In eisigen Höhen

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Und wieder Sonnenschein pur am Morgen. Das Wetter verwöhnt uns wirklich nach Strich und Faden. Aber wie ich Markus schon gestern gesagt habe, kenne ich Nepal bis jetzt nur bei bestem Wanderwetter, denn das war in 2010 so und ist bis jetzt auch in 2015 so.

Nach der gestrigen absoluten Königsetappe haben wir heute eigentlich spätes Frühstück um halb Neun, ich bin aber schon wach und sitze im sonnigen dining room. Das italienisch-spanische Pärchen im Zimmer neben uns hat lautstark mitgeholfen, dass ich schon wach bin, denn bei den wie in den Lodges üblich sehr dünnen Sperrholzwänden fällt es schwer, nicht mitzuhören, was nebenan so vor sich geht: Ehestreit, Intimitäten und aktueller Klatsch um nur die Klassiker zu nennen.

Sperrholzplatten in verschiedenen Größen und Dicken sind im übrigen wohl ein wesentlicher Bestandteil aller Gebäude in der Bergregion, und fast täglich sehen wir so bewundernswerte wie bedauernswerte Träger, die die Platten schwerbeladen überall dorthin tragen, wo gebaut werden soll. Und dabei mitunter bis so 120 Kilogramm auf die meist recht schmalen Schultern packen. Für mich nicht nachvollziehbar und wohl nur möglich, weil schon die Kinder damit anfangen, große Gewichte von A nach B zu tragen.

Die Träger werden nach Gewicht und Tagen bezahlt, und daher ist in diesem Fall wohl weniger nicht mehr und jeder Träger versucht so viel wie möglich mit sich zu schleppen. Und da es im gesamten Solu Khumbu keine Straßen gibt, sind die Träger lebensnotwenige Ein-Personen-Transportunternehmen, die ab und an unterstützt von Yaks oder Maultieren, dafür sorgen, dass alles zum Leben notwenige an die richtigen und vor allem auch entlegensten Stellen kommt.

Ich fühle mich frisch und ausgeruht, nach dem gestrigen 12-stündigen Bergmarathon ist das fast ein kleines Wunder wie ich finde.

Am Vormittag des Vorvortages hatten wir uns in Richtung base camp aufgemacht und der gut drei-stündige Spaziergang war nach dem Ruhetag die genau richtige Dosis „Bewegung“, um unsere müden Knochen wieder in Fahrt zu bringen.

Markus, Peter, Pradap und die Träger waren schon am Morgen aufgebrochen, um alle Zelte aufzubauen. Denn neben den 2-Mann-und-Frau-Zelten für uns tapfere Bergbesteiger gibt es ein Küchenzelt, in dem Naran für uns echte Leckereien zubereiten wird, sowie ein großes Speisesaalzelt, in dem wir ganz romantisch bei Kerzenschein unser Abendessen und das frühe Frühstück genießen werden.

„Früh“ heißt in diesem Fall „sehr früh“, denn Pradap weckt uns schon kurz nach halb Drei mit seinem laut quäkenden Wake Up Song aus seinem überdimensionalen Handy. Da wir uns aber schon um 19 Uhr in unsere Zelten verzogen hatten, fällt es mir leicht aus meinen Schlafsackfedern zu kommen.

Die Nacht im Zelt war überraschend entspannend und kuschelig. Meinem Schlafsack sei Dank! Da draußen fast 20 Minusgrade zu vermelden waren, wanderten dieses Mal auch die Einlegesohlen meiner Wanderschuhe in den Schlafsack und ich warf mich vorsorglich schon in meine Thermounterwäsche.

Trotz gewärmter Einlegesohlen bekomme ich übrigens den Tag über durchaus kalte Füße. Interessanterweise aber immer nur in Abwechslung mit den kalten Fingern. Beides zusammen bleibt mir zum Glück erspart, ich beneide aber dennoch Christian, der am frühen Morgen mit beheizbaren Handschuhen aufwartet, die sich ganz wunderbar mit den beheizbaren Socken ergänzen, die wiederum Markus anpreist.

Den unvermeidlichen und nächtliche Gang zur Toilette möchte ich an dieser Stelle aber auch nicht vergessen, denn barfuß bei diesen Minusgraden pinkelnd hinter unserem Zelt zu stehen und dabei von wirklich abertausend Sternen am wolkenlosen Himmel über mir beobachtet zu werden, ist schon etwas ganz Besonderes.

Nach dem wie gesagt sehr frühen und auch sehr schnelle Frühstück, bei dem ich mich ausnahmsweise mit porrige zufriedengebe, bläst Markus wieder einmal in sein imaginäres Bergführerhorn und wir brechen kurz nach halb Vier auf in Richtung Island Peak.

Am Himmel die schon gewürdigten Sterne und auf unseren Köpfen unsere Stirnlampen. So erleuchtet bahnen wir uns unseren Weg über die ersten Serpentinen, die gleich recht steil loslegen. Markus geht vorneweg und gibt ein sehr entspanntes Tempo vor, auf das ich mich aber sehr gerne einlasse und mal weiter vorne und mal weiter hinter mitgehe.

Jede Stunde legen wir eine Trinkpause ein, und ehe ich mich versehe geht die Sonne über dem Horizont auf und wir haben schon die ersten 500 Höhenmeter hinter uns gebracht.

Mir geht es richtig gut. Peter, Andrea und Miriam zollen allerdings der Höhe Tribut und Markus entscheidet sich, die Drei ins base camp zurückzuschicken.

Der Rest macht sich weiter auf in Richtung Gipfel und eine gute Stunde später stehen wir am sonnenbeschienenen Beginn des Gletschers. Jetzt heißt es umziehen und wir legen Steigeisen und Klettergut an.

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Für mich ein absolutes „erstes Mal“ und wie das bei ersten Male so ist, bin ich ein wenig aufgeregt und verwechsle prompt links und rechts und lege die Steigeisen verkehr herum an, was Markus mit einem entspannten „do stimmt was net junger Mann“ kommentiert und das kurzerhand und in Nullkommanix zurecht rückt.

Wir bilden zwei Seilschaften und ich hänge von nun im wahrsten Sinne des Wortes sehr an Georg, Ellen und Markus. Markus geht natürlich voraus und meine alleralerersten Schritte auf Gletschereis fühlen sich sehr gut an. Die Sonne lässt das Eis glitzern und glänzen – einfach wunderschön.

Der Gipfel zeigt sich mit einem Mal noch weit über uns, und an dem steilen Hang, den es noch zu überwinden gilt, mühen sich schon zwei weitere Seilschaften ab. Wir haben bis dorthin aber noch ca. 30 Minuten Galgenfrist.

Der Gletscher wird steiler und steiler und dann noch steiler und so langsam wird mir ein wenig mulmig. Die Steigeisen geben mir aber richtig guten Halt und mit aller Kraft ramme ich diese bei jedem Schritt in das knirschende Eis unter mir.

Auf Grund unserer Nicht-Erfahrung am steilen Eishang lässt Markus Ellen von Lawang ans kurze Seil nehmen und kümmert sich von nun an nur noch im Georg und mich. Mir ist es recht, denn ich bin schon lange ganz raus aus meiner waagerechten Komfortzone und kann jede Hilfe gebrauchen. Denn jetzt wird es mit fast 60 Grad wirklich steil – zumindest für mich. Markus hingegen klettert forsch voraus und sichert Georg und mich. Froh ist, wer am Seil eines sehr erfahrenen Bergführer hängt.

Die letzten Meter des Hanges kraxele ich einfach auf allen Vieren nach oben, versuche nicht daran zu denken, wo ich mich gerade befinde und stell mit vor, dass ich einfach einen glattpolierten und vor allem waagrechten Boden entlangkrabbele.

SoluKhumbu2015-214Doch dann bin ich oben, und hole erstmals ganz ganz tief Luft. Zum Gipfel geht es aber noch über einen gut 100 Meter lange nur ein wenig flacheren Grat, an dem uns Markus wieder Seillänge um Seillänge nach oben führt. Und sogar Zeit hat, uns in echter Siegerpose abzulichten.

Der Grat ist einen guten halben Meter breit und im Grunde problemlos zu begehen. Die Breite des Grates folgt aber unter Bergsteigern den gleichen Gesetzen wie die Größe des geangelten Fisches unter Anglern: je öfter man davon erzählt, wird der Grat schmäler und schmäler und wenn ich es mir recht überlege, war der Grat keine 10 Zentimeter breit und wir sind sind mutig darüber balanciert.

Mit ganz viel Puste, ordentlich Nervenkitzel, Herzklopfen und einer guten Portion „einfach machen“ stehe ich dann kurz nach 10 Uhr tatsächlich auf dem Gipfel des Island Peak auf 6189 Meter. Der Wahnsinn!

Der Gipfel hat allenfalls die Größe von meinem Badezimmer und wenn ich mir vorstelle, dass sich darin ca. 20 Leute versammeln, kann man sich vorstellen, wie eng es nun zugeht „ganz oben“.

Aber was soll´s: traumhaft trifft es vielleicht am Besten. Absolut windstill, strahlende Sonne, tiefblauer Himmel und um uns herum wieder einmal die ganze Himalaya-Pracht: Auf der einen Seite erhebt sich die riesige Lhotse Südwand noch weitere fast unglaubliche 2,5 Kilometer in den Himmel. Auf der anderen Seite schweift der Blick vom Makalu im Osten, über den Baruntse bis zur Nordseite der Ama Dablam… Und wir mitten drin. Und voll dabei.

Ich mache Gipfel-Selfies mit allen, eine Videobotschaft für zuhause und dann genieße ich nur! Ich habe es doch tatsächlich geschafft und stehe wie gesagt auf 6189 Meter. Genial! Wunderbar! Und ich bin stolz wie Harry.

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Habe ich schon erwähnt, dass ich auf 6189 Meter stehe?

Doch wer rauf will, muss irgendwann auch wieder runter. Und die nächsten Stunden werden ein ganz langer und am Ende auch schmerzhafter Marsch zurück ins base camp und dann weiter zu unserer Lodge in Chukung.

Zuerst aber lassen wir uns am gut 150 Meter langen Fixseil abseilen. Vorbei an einer Gletscherspalte, die sich Ellen gerne genauer anschauen würde. Ich sage aber nur schnell „Hallo“ und lass mich zügig am Seil hinunter gleiten.

Den Hund, den wir wundersamer Weise am Gipfel angetroffen habe, und der offensichtlich wohl irgendwie rauf gekommen ist, nun aber nicht weiß, wie er wieder runter kommt, wird von Georg kurzerhand Huckepacke genommen und begleitet uns noch über den Gletscher, bis er sich ohne großes Aufsehen von uns verabschiedet.

Am Ende des Gletschers packen wir Steigeisen und Klettergurt wieder in unsere Rucksäcke. Ich habe aber große Lust, mal wieder über einen Gletscher zu wandern.

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Ich befestige eine Gebetsfahne für mich und als Dankeschön an den Wandergott, dass alles gut gegangen ist und ich all das erleben darf.

Die 5 Farben der Gebetsfahnen symbolisieren übrigens für alle, die es gerne besser wissen wollen, die 5 Elemente:

  • Blau – Himmel
  • Weiß – Wasser
  • Rot – Feuer
  • Grün – Luft
  • Gelb – Erde

Ich lasse mich mit Ellen und Markus ans Ende unserer Truppe fallen und habe trotzdem Mühe den Beiden zu folgen. Erst jetzt sehen wir, wie steil und ausgesetzt der Weg ist, den wir in der Nacht aufgestiegen sind, und ich bin froh, dass ich das heute Nacht im doch recht bescheidenen Stirnlampenschein gar nicht richtig wahrgenommen habe.

Doch auch jetzt geht es nur um den nächsten Schritt und den mache ich zwar immer langsamer aber auch kontinuierlich, und so komme ich als glücklicher Letzter fast pünktlich zur Mittagszeit im base camp an, wo wir uns alle erschöpft aber sehr stolz umarmen und von den früher Zurückgekehrten in Empfang genommen werden, die in der Zwischenzeit offensichtlich auch sehr fleißig waren, denn fast alle Zelten liegen schon verpackt zum Abtransport bereit..

Naran hat in seinem doch sehr provisorischen Kochzelt eine wunderbare veg noodle soup gezaubert, die ich gierig verschlinge und mir zumindest ein wenig neue Energie einhaucht.

Ich lasse ein laut-krachendes Zicke-Zacke-Zicke-Zacke-Hoi-Hoi-Hoi auf Markus erklingen und die Träger liegen lachend am Boden, als sie uns müden Bergkrieger so schreien hören.

Doch die letzte Etappe des Tages fehlt noch, und so machen wir uns bald wieder auf in Richtung Chukung und ehe ich mich versehe bin ich wieder einer der Letzten, die sich nach Hause schleppen. Den Weg, den wir am Vortrag noch entspannt in drei Stunden spaziert sind, kommt mir nun mindestens doppelt so lange vor, und ein ums andere Mal bin ich kurz davor in einen Ermüdungssitzstreik zu treten.

Die letzte halbe Stunde kann ich mich durch ein Gespräch mit einem netten amerikanischen Wanderer ablenken, der die gleiche Tour wie wir nur umgekehrt angehen möchte. Ganz alleine und mit minimalen Gepäck, wie er mir versichert. Davor habe ich großen Respekt und Englisch schwatzend laufen wir kurz nach 4 Uhr am Nachmittag ins Ziel sprich in den dining room unserer Lodge ein.

Geschafft! Fix und fertig! Saumässig stolz! Erfüllt von einem wahnsinnig intensiven Gipfelerlebnis. Und hungrig und durstig.

Die Coke ist schnell bestellt und die coconout cookies schmecken ganz wunderbar. Die Warteschlange vor der hot shower hält sich in Grenzen und als ich keine Stunde später frisch geduscht zum Abendessen komme, bin ich schon wieder zu Späßen aufgelegt.

Zusammen mit Peter stoße ich mit dem ersten Bier seit Wochen auf den Gipfelerfolg an und bei veg fried pasta with tomato gibt es an diesem Abend viel zu erzählen.

Nach den schon traditionellen UNO-Runden falle ich gegen halb 10 todmüde aber glücklich und zufrieden in mein Schlafsackbettchen und verschlafe tief und fest dieses Mal sogar die nächtliche Pinkelpause.

Danke für diesen Tag, den ich mit Sicherheit nicht mehr vergessen werde!

Sonnenbaden

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Ruhetag! Das heißt auf fast 4800 Meter vor allem: spätes Frühstück, kein Zeitdruck und ein intensives Sonnenbad auf der bestens dafür geeigneten Terrasse unserer Lodge. Mein Blick schweift immer wieder zur sonnenbeschienenen Ama Dablam, die sich links vor uns so imposant zeigt. Es gibt wahrlich schlechter Orte um die Akkus aufzuladen.

Ohne Sonne wird es aber schnell eisig kalt, so dass die Badehose und die Bikinis heute m Rucksack bleiben.

Besonders in der Nacht wird es auf dieser Höhe sehr frostig. So frostig, dass heute sogar mein Nasenspay eingefroren ist. Nach ein paar Minuten im wärmenden Schlafsack ist es wieder einsatzbereit und befreit meine Nase wieder.

Die Kälte in den Zimmern führt dazu, dass alles, was ich am Morgen anziehen möchte, irgendwie warm gehalten werden muss. Meine Wandersocken, das Halstuch, das mir Ellen zum Geburtstag geschenkt hat, das interessant-duftende Wandershirt, mein Fleece– alles kommt in den Schlafsack, den ich auch deswegen eine Nummer grösser in XL gekauft habe. Meine Wanderhose kommt aber unter den Schlafsack, bleibt dort aber genauso warm und trocken.

Dazu dann die Akkus, die sich bei der Kälte sofort entladen würden, und fertig ist die allabendliche Schlafsackmischung.

Gerade setzt sich Dipar nehme mich, einer der Träger, die mich immer anstrahlen, aber leider klein Wort Englisch sprechen. So strahle ich zurück und wir genießen Beide das sonnige Nixtun.

Die Träger, aber auch Pradap und Lawang sind bei aller Freundlichkeit doch auch sehr gerne unter sich und setzten sich beim Essen beispielsweise immer separat. Ich frage mich oft, was sie wohl von uns denken? Sind wir gerngesehene Gäste, ergiebige Einnahmequelle oder nötiges Übel? Wohl eine Mischung von allem, ich fühle mich aber den Nepalesi wie schon während der Annapurna-Umrundung sehr verbunden und bedauere es sehr, dass es wegen der Sprachbarriere kaum echte Unterhaltungen geben kann.

Markus stellt uns am Nachmittag den Plan für die nächsten zwei Tage vor. Zuerst geht es am nächsten Tag zum Island Peak Base Camp, das Pradap und Helfer vorher schon aufgebaut haben werden. Dann dürfen wir eine kurze Nacht im Zelt verbringen und dann geht es früh am Morgen los in Richtung Island Peak.

Wir packen unsere zusätzliche Ausrüstung zusammen: Helm, Klettergurt, Karabiner und Steigeisen. Den Eispickel brauche ich aber doch nicht, weil Markus andere Pläne hat. Mal sehen, ob ich den dann als Erinnerung im Keller einlagern werde oder doch eher gewinnbringend auf e-Bay an den interessierten Wanderer bringen kann.

Ellen hat Heimweh, was ich gut nachvollziehen kann. Ich spüre auch ein großes UND in mir. Ich finde Nepal wunderschön und die ganze Reise eine einmalige und tolle Erfahrung. UND: Ich freue mich sehr auf Zuhause in einer Woche.

Mein Nasenspray wird dann eher seltener gefrieren, bis dahin packe ich es einfach in meinen Schlafsackwarmhalter.

Zu guter Letzt, hier die feature list der vielen Lodges, die wir auf unserer Tour besucht haben, und die mal mehr, mal weniger der Realität entsprechen:

  • warm, cosy dining room
  • clean, comfortable single and double rooms
  • hot shower
  • fresh, handmade organic food
  • guide and porter service
  • wifi
  • helicopter service
  • cookies, coke, beer, snickers and chips

Und auch bei den Namen entdecke ich gewissen sich widerholende Muster, denn wir sehen und besuchen etliche Mountain View, Everest View, Nepal oder Sunshine Lodges oder beliebige Kombinationen davon: ich eröffne später mal die Everest Mountain Sunshine View Lodge.

 

Bilder GESAMT Markus AMONBilder von Markus Amon (www.markus-amon.at)

Der dritte Pass

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Kurz vor 9 am Abend, also fast schon Schlafenszeit in den Bergen. Ich sitze ausnahmsweise (?) im dining room unserer Lodge in Chukung und lasse den Tag in Gedanken Revue passieren.

Die lange und sehr anstrengende Etappe, die uns bis auf 5535 Meter Höhe über den Kongma La Pass gebracht hat, habe ich nach einer dieses Mal wieder heißen hot shower, einem außerordentlich guten Dhal Bhat und ein paar schönen digitalen Nachrichten aus der Heimat schon wieder ganz gut verdaut.

Aber trotz allem bin ich ziemlich platt, und ich scheine nicht der Einzige zu sein. Denn für Morgen hat Markus einen Ruhetag ausgerufen, den wir uns alle sehr gerne gönnen werden. Bevor dann der letzte Höhepunkt unserer Tour ansteht – die Besteigung des Island Peak.

Das lange Laufen stoppt immer öfters und nachhaltiger meine Gedankenkreisel und auch wenn mich die dünne Luft doch das eine oder andere Male sehr nach eben dieser schnappen lässt, geht es mir ausgezeichnet und ich komme alles in allem gut mit den körperlichen Herausforderungen zurecht.

Ab und an ein wenig Kopfschmerzen, aber immer guten Appetit und die vielen Liter Tee, die ich jeden Tag verdrücke, zeigen mir, dass ich weit entfernt bin von Höhenkrankheit und Co..

Wobei ich die wohl geltende Faustregel, die mir eigentlich einen Lister Flüssigkeit für jede 1000 Meter Höhe abverlangt, beim besten Willen nicht schaffe, dann wohl aber noch öfters zu meinen nächtlichen Toilettengänge aufbrechen müsste.

Gestartet sind wir heute sehr Wanderer-freundlich um 8 Uhr in der Früh und kurz nach halb Zehn holen wir schon eine weitere Wandergruppe ein, die allerdings fast zwei Stunden vor uns gestartet ist. Wir sind also gut unterwegs und Markus zeigt sich sehr zufrieden mit „seiner Mannschaft“.

Ich hänge mich heute im Geiste an Christian (das echte Seil wird dann übermorgen ausgepackt), und folge ihm Schritt für Schritt die immer steiler werdenden und am Ende Schnee bedeckten Serpentinen hinauf zum Pass. Heute ohne Stöcke aber dafür meist schweigend, ziemlich oft nach Luft ringend und mit verschränkten Armen vor der Brust.

Die mittlerweile wohlbekannte Blocklandschaft macht mir wieder ziemlich zu schaffen, aber Stein um Stein geht es höher. Und nach gut drei Stunden Gehzeit ist es geschafft, und ich stehe auf dem höchsten der drei Pässe, die wir auf unserer Tour durch den Solu Khumbu zu bewältigen haben.

Wie gewohnt werden wir vom lieben Wandergott einmal mehr reicht beschenkt, denn wieder einmal offenbart sich uns ein wunderschönes und im Grunde unbeschreibliches Panorama: im Hintergrund der Cho Oyu, direkt vor uns die beeindruckend steile Nordseite der Ama Dablam und dahinter Baruntse und Makalu. Einfach grandios!

Wir genießen in der windgeschützten Sonnenseite des Passes die Momente und den Ausblick. Zwar sicher einer der schwierigsten Passübergänge, aber das Panorama ist als Belohnung mit Abstand eines der beeindrucktesten hier im Solu Khumbu. Obligatorisches Mannschaftsfoto inklusive natürlich.

Besonders ein ca. ein Meter langer Felsvorsprung wird zur beliebten Fotoplattform, denn sobald Mann oder Frau sich darauf wagen, um sich ablichten zu lassen, scheinen diese fast über den Bergen zu schweben, so ausgesetzt ist dieser.

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Nach verdienter Rast, einem Schoko-Müsliriegel und ein paar kräftigen Zügen aus der Teeflasche geht es dann schon wieder abwärts. Anfangs noch sehr steil und teils auch über ein Seil gesichert, aber schon am direkt unterhalb des Passes liegenden Sees wird es flacher und auch wieder grüner.

Der Nachmittag wird aber dann doch lang und länger, aber sobald mich die Kräfte verlassen, genügt ein Blick links oder rechts und die sehr abwechslungsreiche Bergwelt um mich herum motiviert mich immer wieder aufs Neue.

Der Island Peak taucht pünktlich zum Nachmittagstee am Horizont auf und wird uns die nächsten Tage auch nicht wieder verlassen. Markus zeigt uns schon mal den Weg, den wir übermorgen einschlagen werden und ich bin sehr gespannt darauf.

Am späten Nachmittag dann endlich zeigt sich Chukung, unser heutiges Tagesziel. Allerdings noch tief unter uns, und so dauert es nochmals über eine Stunde über steile und immer staubigere Pfade bis wird unsere niegelnagelneue und wirklich schöne Lodge erreichen.

Und Vorsicht Premiere: die Lodge verfügt doch in der Tat über isolierte Fußböden, die das Bergstiefelgetrampel am Morgen auch ohne Ohrenstöpsel fast verstummen lassen. Das nenne ich nutzerzentrierte Innovation!

Da wir morgen ausschlafen dürfen und wander-frei bekommen haben, sitzen wir in mittlerweile bestens eingespielter UNO-Runde noch ein bisschen länger und probieren uns durch das gesamte Chips-Sortiment. Kurz nach 10 Uhr aber drängt die Herbergsmutter freundlich aber bestimmt auf ein Ende, so dass ich wenige Minuten später schon in meinem Schlafsack liege und fast unmittelbar den Schlaf des zufriedenen Wanderers schlafe.

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Ein Tief und viele Höhen

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Ich sitze kurz vor 7 Uhr am Morgen im noch fast leeren dining room in unsere Lodge in Gorak Shep und habe eine anstrengende Nacht hinter mir. Eigentlich war Wecken erst um halb Acht geplant, aber ich musste einfach raus.

Die Nacht war eine Mischung aus nass geschwitzt sein (und das trotz etlichen Minusgrade draußen), wilden Träumen (irgendwie wurde mein Lieblings-Leo entführt und ich war dabei und wir wurden wohl in einem Schuhladen im Einkaufszentrum festgehalten), Kopfschmerzen und Herzrasen (die Höhe zeigt doch Wirkung), einem Gang aufs Klo, Wachliegen und einiger Grübelei.

Neben den körperlichen Anstrengungen, die wir jeden Tag zu bewältigen haben, merke ich vor allem in solchen Momenten wie jetzt gerade, wie sehr mich auch die „äußeren Umstände“ zusätzlich herausfordern.

Gerade setzt sich Georg zu mir, der wohl auch eine harte Nacht hinter sich hat und über „irre Kopfschmerzen“ klagt.

Vor allem seit dem wir über 4000 Meter Höhe unterwegs sind (und das sind wir schon seit über einer Woche) sind die Lodges doch eher „rustikal“. Der schon beschriebene Spreeholzverhau, der „hellhörig“ neu definiert, die Toiletten in der Stehvariante und außer dem dining room ist alles kalt und feucht, die Kleidung, die ich nicht in den Schlafsack packe inklusive.

Grundsätzliche lasse ich mich gerne auf solche Bedingungen ein, aber gerade jetzt nerven sie mich und ich wünsche mir ein wenig mehr Komfort und vor allem frisch gewaschene Wäsche. Denn ich stinke bestialisch.

Und die andere Seite der Medaille ist dann der Blick durch das noch halb zugefrorene Fenster. Denn dort zeigt sich auch heute morgen wieder der Himalaya in all seiner Schönheit. Berge so schön, wie sie nur sein können und ein tiefblauer Himmel, für den „tiefblau“ erfunden werden müsste, wenn es das noch nicht gäbe.

Und so Tage wie der gestrige, der uns auf den Kala Patar auf 5545 Meter geführt hat und den ich sicherlich nicht vergessen werde.

Los ging es um 8 Uhr und nach entspannter Wanderung erreichten wir rechtzeitig zur mittäglichen veg noodle soup Gorak Shep, das letzte Lodge-Dorf vor dem Mount Everest und Ziel unzähliger Wanderer aus aller Welt.

Markus entscheidet auf Grund der perfekten Wetterbedingungen, die sich als „windstill und wolkenlos“ beschreiben lassen, schon heute den Aufstieg zum Kala Patar anzugehen und so machen wir uns kurz nach 13 Uhr schon wieder auf. Nur mit leichtem Gepäck bewaffnet aber wild entschlossen.

Die gut 500 zusätzlichen Höhenmeter bis zum Gipfel nehme ich dieses Mal schon beim Anstieg mit Hilfe meiner Stöcke in Angriff und schon nach kurzer Zeit finde ich „meinen“ Rhythmus und steige den nicht allzu steilen Hügel auf breiten Wegen langsam aber stetig bergauf.

Ich lasse Gedanken Gedanken sein und komme fast in den von Markus beschriebenen flow. Mir kommen Bilder von meiner Heldenreise vor ein paar Jahren, höre wie mich meine Ahnen anfeuern und spüre wie mein Held und mein Dämon mit aufsteigen. Ich brauche Beide und es geht nur miteinander, das ist eine gute Erkenntnis, die nicht neu für mich ist, aber die ich gerade jetzt sehr deutlich spüren darf.

Oben angekommen erwarten mich schon

  1. Peter, der dieses Mal die Bergwertung gewonnen hat und schon sehr entspannt am Gipfel sitzt,
  2. Lawang, der wie immer lachend und mega-entspannt vor mir gegangen ist,
  3. gaaaaaanz viel Sonne und noooooch viel mehr Wind und vor allem
  4. eine tolle, tolle, tolle Sicht auf den Khumbu-Gletscher, den Mount Everest und all die anderen Riesen, deren Namen ich mir nicht merken kann.

Ich klettere die restlichen Meter zur Spitze und in einer kleinen Kuhle finde ich einen recht windgeschützen Platz mit unglaublicher Aussicht, genieße genau diese und erwarte zusammen mit Peter und Lawang den Rest unserer clearskies-Truppe.

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Die lassen auch nicht lange auf sich warten, und schon bald begrüßen wir uns mit dem obligatorischen „Berg heil“ und wenn gewünscht Bussis und Umarmungen. Natürlich werden nun alle verfügbaren Kameras gezückt und jeder hält diesen Moment in der für ihn passenden Weise fest.

Der Kala Patar ist wohl der Trekking-Gipfel schlechthin, und daher ist es ganz schön eng rund um das imaginäre Gipfelkreuz, von dem es einen überwältigenden Ausblick in Richtung Mount Everest, Lothse und in die riesige Westwand des Nuptse gibt. Und in die anderen Richtung zieht der Südgrad des Pumori fast unbegreiflich steil in den Himmel. Ich bin wieder einmal ergriffen und freue mich, das erleben zu dürfen.

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Ich lasse mich zusammen mit Markus ablichten und auch alleine. Schieße ein Panorama nach dem anderen und weiß dennoch, dass die Realität zum Glück nicht vernünftig digitalisierbar ist. Das gedrehte Film-Selfie darf aber dennoch nicht fehlen, auch wenn dies sicherlich ein lustiger Anblick ist, so ein sich drehender und über alle Backen grinsender Wandersmann.

Nach gut einer Stunde steigen Markus, Christian, Andrea und ich zu einer windgeschützteren Stelle auf gut halber Höhe und genießen die sich kontinuierlich veränderten Lichtspiele auf den Bergen und dem Gletschereis, das sich uns gegenüber fast 3000 Meter in die Höhe türmt.

Die Sonne geht langsam unter, und das Licht wechselt mal vom Gelb ins Rot, und wieder zurück. Das Knacken des Gletschereises ist nicht zu überhören und wir haben beste Sicht auf den aus unserer Perspektive doch recht „einfach“ aussehenden Weg rauf auf den Mount Everst: Über den Khumbu-Eisfall, dann steil die Lothse-Flanke hoch, auf dem Südhang rechts abbiegen Richtung Everest und nach dem Hillary step die letzten Meter zum Gipfel.

Wahnsinn, das alles mit eigenen Augen stehen zu dürfen (und nicht nur wie vor kurzem im Kino in 3D vorgeführt zu bekommen).

Mir wird dennoch kalt, verabschiede mich von den anderen, die bis zum Sonnenuntergang bleiben wollen, und beginne den Abstieg zu unseren Lodge.

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Mit einem Male liegen zwei Steine vor mir – mein Held und mein Dämon! Ohne zu zögern packe ich die Beiden ein und stapele bei dieser Gelegenheit noch ein „stoa mandle“, also ein Steinmännchen, mit denen ursprünglich der Vorfahren gedacht wurde. Das tue ich sehr gerne und mit einem ehrfürchtigen Namasté verabschiede ich mich danach von Ihnen.

In der Lodge angekommen erwarten mich Ellen, Christian und Katrin mit einem leckeren orange tea, den ich dankbar schlürfe. Ich bin nämlich ziemlich durchgefroren, doch die Aussichten des Tages waren dies sicherlich wert.

Und keine 10 Stunden später sind wir wieder in Lobuche angelangt. Wieder in Zimmer 203, das im Vergleich zu dem Kellerloch, in dem ich die durchwachte letzte Nacht verbracht habe, geradezu paradiesisch mit Fenster und Toilette um die Ecke.

Meine schlechte Laune von heute morgen hat sich bei strahlendem Sonnenschein schnell wieder verabschiedet und die knapp drei Stunden, die wir zum Everest Base Camp marschiert sind, waren eine echte Wohltat.

Da wir uns außerhalb der typischen Everest-Saison befinden, die die meisten Gipfelstürmer im April und Mai anzieht, finden wir das Base Camp einsam und verlassen vor. Ich kann mir nur mit viel Phantasie vorstellen, dass sich hier im Frühjahr mehrere hundert Menschen in unzähligen Zelten niederlassen um die Erstürmung des höchsten Punktes unserer Erde anzugehen. „Einsam und verlassen“ wird dann vertrieben durch umtriebige Hektik, Internet-Cafés und tonnenweise Material, ohne das sich der Everest nicht bezwingen lässt.

Trotzdem ist der Ort auf jeden Fall historisch und ich drücke Markus alle leicht verfrorenen Daumen, dass er seine Everest-Pläne für 2017 erfolgreich umsetzen kann.

Über Gorak Shep, von dem wir uns mit veg noodle soup und einer Coke zur Mittagszeit verabschieden, geht es dann sehr entspannt zurück nach Lobuche.

Dort treffe ich wieder auf einen Mitwanderer aus einer anderen Gruppe, der mich wie immer ganz euphorisch mit „Barbarossa“ begrüßt. Ich gehe davon aus, dass dies mit meinem entsprechenden Bart zu tun hat, nehme es als Kompliment und wir unterhalten uns etliche Minuten lang über – richtig geraten – die Berge.

Wir sind nun 12 Tage unterwegs und in einer Woche werden wir wieder in Lukla und damit zurück in der nepalesischen Zivilisation sein. Bis dahin bleibt es aber spannend und der Island Peak zeigt immer öfters am Horizont. In meinem Gedanken ist er sowieso schon sehr präsent.

Der Abend wird bei veg maccaroni with cheese und etlichen Runden UNO eine lustige Sache, doch leider muss ich auch eine schlechte Nachricht verdauen: ich habe wohl in der letzten Lodge meinen rechten Flip-Flop vergessen, so dass ich von nun an wohl einbeinig zur Toilette hüpfen muss. Aber auch dies wird mir irgendwie gelingen. Versprochen.

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Aus 2 macht 1

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Ich rede ja selbst auch gerne vom Verlassen der uns allen lieb gewonnenen Komfortzone. Dann passiert was, dann wird Veränderung möglich, dann lernt man und entwickelt sich weiter. Schön gesagt und wohl war – und trotzdem eine echte Herausforderung, wenn man es dann tatsächlich tut.

Denn diese Reise bringt mich mehr und mehr raus aus eben meiner Komfortzone und wird gerade dadurch echte Herausforderung und umso intensivere (Lern-) Erfahrung.

Nach dem gestrigen Gipfeltag, der uns schon mit ganz viel Sonne und traumhaften Aussichten verwöhnte, kann es heute nur „schlechter“ werden, oder? Weit gefehlt, die Sonne strahlt mindestens so schön wie am Vortrag und die schneeweißen Berge um uns herum liefern so beleuchtet einmal mehr eine phänomenale Show.

Frühstück war wie weiter oben schon erwähnt um 6 Uhr in der Früh, ich habe aber gut geschlafen und in der Tat süß geträumt: einigen Blödsinn, durchaus Erotisches und andere Verrücktheiten, an die ich mich nach dem Aufwachen wie gewohnt kaum noch erinnern kann.

Und auch das Pinkeln in der Nacht ist mittlerweile eine Routine, die mich nicht weiter stört und ich halbschlafend hinter mich bringe. Denn einerseits muss das bei den all Litern von mint tea oder orang tea , die ich jeden Tag in mich schütte, einfach sein, und andererseits ist das auch immer wieder ein klitzekleines Abenteuer, das meist einer sehr ähnlichen Dramaturgie folgt:

  1. Ich muss mal!
  2. Ich ignoriere das konsequent und schlafe weiter.
  3. Ich muss mal! Dringend!
  4. Ich denke fünf Minuten drüber nach, ob es wirklich sein muss.
  5. Ich muss mal! Ganz dringend!
  6. Ok, dann los. Ich schäle mich aus meinem Schlafsack, bewaffne mich mit meiner Stirnlampe und mache mich auf zur Toilette. Die im besten Fall direkt neben unserem Zimmer zu finden ist, im schlechtestes Fall aber in der unteren Etage oder sogar draußen
  7. Endlich darf ich.
  8. Und jetzt nix wie zurück ins Schlafsackbettchen und weiter schlafen.

Meist nur fünf Minuten in der Kälte, die sich aber immer sehr gut anfühlen, spätestens dann, wenn ich zurück in der Schlafsack-Wärme bin.

Erstes Ziel des heutigen Tages ist der Cho La Pass auf 5420 Meter, und wieder einmal geht es steil und steiler über „Blocklandschaft“, wie Markus zu sagen pflegt. Ich sag einfach „Stock und Stein“ dazu und muss den Vormittag über ganz schön schwitzen. Mein Herz pumpt wie wild und da gönne ich mir etliche Verschnaufpausen, die dann aber auch Gelegenheit geben, die wunderschöne Natur um mich herum zu genießen. Denn das vergisst man ab und an fast schon: denn einerseits gewöhnt man sich doch recht schnell auch an die schönsten Aussichten und andererseits hat man – also ich – bei all der Anstrengungen dafür auch nicht immer den nötigen Blick und die entsprechende Muße.

Also lege ich gerne meine Pausen ein, atme tief durch, klopf mir symbolisch auf die Schultern und lasse meinen Blick über all das Schöne um mich herum schweifen.

Kurz nach 10 Uhr stelle ich mich auf dem Pass zusammen mit allen anderen wieder einmal zum Mannschaftsfoto und freue mich darüber, die nächste Herausforderung geschafft zu haben. Doch dieses Mal bleibt uns nur kurz Zeit zum Verschnaufen, denn schon bald ruft Pradap mit seinem typischen „Yallah, Yallaa“ zum Aufbruch.

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Warum er das auf Arabisch tut, bleibt mir die gesamte Reise ein Rätsel, ich gehorche aber widerstandslos, werfe mir meinem Rucksack über und mach mich auf den Weg abwärts.

Wieder gut unterstützt durch meine Stöcke geht es über den Gletscher, der gut 20 Zentimeter Neuschnee trägt, die mich aber nicht weiter stören sondern das Gehen eher angenehmer machen. Bald schon sind wir wieder in grüneren Gefilden und fast pünktlich um die Mittagszeit erreichen wir Dzonglha, eine Ansammlung von wenigen Lodges, in der wir uns stärken wollen.

Natürlich mit einer veg noodle soup, die zwar auf sich warten lässt, dann aber umso besser schmeckt. Und einer Coke und einem Snickers, denn das habe ich mir verdient. Ich schließe mich den meisten anderen an und nicke zum power nap weg, den Pradap wieder einem auf Arabisch aber nach wenigen Minuten beendet und zum Aufbruch ruft.

Denn wir wollen heute noch eine zweite Tagesetappe bewältigen, um so an einem der folgenden Tage auch das Everest Base Camp besuchen zu können, das eigentlich nicht auf dem Programm gestanden wäre. Aber natürlich „ein Muss“ darstellt für alle ambitionierten Himalaya-Erstürmer.

Ich bin allerdings schon ziemlich geschafft, und daher freue ich mich umso mehr, mit Markus ins Gespräch zu kommen und mich dadurch ein wenig von den schmerzenden Beinen abzulenken. Wir reden über seine Everest-Pläne für die nächsten Jahre, Teamwork beim Bergsteigen, der Frage, was Manager beim Bergsteigen lernen können und über die mentale Seite beim Bergsteigen. Über den flow, der sich einstellt, wenn Markus meist alleine einer seiner Schnellbesteigungen macht und sich in Momenten totaler Konzentration quasi selbst dabei beobachten kann.

Passend dazu zeigt sich die Ama Dablam rechts von uns immer wieder mal mehr, mal weniger in Nebel eingehüllt von ihrer beste Seite und ich habe größten Respekt vor Markus, dass er diesen Gipfel alleine und wohl in Weltrekordzeit bestiegen hat.

Die letzte Stunde laufe ich zusammen mit Miriam und Pradap am Ende der Gruppe, wir sind aber alle viel zu müde, um das Feld noch einmal von hinten aufzurollen. Am späten Nachmittag stehen wir dann aber stolz und zufrieden vor unserer Lodge in Lobuche. Die Tagesbewölkung löst sich fast zur gleichen Zeit auf und umrahmt von Pumori und Nuptse konnten wir einen eigentlich unbeschreiblichen Sonnenuntergang auf rund 5000 Meter Seehöhe genießen. Das sind dann die Anstrengungen des Tages fast schon wieder vergessen.

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Morgen dürfen wir wieder länger schlafen! Mehr als verdient denke ich mir. Denn meine Beine sind nach den Anstrengungen der letzten Tage schwer und den Schweiß der vielen Höhenmeter steckt mir im wahren Sinne des Wortes unverkennbar in den Kleidern.

Die körperlichen Anstrengungen tun mir aber gut, mein Kopf lehrt sich immer mehr und mein Gedankenkreisel dreht sich immer langsamer.

Am Abend lass ich über das weltweite Netz in der Heimat von mir hören, und ich freue mich, dass ich vermisst werde. Wird schön wieder Zuhause bei meinem Lieben zu sein, bis dahin aber genieße ich Nepal und den Everest-Höhenweg: obwohl und gerade weil er mich raus aus meiner Komfortzone bringt.

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