Von Karlsruhe nach Kathmandu

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Endlich im Flieger Richtung Dehli mit Flug A221X, Sitz 22D in der Mitte am Gang. Ellen sitz rechts vor mir, also keine Gelegenheit für Gespräche übers Leben, aber in den nächsten Tagen und Wochen wird es davon sicherlich noch reichlich geben. Um uns herum: jede Menge Inder und jede Menge Wanderer. Zumindest die Wanderer werden uns wohl begleiten in nächster Zeit.

Da wir erst um 21:20 Uhr in Frankfurt gestartet sind, war das heute noch ein sehr entspannter (vorerst) letzter Tag in good old germany – inklusive meinem mittlerweile fast schon traditionellen business lunch mit Christian (dieses Mal im Carls Wirtshaus). Und einer wie immer seeeehr entspannenden Massage bei der guten Nicole. Bei den bevorstehenden Anstrengungen habe ich mir das sicherlich auch schon vorab mehr als verdient.

Und sogar einen Cappuccino im espresso tostino hat es mir noch gereicht – inklusive dem unvermeidlichen weil so leckeren Schoko-Croissant. Toll, all das direkt vor der Haustür zu haben. Oststadt – the place to be.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon meine diesjährige packaging challenge letztendlich erfolgreich bestanden. Und dabei wieder einmal lernen dürfen, dass Pläne dazu da sind, geändert zu werden. Denn anstelle dem von mir in der Theorie schon lange durchdachten „allesindenrotenkofferundgutist“ , wurde es dann ein „die Wanderstiefel ziehe ich gleich an, und der Rest passt irgendwie in das duffle bag“.

Die Sicherheitsbelehrung auf indisch ist ein Schauspiel, und trotzdem schaut niemand hin. Zum Glück wird diese auch nicht relevant werden und wir haben einen sehr entspannten Flug durch die Nacht. Den ich Dank red wine auch fast komplett verschlafe – kurz bevor ich tief und fest einschlafe sucht der Wanderer im Sitz vor mir Ulrike und Peter, die wohl mit ihm wandern werden. Damit meint er offensichtlich nicht Ellen und Jochen, ich erinnere mich aber mit einem Grinsen an meinen letzten Flug Richtung Nepal, als ich die Suche nach potentiellen Mitwanderern fast schon aufgegeben hatte und erst in der business class Richtung Kathmandu auf eben diese in Gestalt von Wolfgang und Martin gestoßen bin. Ich bin gespannt, wer mich – neben Ellen – dieses Mal begleiten wird.

Wir haben schon vor dem Start 10 Minuten Verspätung, aber wir haben zum Umsteigen viel Zeit in Dehli und daneben ist nun sowieso Entschleunigung angesagt – warum also nicht gleich damit anfangen? Beim check-in konnte ich mich schon in Geduld üben, denn auf Grund von mysteriösen „buchungtechnischen Schwierigkeiten“ kann die leicht überforderte Dame am Schalter mein Gepäck nicht direkt bis Kathmandu aufgeben. 30 Minuten und diverse Nachfragen später entscheidet sie sich dann dazu, das „händisch“ zu machen und schreibt mir kaum leserlich aber handgeschrieben einen Gepäckschein und lässt meinen duffle bag auf dem Gepäckband entschwinden. Mir ist nicht ganz wohl dabei, ironischerweise werde ich aber weit weniger Probleme mit meinem Gepäck haben als gewisse Mitreisende, aber dazu später mehr.

Das Nepal-Vorbereitungsbier gab es gestern Abend noch in der Venus beim Bingel-Bingo und Sebastian hat Freibier in Aussicht gestellt, falls ich gesund und munter wiederkomme. Wie meist hatte ich Pech im (Bingo-) Spiel, und ich warten immer noch auf das Glück in der Liebe, das dann doch zumindest sprichwörtlich folgen soll. Aber alles zu seiner Zeit und einen Schritt nach dem anderen. Jetzt geht es erstmals raus aus dem Alltag.

Und ich bin wirklich froh, ein wenig herauszukommen, aus dem auch sehr angenehmen Trott einer Auszeit. Ich bin gespannt was mich erwartet und meine Aufregung steigt, wenn ich mir überlegen, was ich so außerhalb der allseits bekannten Komfortzone erleben werden.

Ellen ist ebenfalls aufgeregt. Aber im Gegensatz zu mir hat sie sich generalstabsmässig vorbereitet und kennt alle Zahlen und Fakten über diverse Pässe, Berge und sonstige Reisedaten in- und auch auswendig. Kompass und Höhenmesser hat aber auch sie nicht eingepackt, was ihre Aufregung noch zu steigern scheint. Ich verlasse mich da einfach auf Markus, unseren Bergführer aus Österreich. Und auf „Bhim“ und „Narayan“ unsere nepalesischen guides. Wobei die dann wahrscheinlich anders heißen werden.

Bhim war ein Guter und beim Einnicken tauchen ein paar Szenen unserer Annapurna-Umrundung vor meinem geistigen Auge auf: Bhim, wie er lachend und entspannt immer voraus gelaufen ist. Bhim, wie er in einer Pause meine behaarten Oberschenkel streichelt. Bhim, wie er mir mit seinem brüchigen Englisch erzählt, dass er gerne climbing guide werden möchte und Berge besteigen wird.

Ellen blättert in meinem Reiseerinnerungen von 2010 und wir sind beide mächtig stolz, dass wir unser zweites Nepal-Abenteuer gemeinsam wagen. Entstanden ist die Idee dazu wohl bei einem unserer doch recht regelmäßigen Pizza-Treffen in Stuttgart. Einmal auf einem 6000-er stehen! Nun, wir werden sehen wie freundlich uns der Island Peak gesinnt ist, und ob wir diesen Traum in die Realität umsetzen können.

Wer sind die anderen Reisenden? Laut Teilnehmerliste bis auf wenige Ausnahmen eine rein österreichische Truppe, und Ellen befürchtet auf „echte Profis“ zu treffen. Ich lass mich überraschen, denn auch in Österreich wird bekanntlich nur mit Wasser gekocht. Ich fühl mich gut, bin fit und werde mich den Herausforderungen dann stellen, wenn es soweit ist.

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Ein paar Stunden später: Delhi! Die indische Mega-Metropole, die ich dieses Mal doch nur im Transitbereich erleben werden. Der ursprünglich geplante Besuch bei Caro und Moritz muss noch warten, denn getreu dem Motto „weniger ist mehr“ hatte ich den Beiden zwei Wochen vor meinem Abflug abgesagt. Ich bin froh darüber und werde meine Mutter daher zu ihrem 75. Geburtstag als unerwarteten Überraschungsgast überraschen.

Die 3 Stunden Wartezeit bis zum Weiterflug verbringen wir zum guten Teil beim erneuten security check und in der langen Schlange zum check-in für die boarding cards. Die Schere aus meinem Ersten-Hilfe-Päckchen, das ich versehentlich im Rucksack habe, wird aber dieses Mal nicht beanstandet. In Frankfurt durfte ich meinem Rucksack deswegen noch komplett ausräumen. Schöne einheitliche Flugwelt.

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Im sehr modernen Transitbereich reicht es uns aber doch noch für ein sehr (!) schokoladiges Schoko-Croissant und einen überraschend guten Cappuccino. In Erwartung der nächsten Tage und Wochen mit black tea schmeckt der gleich nochmal so gut. Ellen und ich unterhalten uns über die Klassiker „das Leben, „die Liebe“ und „die Unterschiede zwischen Männern und Frauen“ und als Quintessenz nehme ich ein „ich bin gut so, wie ich bin“ in mein Erinnerungsgepäck.

Im Flieger nach Kathmandu dann eine gespielte indische Sicherheitsbelehrung – und wieder schaut niemand hin. Die Gesten und die Mimik des Stewards haben aber fast schon Bollywood-Zuge finde ich. Allerdings bin ich zu müde nach der fast durchgemachten Nacht um dem jungen Mann echte Aufmerksamkeit zu schenken. Ich döse lieber weg – dieses Mal auch ohne red wine.

Beim nächsten Blick aus dem Fenster sind wir schon über den Reisfeldern von Nepal. Die Bergriesen sind leider auf der anderen Seite, aber ich werde sie alle noch betrachten dürfen in naher Zukunft. Ich begrüße Nepal mit einem freudigen Namasté und lasse meine Augen über das noch grüne Land gleiten. Ich bin überrascht, dass ich wenig Schäden durch das Erdbeben sehe, aber ich wie später noch lernen werden, waren die Nepali sehr eifrig in den letzten Monaten und haben (fast) alle Schäden schon wieder behoben.

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Nach entspannter Landung aber trotzdem nur verhaltenem Touristen-Applaus, stehen Ellen und ich kurz nach 15 Uhr Ortszeit am recht altersschwachen Gepäckband. In freudiger Erwartung unseres Gepäck und siehe da – mein händisch aufgegebenes duffle bag ist das Erste, was wir erblicken.

Leider war es das dann aber schon für uns, denn Ellen´s Tasche liegt noch in Kathmandu, wie der sehr entspannte Air India officer erklärt. Das Flugzeug war überladen und daher wurden kurzerhand rund zwei Tonnen Gepäck wieder ausgeladen, und werden mit dem Flieger am nächsten Tag nachgeflogen. Willkommen in der nepalesischen Variante von Organisation, die uns in nächster Zeit mal chaotisch mal liebenswert noch des Öfteren begegnen wird.

Dafür scheinen wir die einzigen zu sein, die ihr Visum schon in Deutschland besorgt haben und daher stellen wir uns nicht wie alle anderen in der langen Schlange für tourist without visa an, sondern werden quasi persönlich vom netten immigration officer mit dem klassischen Namasté begrüßt.

Vor dem Flughafen das Bild, das mir noch von 2010 gut in Erinnerung ist: eine endlose Reihe von Taxifahrern und Hotelangestellten, die auf ihre Gäste warten. Meist mit selbstgeschriebenen Schilder oder zumindest dem best price für die Fahrt ins Zentrum. Wir werden aber abgeholt und nach ein wenig Schildersuche finden wir auch eines, auf dem Ellen Mohressig und Jürgen Gürtler steht. Wir gehen davon aus, dass damit wir gemeint sind, und steigen vertrauensvoll in das Taxi.

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Zurück auf den Straßen Kathmandu´s – aber im Gegensatz zu 2010 sind diese dieses Mal fast leer. Der Benzin-Boykott und die spürbar geringere Anzahl von Touristen hinterlassen auch auf der Straße ihre Spuren, und so kommen wir absolut stau-frei und entspannt im Holly Himalaya an, unserem „gemütlichen 2-Sterne Hotel im Herzen Thamels“, wie es so schön in der Reisebeschreibung geschrieben steht.

Checkin, Auspacken, eine fast heiße Dusche. Business as usual für (Nepal-) Reisenden und nachdem wir Markus, unseren Bergführer aus Österreich, kennengelernt haben und dieser verspricht, dass Ellen´s Gepäck mit Sicherheit am nächsten Tag abgeholt werden wird, steht einem ersten gemeinsamen Abendessen nichts mehr im Weg.

Die Mitreisenden sind wie erwartet : österreichisch – aber ich bin doch ein wenig überrascht und irritiert, wie wenig ich Christina, Kathrin, Christian, Miriam, Andrea und Peter verstehe, sobald sich diese untereinander unterhalten. Ich denke kurz an den Turmbau zu Babel, hoffe aber, dass es so schlimm nicht werden wird. Das Sahnehäubchen auf unser Sprach-Wirrwar kommt allerdings von Georg aus Niederbayern, den ich noch weniger verstehe als unsere österreichischen Mitwanderer.

Zum Glück schmeckt die klassisch nepalesische Pizza sehr klassisch italienisch gut, und so liege ich kurz nach 22 Uhr doch recht entspannt in meinem king size bed und lasse Dialekte Dialekte sein und freue mich auf die bevorstehende Abenteuer in den Bergen.