ist eine Österreicherin, die irgendwann der Liebe wegen nach Kathmandu ausgewandert ist und seitdem in Sam´s Bar einheimische und ausländische Nachtschwärmer begrüßt. Der Gin Tonic fließt in echten Strömen und wir haben unendlich viel Spaß. Nach dem dritten kräftigen und lauten Zicke-Zacke-Zicke-Zacke-Hoi-Hoi-Hoi meinerseits, bittet Sam aber ein wenig um Ruhe und gegen zwei Uhr in der Früh fallen wir alle ziemlich besoffen aber glücklich in unsere Betten.

Jetzt geht es doch tatsächlich los, und unser Flug nach Delhi steht zum Abflug bereit. Doch Air India verlangt mir und Ellen und unserer neu erlangten buddhistischen Gelassenheit einiges ab, denn direkt auf dem Rollfeld werden wir nochmals akribisch abgetastet und müssen sogar unsere Rucksäcke auspacken. Security first oder reine Schikane? Ich bleibe ruhig und hoffe nur, dass wir den Anschlussflug erwischen werden.

Und um eine lange Reise kurz zu Ende zu erzählen: Der Flieger in Delhi wartet auf uns, ich vertreibe mir die Zeit zurück nach Frankfurt mit Schlafen und dem einen oder anderen Film aus dem Bordunterhaltungsprogramm und nachdem wir in Frankfurt dann wirklich als allerletzter auch unser Gepäck vom mittlerweile gänzlich leeren Gepäckband stemmen können, haben wir es geschafft. Deutschland hat uns wieder.

Ich freue mich sehr darüber, dass mich Nils und Christian in Empfang nehmen und mich nach Hause kutschieren werden. Ich verabschiede mich innigst von Ellen, verspreche ihr hoch und heilig ihr meine Bilder schon Anfang der Woche zuzuschicken und nach zwei herrlichen Cheeseburger machen wir uns auf nach Karlsruhe.

Nach kurzem „Hallo“ zu den eigenen vier Wänden geht es aber gleich wieder zum Willkommensbier in die Venus. Die mich brechend voll begrüßt. Das „Helle“ schmeckt aber wunderbar und ich freue mich das eine oder andere bekannte Gesicht zu entdecken.

Ich bin aber doch sehr reisemüde, so dass ich den Zapfenstreich dieses Mal verpasse und da schon lange selig in meinem eigenen Bett träume: Von unvergleichlichen Tagen in Nepal, die mich herausgefordert haben, die mich reich beschenkt haben und die ich sicherlich nie vergessen werde.

Oder wie es der gute Philipp Poissel zu sagen pflegt: „Froh dabei zu sein!“ oder auch „es gibt im Leben viele Zeiten, das hier sind die Guten“.

Danke dafür!

SoluKhumbu2015-184

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