Echte Handarbeit und Spirituelles

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Nach den ersten Tagen unterwegs, gewöhne ich mich mehr und mehr an die morgendlichen Rituale. Entweder bin ich sowieso schon wach oder werde von bellenden Hunden, einer hustenden und schnupfenden Ellen oder von trampelnden Mitwanderern geweckt. Die meisten Lodges bestehen nämlich vor allem aus zusammengezimmerten Sperrholzplatten, und wenn da der morgendlich motivierte Wanderer in seinen Bergstiefel darüber poltert, wackeln die Wände und ich bin wach.

Danach folgt ein meist kurzer aber intensiver Kampf mit meinem inneren Schweinehund, der noch im ach so schön kuscheligen Schlafsack lieben bleiben möchte Ab und an schenke ich ihm noch fünf zusätzliche wunderbare Minuten, diesen Kampf kann er aber nur verlieren, denn schließlich ruft der Berg. Also raus in die Kälte und schnell die im Schlafsack vorgewärmte Unterwäsche anziehen, die Wanderhose überstreifen, die ich unter (!) dem Schlafsack warm gehalten haben (Danke Ellen, für diesen Tipp), den Fleece drüber, die Wanderschuhe geschnürt und ab zum Frühstück.

Die morgendliche Katzenwäsche gibt es meist noch während dem Zähneputzen – das bei eiskaltem Wasser für meine doch so empfindlichen Zahnhälse jedes Mal eine kleinen Herausforderung darstellt.

Apropos Frühstück: was mir die veg noodle soup am Mittag und das Dhal Bhat am Abend ist, wird für mich das tibetian bread am Morgen. Eine liebgewonnene Gewohnheit, die ich entweder mit Honig oder Marmelade versüße und mit meist zwei Tassen coffee with milk garniere. Der Tag kann kommen.

Heute geht es in einer schönen Runde rund um Namche Bazar. Die 4000 Meter über dem Meeresspiegel werden wir erst morgen knacken, denn Markus bremst nach wie vor unseren (Höhen-) Eifer und lässt uns nur schrittweise aber dadurch umso nachhaltiger akklimatisieren.

Kurz vor 9 Uhr brechen wir auf und schon knapp eine Stunde später stehen wir hoch über Namche und genießen die prächtige Aussicht auf die zahllosen Gebäude, die sich scheinbar an den steilen Hänge festhalten.

Auch wenn es gleich richtig steil und staubig nach oben geht, geht es mir gut. Die Puste reicht, die Kopfschmerzen sind meilenweit entfernt und meine Beine sind flink unterwegs heute. Da reicht es noch für einen entspannten Plausch mit Markus und Peter, die zusammen wohl schon ganz andere Bergabenteuer gemeistert haben.

Dem ersten steilen Anstieg folgen nun saftig-grüne Almweiden, die von Yaks und Yans bevölkert werden. Wir finden Edelweiß wie Sand am Meer und der Himmel ist nach den ersten eher nebelig-grauen Tagen so blau-weiß geputzt, dass er selbst den niederbayerischen Ansprüchen von Georg gerecht wird.

Gegen Mittag dann das eindeutige Schmankerl des Tages. Wir biegen um einen letzten Bergrücken, der uns lange Zeit die Sicht versperrt hat und unmittelbar vor uns erheben sich mit einem Male die höchsten Gipfel der Erde, angefangen mit dem Everest ganz im Hintergrund, gefolgt von Lhotse, Nuptse, und der Ama Dablam, dem wohl schönsten Gipfel in dieser Aussichts-Runde.

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Wie oft werde ich diese Gipfel in den nächsten Tagen und Wochen bewundern, wie oft wird man und frau mir die Namen der Gipfel nennen und wie oft werde ich diese auch gleich wieder vergessen! Namen sind bei dieser so gewaltigen Schönheit doch nicht mehr als Schall und Rauch wie ich finde, und daher sitzen und liegen wir fast eine Stunde in der Almwiese und lassen diese Schönheit auf uns wirken.

Ich bin ganz ergriffen und bin dankbar das erleben zu dürfen. Schon jetzt ist diese Reise ein echtes Highlight für mich, an das ich mich sicherlich immer erinnern werde.

Markus schießt das erste clearskies-Gruppenfoto, dem noch etliche folgen werden, bei so vielen Höhepunkten, die es für uns noch zu erklimmen und zu genießen gibt.

Unsere erste Teepause verbringen wir auf der Terrasse des Everest View Hotel, das auf 3880 Höhenmetern wohl vor allem japanischen Gästen sehr eindrucksvolle aber wohl auch recht kostspieligen Zimmer mit Aussicht bietet. Das Hotel wirbt damit, das höchstgelegene Hotel der Welt zu sein. Hubschrauberlandeplatz inklusive versteht sich. Der aber allem Anschein nach mindestens genauso oft für den schnellen Rücktransport von höhenkranken Japanern gebraucht wird, als für den Hintransport der selbigen. Denn auch das komfortabelste Hotel kann eine richtige Akklimatisation nicht ersetzen, Spa und Champagner hin oder her.

Wir lassen uns den mint tea und die coconout cookies, die uns unsere ganze Reise begleiten werden, aber dennoch oder gerade deswegen prächtig schmecken, ein Japaner lässt sich aber die ganze Zeit nicht blicken.

Danach geht es frohgelaunt und mit viel Sonne am Himmel und im Herzen weiter nach Khumjung, wo wir unsere Mittagspause einlegen. Wir sind wohl ein wenig „zu früh“ dran und müssen auf veg noodle soup, veg fried noodles und allen anderen Leckereinen ein wenig warten. Was uns aber die Gelegenheit gibt, die Baustelle nebenan ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen.

Das Haus wird nach dem Erdbeben gerade wieder aufgebaut und folgt einem Muster, das wir fast jeden Tag beobachten können. Zuerst entsteht ein Rahmen aus Holz, der dann mit vielen Steinen ausgemauert wird. Die Innenwände werden dann meist mit den schon erwähnten Sperrholzplatten versehen und oben drauf kommt dann das Dach – meist ohne nennenswerte zusätzliche Isolierung.

Das für mich beeindruckteste dabei ist die beispiellose Handarbeit, mit der die meist 10 bis 20 Arbeiter auf der Baustelle dabei vorgehen. Einfachstes Werkzeug wie Hammer, Meisel, Säge, und Hobel müssen genügen, um am Ende wirklich schöne Häuser zu bauen.

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Das Hämmern der Steinhauer ist ein Geräusch, das mich fast die ganze Reise über begleitet und mich fasziniert wie sich die hand-gehauenen Steine aus Granit am Ende fast Millimeter-genau zusammenfügen. Ein Steinhauer schafft normalerweise sieben bis acht Steine pro Tag, und so ist es kein Wunder, dass sich die Geschwindigkeit „am Bau“ vor allem an der Anzahl der eingesetzten Arbeiter entscheidet. Elektrische Maschinen gibt es keine, Solar-betriebenes Gerät könnte das Bauwesen in Nepal aber revolutionieren denke ich.

Am frühen Nachmittag sind wir dann schon wieder in Namche und ich fühle mich in den Gassen fast schon heimisch, als ich zusammen mit Georg und Andreas noch zur mittlerweile fast schon traditionellen cinemon role in der – logisch! – german bakery schlendere.

Das free wifi lockt mich zwar auch, zumal alle anderen direkt ins weltweite Netz abtauchen. Ich bleibe dieses Mal aber standhaft, möchte ein wenig Abstand zum What´s app-Alltag halten und nehme mir vor, erst nächster Woche wieder digitale Lebensgrüsse in die Heimat zu schicken.

Kurz vor dem Abendessen besuchen Christian, Andrea, Peter, Miriam, Ellen und ich noch das kleine Kloster von Namche. Ellen und ich vor allem aus Interesse, die anderen auch um ihre gerade erstandenen Xi-Steine weihen zu lassen. Diese Steine gelten bei den Tibetern als besonders heilig und den Bergsteigern in aller Welt sind sie geschätzter Glücksbringer und Talisman.

Der Mönch im klassischen rot-orange empfängt uns mit einem breiten Grinsen, vielleicht auch weil er sich freut Besuch zu bekommen, da er das kleine Kloster derzeit ganz alleine bewohnt. Er ist gegen eine kleine Spende gerne bereit, die gewünschte Zeremonie durchzuführen, und so sitzen wir schon wenige Minuten „strümpfig“ und gespannt in der prunkvoll ausgemalten Gebetshalle. Der überlebensgroße goldene Buddha thront nicht zu übersehen über allem.

Der Mönch blättert in einem kleinen goldverzierten Büchlein, scheint das passende Sprüchlein zu finden und leg mit lautem Gemurmel los. Das fast so klingt, als ob er die zu weihenden Xi-Steine im Mund hat, so unverständlich sind seine Gebete – zumindest für mich. Er weiß aber allem Anschein nach, was er tut, denn von Zeit zu Zeit blättert er in seinem Büchlein auf die nächste Seite – und murmelt dann unverdrossen weiter.

Das ist einerseits lustig und schräg, in Anbetracht der Tatsache, dass wir gerade in einem buddhistischen Kloster im Himalaya sitzen, haben diese Momente auch etwas sehr Spirituelles für mich und ich schließe für ein paar Minuten die Augen, spüre meine Füße auf dem Boden und lausche meinem Atem. Ohm.

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Beim Abendessen bekommen wir Besuch von mehreren, mal jüngeren und mal älteren Tanzgruppen. Denn heute ist wohl die nepalesische Variante von Halloween, und an diesem Abend wird um viel Süßes und gerne auch ein wenig Bares gebeten, dafür aber viel gesungen und getanzt. Die meisten haben sich in ihre schönsten Trachten gestürzt, und die schicken Pelshüte der Damenwelt erkenne ich aus „7 Jahre in Tibet“ wieder. Noch so ein Film, den ich nach meiner Rückkehr wieder mal anschauen möchte.

Ich lasse mit das eine oder andere Selfie mit der gut behüteten Damenwelt natürlich nicht entgehen und lass mich von der Lebensfreude und dem Lachen der Tänzerinnen und Tänzer anstecken.

Ich bin angekommen in Nepal und freue mich auf die nächsten Tage.

Über wackelige Pfade nach Namche Bazar

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Gerade rechtzeitig zum Abendessen in dem wie immer gut geheizten und ebenso gut besuchten dining room von The Nest, unserer heutigen Lodge, kommen Ellen und ich von unserem nachmittäglichen Kaffeeklatsch in der schon erwähnten german bakery zurück.

Dieses Mal ist diese sogar mir dem eindeutig deutsch klingenden Namen „Herman Helmer“ versehen, und was bei uns Startbucks, Coffee Fellows und Co. sind, scheint die Herman Helmer german bakery in Nepal zu sein, denn im Laufe der Tage und Wochen finden wir immer wieder Bäckereien, die unter diesem Namen firmieren.

Uns ist es recht, so gibt zumindest ab und an ein wenig Luxus in Form des schon gewürdigten black forrest cake oder der immer wieder gerne gekosteten cinamon roles.

Die „Herman Helmer German Bakery“ ist übrigens ein Joint Venture einer tatsächlich deutschen Bäckerei in Kathmandu und Ang Dorjee Sherpa , einem sehr umtriebigen Nepalesen, der Dank Bäckerei und eigener Lodge ein reicher Mann geworden ist, und mittlerweile wohl auch politische Ambitionen hat.

Unser Energiespeicher wird also regelmäßig mit Leckereien versorgt sein, mein Glückskonto nimmt ebenso Fahrt auf, denn ich drehe fleißig an allen Gebetsmühlen-Rädchen, die sich ebenso zahlreich wie farbenfroh entlang unseres Weges zeigen.

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Nach dem eher entspannten Einlaufen gestern war die heutige Etappe eine echte Steigerung inklusive der ersten „echten“ Steigung kurz vorm nachmittäglichen Zieleinlauf in Namche Bazar, der Sherpa-Hauptstadt, die sich auf gut 3400 Höhenmeter an die steilen Hänge schmiegt. Neben zahlreichen Lodges, Hotels, Shops, Restaurants und Bars gibt es auch Polizeirevier, Bank und die örtliche Verwaltung. Keine Frage, wir sind im eindeutigen Zentrum der Solu-Khumbu-Region.

Unser Weg führt uns entlang dem Flussufer des Dud Koshi, den wir mal links und mal rechts von uns haben, und den wir immer wieder auf meist wackeligen, und für einige von uns nicht ganz angstfreien Hängebrücken überqueren.

Besonders wackelig ist dabei die Sir Edmund Hillary Bridge, die sich in fast 80 Meter Höhe über eine zweiten Hängebrücke weit über das Tal spannt, und die ich schon aus dem „Everest“-Film kenne, den ich noch kurz vor meiner Abreise gesehen habe. Damals in 3D und jetzt „in echt“!

Ich finde es sehr spannend, durch meine Reise vieles aus dem Film selbst erleben zu können und mit eigenen Augen zu sehen. Passend dazu begleitet mich und Ellen Ron Krakauers Welterfolg „In eisigen Höhen“, der die damaligen Geschehnisse am Mount Everest auf wie ich finde sehr spannende aber wohl auch sehr subjektive Weise beschreibt und die Grundlange für den Film darstellt.

Mich fasziniert, welche enormen und meiner Meinung nach fast übermenschlichen Anstrengungen und Entbehrungen offensichtlich nötig sind, um den höchsten Berg der Welt zu besteigen. Und wie viele Menschen, das dennoch so sehr reizt, dass sie dafür viel Geld investieren und das eine oder andere Mal auch ihr Leben aufs Spiel setzen.

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In wenigen Tagen werde ich selbst am Fuße des Sagarmatha stehen, wie die Einheimischen den Mount Everest nennen. Mir reicht aber der imposante Anblick und „mein“ Mount Everest wird der Island Peak sein, der mich auch an die Grenzen meiner Belastbarkeit bringen wird. Doch davon später mehr.

Markus, Peter und Christian planen für 2017 tatsächlich die Besteigung des Mount Everest – ohne Sauerstoff versteht sich, denn sonst ist es wohl kein echtes Bergsteigen. Ich drücke im Geiste jetzt schon alle Daumen, und bin gespannt, wie dieses Abenteuer ausgehen wird.

Die erste Nacht in meinem Schlafsack kann ich getrost unter der Rubrik „Sauna“ verbuchen, denn als ich mitten in der Nacht aufwache, bin ich schweißgebadet. Nachdem ich mich aber bis auf die Unterhose entblättere, wird es richtig kuschelig warm und gemütlich und für den Rest der Reise werde ich zumindest im Schlafsack nicht frieren. Auf jeden Fall eine sehr lohende Investition, und je kälter es in den Lodges wird, desto mehr freue ich mich Abend für Abend auf mein kuscheliges Stelldichein mit meinem olivgrünen Schlafsack.

Im Vergleich zu der ersten Nacht schlafe ich fast himmlisch tief und fest, Träume unterschiedlichster Couleur inklusive. Meine Bandscheibe, die gestern noch gezwickt hat, scheint mittlerweile auch gut in den Bergen angekommen zu sein, und gibt in den nächsten Tagen und Wochen keinen Laut mehr von sich.

Nachdem wir die Hillary Bridge, die bunt und luftig mit zahllosen Gebetsfahnen eingewickelt ist, hinter unter gelassen haben, geht es für fast eine Stunde steil bergauf. Wieder über viele, viele dieses Mal auch sehr staubige Stufen für nepalesische Riesen, die mir heute aber schon wesentlich leichter fallen als gestern.

„Spocky“ Naran und ich laufen zusammen vorneweg, und ich versuche mich im Smalltalk. Leider müssen wir es beim Austausch von wenigen Fakten belassen, da sein Englisch dem vom echten Spocky nicht gerecht werden kann. Trotzdem schön zu erfahren, dass er vier Kinder im Alter von 9-25 Jahre hat, und dass er außerhalb der Wandersaison meist zuhause bei seinen Lieben ist, was er sehr genießt. Und was ich sehr gut verstehen kann.

Mit 55 Jahren ist er der eindeutige Oldie unserer Truppe, ein Alter das man ihm aber in keiner Weise anmerkt, denn so leicht und lachend wie er bergauf geht, sieht das für mich sehr jugendlich sein.

Auf halben Weg nach Namche zeigen sich zum ersten Male Mount Everest und Lhotse, und natürlich zückt jeder seine Kamera und hält die ersten Impressionen auf diese Bergriesen fest. In Anbetracht der ungleich eindrücklicheren Ansichten, die wir von den Beiden noch vor die Linsen bekommen werden, eigentlich völlig unnötig, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und zum Glück hat die Speicherkarte heutzutage gaaanz viel Platz für Impressionen aller Art.

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Mittlerweile hat sich der Abendessen-Tisch gut gefüllt und zusammen mit Georg, Katrin, Christina und Christian (die übrigens weder verwand noch verschwägert und auch nicht verliebt sind, wie ich das beurteilen kann nach wenigen Tagen), sowie Andrea und Andreas (dito!) plaudern wir bei orange tea über den heutigen Tag und die bevorstehenden Herausforderungen.

Ob es am Sammelsurium der Dialekte liegt oder der Müdigkeit der ersten Tagen – die Gespräche sind (noch) sehr stockend und zurückhaltend. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich ein Gutteil der österreichischen Fraktion schon gut kennt und gemeinsam nach Nepal gereist sind. Im Laufe der Tage und Wochen werde ich aber mit den meisten das eine oder andere Gespräch führen. Im Vergleich zu 2010 bleiben diese aber doch meist eher oberflächlich. Anerkennen was ist!

Und eines ist auch mehr als offensichtlich: Im Vergleich zu den bestens ausgerüsteten Mitwanderten bin ich doch eher improvisiert unterwegs. Im Vergleich zu unseren nepalesischen guides und Trägern bin aber auch ich hochmodern ausgestattet und daher lass ich Ausrüstung Ausrüstung sein, genieße mein Dhal Bhat, das geteilte Mars mit Ellen und freue mich auf eine weitere Nacht in meiner kleinen aber feinen Schlafsack-Sauna.

Von Kathmandu bergwärts

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Der Hund vor unserem Hotel ersetzt sehr konsequent den Hahn, den ich Dank meinem knallgelben Ohrstöpsel gekonnt überhöre, Ellen aber die sowieso unruhige Nachtruhe raubt.

So brauchen wir eigentlich keinen Wecker, als dieser uns um kurz nach halb Sechs weckt. Denn eine Mischung aus Vorfreude auf die kommenden Tage, Aufregung über bevorstehende Höhenmeter und der Jetlag einer Reise (fast) um den halben Globus, haben mir und wie ich später erfahre, der halben Wandertruppe, den Schlaf geraubt. Gedankenkreisel inklusive versteht sich.

Das Frühstück entschädigt dann aber doch ein wenig: Frisches Obst, Schoko-Croissants und schon wieder ein überraschend guter Cappuccino. Allem Anschein nach hat auch die Kaffeekultur in Nepal Einzug gehalten, das macht Mut.

Das österreichische-niederbayrische Sprachwirrwar hat sich über Nacht nicht verflüchtigt, aber mein „Göld“ tausche ich noch schnell an der Hotel-Rezeption und fülle meinen Geldbeutel mit einem schönen Stapel bunten Papier, das mich mehr an Spielgeld als an echte Währung erinnert. Wer braucht schon Münzgeld?

Kurz nach 6 sind alle duffle bags auf dem Dach des kleinen Busses verpackt, der uns zum Flughafen bringen wird und unter lautem Gebell des Weck-Hundes verabschieden wir uns vom Holly Himalaya. In gut zwei Wochen sehen wir uns hoffentlich wieder!

Auf der Fahrt durch Kathmandu wieder das gleiche Bild wie am Vortrag – fast leere Straßen, die nur von den allseits präsenten Rikschas aber nur wenigen Taxis und Auto bevölkert werden. Trotzdem oder gerade deswegen genieße ich die Fahrt durch die morgendliche Szenerie und packe Bilder von eiligen Schulkindern, schläfrigen Bettlern, umtriebigen Straßenhändlern und sonstigem Fußvolk in meinen Erinnerungsspeicher.

Am Flughafen geht es dann nicht links zum internationalen Teil, sondern rechts herum zu den Inlandsflügen. Das Gepäck nehmen uns zahlreiche und hilfreiche Hände ab, und ehe ich mich versehe, stehe ich in der proppenvollen Abfertigungshalle. Unser Ziel ist der berühmt-berüchtigten Tenzing-Hillary Flughafen in Lukla, der schon James Bond ein wenig Nervenkitzel beschwert hat. Der gut 30-minütige Flug wird uns und allen anderen Wanderern eine einwöchige Anreise ins Himalaya-Gebiet ersparen, für die wir ein wenig Nervenkitzen gerne in Kauf nehmen.

Kein geringerer als Sir Edmund Hillary selbst hatte Start- und Landebahn 1964 von örtlichen Sherpas für lumpige 2650 Dollar erbauen lassen und die Legende besagt, dass diese einen zweitägigen Festtanz durchgeführt haben, um den Boden entsprechend zu verfestigen. Erst im Jahre 2001 wurde die nur 527 Meter lange Schotterpiste durch eine asphaltierte Piste ersetzt, die bei 12-prozentiger Steigung nur bergwärts angeflogen werden kann.

Die Abfertigungshalle ist voll von Wanderern und deren Gepäck, guides, Trägern und Flughafenpersonal in meist farbenprächtigen Uniformen. Das alles gemischt in bester nepalesischer Chaoskultur, aber wie uns Markus versichert, finden am Ende die Wanderer, ihr Gepäck und die entsprechenden Flüge meist wie durch Zauberhand zusammen.

Anders als in 2010 vertrauen wir dieses Mal nicht auf Buddha (Air), sondern geben uns vertrauensvoll in die Hände von Yeti (Air). Mit dem Bus geht es über das Rollfeld, vorbei an unzähligen Hubschraubern, die teils sicherlich mehr Jahre auf den Rotorblättern haben als meine Wenigkeit. Unsere zweimotorige Propellermaschine kann altersmäßig da sehr gut mithalten, aber spätestens als ich unsere zwei sehr entspannten Piloten in ihren wohl kaum zu vermeidenden Ray-Bans erblicke, mache ich mir keine weiteren Gedanken über unser Fluggerät und freue mich auf das anstehende kleine Flugabenteuer.

Zumal uns eine äußerst adrette nepalesische Stewardess mit einem gehauchten Namasté begrüßt und uns unsere Plätze zuweist. Es herrscht freie Platzwahl – „zwei nebeneinander und viele, viele hintereinander“ wie es damals bei der Bundeswehr immer hieß, wenn wir uns in Zweierreihen aufstellen sollten. Dieses Mal dürfen wir aber sitzen und Christian und Miriam freuen sich wie österreichische Schneekönige in der ersten Reihe sitzen zu dürfen – mit ungehindertem Blick auf Cockpit und Horizont.

Die adrette Nepalesin verteilt Bonbons für die Ohren und Watte für die Aufregung (oder habe ich sie da falsch verstanden?), und die zwei entspannten Ray-Bans starten Motor und Rotoren und geben Gas.

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Keine 20 Minuten später zeigen sich die ersten Himalaya-Riesen, leider für mich wieder auf der falschen Seite. Da bleibt mir nur der Blick durch Miriams Objektiv, aber ich bin mit sicher, dass ich all das auch sehr bald mit eigenen Augen sehen kann.

Kurz vor der Landung frägt die adrette Nepalesin, ob wir irgendwelche security concerns hätten. Die haben wir nicht, und wie es sich für entspannte Ray-Bans gehört, landen die beiden uns dann kurz drauf sehr sicher, sanft und fast pünktlich um 9 Uhr auf der in der Tat seeeehr kurzen Landebahn.

Mit dem Gepäck ist das aber in Nepal wohl so eine Sache – wie gehabt hat nicht alles Gepäck in die Maschine gepasst, wird aber im Laufe des Tages nachgeliefert.

Die Wartezeit gibt uns aber Gelegenheit Lukla und Umgebung ein wenig zu erkunden. Die Einkaufsstraße bietet alles was das Wandererherz begehrt, inklusive gut gemachter Kopien von Starbucks und Hardrock Café.

Ich frage mich, warum ich meine Ausrüstung nicht hier zusammengekauft habe, die Preise sind offensichtlich wesentlich günstiger als im Basislager in Karlsruhe und zumindest die Markenlogos, die drauf genäht sind, sind die gleichen. In der german bakery gibt es eine black forrest cake – kaum zu glauben aber wahr und mit dem – richtig geraten – überraschend guten Cappuccino lässt sich gut auf fehlendes Gepäck warten. Die german bakery scheint im übrigen eine Art Qualitätssiegel für nepalesische Backwaren zu sein, denn auf unsere Tour werden wir uns des Öfteren dran erfreuen, ob bei black forest cake, cinemon role oder choklate cookies.

Zusammen mit Andrea, Miriam und Christian besuchen wir danach spontan das ortsansässige Krankenhaus. Die drei auch aus beruflichem Interesse, denn Andrea ist Internistin, Miriam Anästhesistin und Christian Rettungshelfer in der Flugrettung. Zusammen mit Katrin und Christina, die beide Krankenschwestern sind und Markus, der auch als Rettungshelfer arbeitet, haben wir also eine ungeheurere medizinische Kompetenz im Wanderteam – was soll mir da schon passieren?

Das Krankhaus erholt sich gerade von nicht zu übersehenden Erdbebenschäden, aber dank finanzieller und sehr tatkräftiger Hilfe vieler Freiwilligen sind Apotheke, Röntgenraum und Geburtenhilfe schon wieder voll einsatzfähig und die Patientenzimmer fast schon wieder bezugsfertig.

Heute liegen die medizinische und administrative Verantwortung bei den Nepali selbst, gegründet würde das Krankhaus aber von Nicole Niquille, der ersten Bergführerin der Schweiz. Seit aber beim Morchelsammeln ein nussgrosser Stein durch ihren Schädel schlug und das Mobilitätszentrum zerstörte, lebt Nicole im Rollstuhl. Was sie aber nicht daran hindert, auch persönlich vor Ort zu sein und sich dann von mehreren Sherpas sprichwörtlich über Stock und Stein tragen lässt.

Wir treffen ihren Ehemann der gerade vor Ort ist und die Renovierungsarbeiten leitet. Er wirkt wie jemand, der seinen Sinn im Leben gefunden. Beim Blick auf die lachenden Kinder, die gerade im Krankenhaus gesunden dürfen, ein sehr guter Sinn wie ich finde.

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Gegen 12 Uhr ist unser Gepäck vollständig und selbst Ellens Tasche ist gut angekommen. Jetzt noch schnell das Mittagessen aussuchen und dann kann es fast schon los gehen. Ich entscheide mich für die gute alte veg noodle soup – ein mir noch aus 2010 sehr wohlbekanntes Mittagsritual, das ich auch dieses Mal sehr konsequent lebe. Dhal Bhat am Abend und veg noodle soup am Mittag, das macht hungrige Wanderermägen satt und die Beine wieder stark.

Kurz nach 14 Uhr dann bläst Markus in sein imaginäres Bergführerhorn und wir machen uns auf zu unserem heutigen Tagesziel nach Phakding. Da die ersten Tage vor allem der Akklimatisation dienen, lassen wir es sehr ruhig angehen. Am Ortsende von Lukla gibt es das offizielle Team-Foto, das wir am Ende unserer Reise wiederholen werden. Ich bin auf die Unterschiede gespannt, bei mir wird auf jeden Fall mein Bart zu ungewohnter Länge angewachsen sein. Wir registrieren uns bei der tourist police, denn wir betreten nun den Nationalpark. Eine kleine aber durchaus kostspielige Angelegenheit, selbst die Berge in Nepal gibt es nicht mehr umsonst – solange aber die Eintrittsgelder zum Beispiel dafür investiert werden, zahlreiche Müllbehälter aufzustellen, die dann die wunderschöne Natur vor allzu viel Müll verschonen, finde ich das eine sehr sinnvolle Investition.

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Pradap, unser nepaleischer Reiseleiter, der Sitar, bildet wie all die Tagen den Abschluss und sammelt alle Liegengebliebenen ein. Vorneheraus läuft die ersten Tage Naran, der uns am base camp am Island Peak auch bekochen wird (und ich verrate hier nicht allzuviel, wenn dabei auch die veg noodle soup eine Rolle spielen wird). Naran erinnert mich irgendwie an eine 1,60 Meter kleine Variante von Spocky. Beamen wird es uns aber über die anstehenden Berge auch nicht können.

Vorbei an ersten Gebetsmühlen und Mani-Steinen geht es über unzählige mal mehr, mal weniger gerade aber meist sehr hohen Stufen. Bei der durchschnittlichen Größe der Nepali sind die meiner Meinung nach wohl eher für Riesen gebaut. Die Träger, die uns überholen, nehmen diese Hürden aber mit Bravour – in Flip-Flops und mit bis zu 120 Kilogramm auf dem Buckel versteht sich. Ich selbst merke die ersten Höhenmeter durchaus, immerhin sind wir schon fast auf 3000 Meter über dem Meeresspiegel und ich muss mich wie der Rest der Truppe wohl erst noch ein wenig eingrooven.

Natürlich habe ich meine Sony griffbereit bei mir und es dauert nicht lange, bis ich die ersten Impressionen für die Nachwelt und die Daheimgebliebenen verewigt habe: erste Bergpanoramen, lachende Kinder (ich muss morgen meine Süßigkeiten parat haben), bunte Gebetsfahnen, satt-schönes Grün.

Ähnlich wie in Kathmandu hält sich der Verkehr auf dem breiten Wanderweg doch sehr in Grenzen, und zusammen mit dem doch recht nebeligen Wetter werde ich die nächsten Stunden fast ein wenig melancholisch, so „einsam“ ist es um uns herum. Viele Lodges sind leer oder ganz geschlossen und in den Dörfern, die wir auf unserem Weg durchwandern, sehen wir wenig Einheimische und noch weniger Mitwanderer. Die Folgen des Erdbeben werden wohl doch noch länger spürbar sein, auch wenn die Hütten und Lodges meist schon lange wieder aufgebaut sind.

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Gegen 17 Uhr erreichen wir dann die Snowland Lodge in Phakding, inklusive hot shower und wifi. Schnee hat es heute nur auf den Gipfel der Berge ums uns herum, aber es wird nicht lange dauern, bis ich den ersten Schneeball werfen werde.

Ellen und ich beziehen Zimmer 101, was im Wesentlichen daraus besteht, unseren Schlafsack auszupacken und die Stirnlampe zurecht zu legen. Der Abend wird dann bei Dhal Bhat, mint tea und dem ersten geteilten Snickers im gut geheizten dining room eine sehr entspannte Angelegenheit, bei der ich mich mutig und entschlossen dem österreichischen Sprachenwirrarr aussetze, allerdings erstmals noch mit eher bescheidenem Erfolg.

Gegen 21 Uhr heißt es dann schon Schlafenszeit – ich bin auf meinen Mega-Schlafsack gespannt, der mich eine Stange Geld gekostet hat. Wird er mich warmhalten? Und wer oder was wird uns heute den Schlaf rauben? Wir werden sehen …

Von Karlsruhe nach Kathmandu

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Endlich im Flieger Richtung Dehli mit Flug A221X, Sitz 22D in der Mitte am Gang. Ellen sitz rechts vor mir, also keine Gelegenheit für Gespräche übers Leben, aber in den nächsten Tagen und Wochen wird es davon sicherlich noch reichlich geben. Um uns herum: jede Menge Inder und jede Menge Wanderer. Zumindest die Wanderer werden uns wohl begleiten in nächster Zeit.

Da wir erst um 21:20 Uhr in Frankfurt gestartet sind, war das heute noch ein sehr entspannter (vorerst) letzter Tag in good old germany – inklusive meinem mittlerweile fast schon traditionellen business lunch mit Christian (dieses Mal im Carls Wirtshaus). Und einer wie immer seeeehr entspannenden Massage bei der guten Nicole. Bei den bevorstehenden Anstrengungen habe ich mir das sicherlich auch schon vorab mehr als verdient.

Und sogar einen Cappuccino im espresso tostino hat es mir noch gereicht – inklusive dem unvermeidlichen weil so leckeren Schoko-Croissant. Toll, all das direkt vor der Haustür zu haben. Oststadt – the place to be.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon meine diesjährige packaging challenge letztendlich erfolgreich bestanden. Und dabei wieder einmal lernen dürfen, dass Pläne dazu da sind, geändert zu werden. Denn anstelle dem von mir in der Theorie schon lange durchdachten „allesindenrotenkofferundgutist“ , wurde es dann ein „die Wanderstiefel ziehe ich gleich an, und der Rest passt irgendwie in das duffle bag“.

Die Sicherheitsbelehrung auf indisch ist ein Schauspiel, und trotzdem schaut niemand hin. Zum Glück wird diese auch nicht relevant werden und wir haben einen sehr entspannten Flug durch die Nacht. Den ich Dank red wine auch fast komplett verschlafe – kurz bevor ich tief und fest einschlafe sucht der Wanderer im Sitz vor mir Ulrike und Peter, die wohl mit ihm wandern werden. Damit meint er offensichtlich nicht Ellen und Jochen, ich erinnere mich aber mit einem Grinsen an meinen letzten Flug Richtung Nepal, als ich die Suche nach potentiellen Mitwanderern fast schon aufgegeben hatte und erst in der business class Richtung Kathmandu auf eben diese in Gestalt von Wolfgang und Martin gestoßen bin. Ich bin gespannt, wer mich – neben Ellen – dieses Mal begleiten wird.

Wir haben schon vor dem Start 10 Minuten Verspätung, aber wir haben zum Umsteigen viel Zeit in Dehli und daneben ist nun sowieso Entschleunigung angesagt – warum also nicht gleich damit anfangen? Beim check-in konnte ich mich schon in Geduld üben, denn auf Grund von mysteriösen „buchungtechnischen Schwierigkeiten“ kann die leicht überforderte Dame am Schalter mein Gepäck nicht direkt bis Kathmandu aufgeben. 30 Minuten und diverse Nachfragen später entscheidet sie sich dann dazu, das „händisch“ zu machen und schreibt mir kaum leserlich aber handgeschrieben einen Gepäckschein und lässt meinen duffle bag auf dem Gepäckband entschwinden. Mir ist nicht ganz wohl dabei, ironischerweise werde ich aber weit weniger Probleme mit meinem Gepäck haben als gewisse Mitreisende, aber dazu später mehr.

Das Nepal-Vorbereitungsbier gab es gestern Abend noch in der Venus beim Bingel-Bingo und Sebastian hat Freibier in Aussicht gestellt, falls ich gesund und munter wiederkomme. Wie meist hatte ich Pech im (Bingo-) Spiel, und ich warten immer noch auf das Glück in der Liebe, das dann doch zumindest sprichwörtlich folgen soll. Aber alles zu seiner Zeit und einen Schritt nach dem anderen. Jetzt geht es erstmals raus aus dem Alltag.

Und ich bin wirklich froh, ein wenig herauszukommen, aus dem auch sehr angenehmen Trott einer Auszeit. Ich bin gespannt was mich erwartet und meine Aufregung steigt, wenn ich mir überlegen, was ich so außerhalb der allseits bekannten Komfortzone erleben werden.

Ellen ist ebenfalls aufgeregt. Aber im Gegensatz zu mir hat sie sich generalstabsmässig vorbereitet und kennt alle Zahlen und Fakten über diverse Pässe, Berge und sonstige Reisedaten in- und auch auswendig. Kompass und Höhenmesser hat aber auch sie nicht eingepackt, was ihre Aufregung noch zu steigern scheint. Ich verlasse mich da einfach auf Markus, unseren Bergführer aus Österreich. Und auf „Bhim“ und „Narayan“ unsere nepalesischen guides. Wobei die dann wahrscheinlich anders heißen werden.

Bhim war ein Guter und beim Einnicken tauchen ein paar Szenen unserer Annapurna-Umrundung vor meinem geistigen Auge auf: Bhim, wie er lachend und entspannt immer voraus gelaufen ist. Bhim, wie er in einer Pause meine behaarten Oberschenkel streichelt. Bhim, wie er mir mit seinem brüchigen Englisch erzählt, dass er gerne climbing guide werden möchte und Berge besteigen wird.

Ellen blättert in meinem Reiseerinnerungen von 2010 und wir sind beide mächtig stolz, dass wir unser zweites Nepal-Abenteuer gemeinsam wagen. Entstanden ist die Idee dazu wohl bei einem unserer doch recht regelmäßigen Pizza-Treffen in Stuttgart. Einmal auf einem 6000-er stehen! Nun, wir werden sehen wie freundlich uns der Island Peak gesinnt ist, und ob wir diesen Traum in die Realität umsetzen können.

Wer sind die anderen Reisenden? Laut Teilnehmerliste bis auf wenige Ausnahmen eine rein österreichische Truppe, und Ellen befürchtet auf „echte Profis“ zu treffen. Ich lass mich überraschen, denn auch in Österreich wird bekanntlich nur mit Wasser gekocht. Ich fühl mich gut, bin fit und werde mich den Herausforderungen dann stellen, wenn es soweit ist.

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Ein paar Stunden später: Delhi! Die indische Mega-Metropole, die ich dieses Mal doch nur im Transitbereich erleben werden. Der ursprünglich geplante Besuch bei Caro und Moritz muss noch warten, denn getreu dem Motto „weniger ist mehr“ hatte ich den Beiden zwei Wochen vor meinem Abflug abgesagt. Ich bin froh darüber und werde meine Mutter daher zu ihrem 75. Geburtstag als unerwarteten Überraschungsgast überraschen.

Die 3 Stunden Wartezeit bis zum Weiterflug verbringen wir zum guten Teil beim erneuten security check und in der langen Schlange zum check-in für die boarding cards. Die Schere aus meinem Ersten-Hilfe-Päckchen, das ich versehentlich im Rucksack habe, wird aber dieses Mal nicht beanstandet. In Frankfurt durfte ich meinem Rucksack deswegen noch komplett ausräumen. Schöne einheitliche Flugwelt.

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Im sehr modernen Transitbereich reicht es uns aber doch noch für ein sehr (!) schokoladiges Schoko-Croissant und einen überraschend guten Cappuccino. In Erwartung der nächsten Tage und Wochen mit black tea schmeckt der gleich nochmal so gut. Ellen und ich unterhalten uns über die Klassiker „das Leben, „die Liebe“ und „die Unterschiede zwischen Männern und Frauen“ und als Quintessenz nehme ich ein „ich bin gut so, wie ich bin“ in mein Erinnerungsgepäck.

Im Flieger nach Kathmandu dann eine gespielte indische Sicherheitsbelehrung – und wieder schaut niemand hin. Die Gesten und die Mimik des Stewards haben aber fast schon Bollywood-Zuge finde ich. Allerdings bin ich zu müde nach der fast durchgemachten Nacht um dem jungen Mann echte Aufmerksamkeit zu schenken. Ich döse lieber weg – dieses Mal auch ohne red wine.

Beim nächsten Blick aus dem Fenster sind wir schon über den Reisfeldern von Nepal. Die Bergriesen sind leider auf der anderen Seite, aber ich werde sie alle noch betrachten dürfen in naher Zukunft. Ich begrüße Nepal mit einem freudigen Namasté und lasse meine Augen über das noch grüne Land gleiten. Ich bin überrascht, dass ich wenig Schäden durch das Erdbeben sehe, aber ich wie später noch lernen werden, waren die Nepali sehr eifrig in den letzten Monaten und haben (fast) alle Schäden schon wieder behoben.

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Nach entspannter Landung aber trotzdem nur verhaltenem Touristen-Applaus, stehen Ellen und ich kurz nach 15 Uhr Ortszeit am recht altersschwachen Gepäckband. In freudiger Erwartung unseres Gepäck und siehe da – mein händisch aufgegebenes duffle bag ist das Erste, was wir erblicken.

Leider war es das dann aber schon für uns, denn Ellen´s Tasche liegt noch in Kathmandu, wie der sehr entspannte Air India officer erklärt. Das Flugzeug war überladen und daher wurden kurzerhand rund zwei Tonnen Gepäck wieder ausgeladen, und werden mit dem Flieger am nächsten Tag nachgeflogen. Willkommen in der nepalesischen Variante von Organisation, die uns in nächster Zeit mal chaotisch mal liebenswert noch des Öfteren begegnen wird.

Dafür scheinen wir die einzigen zu sein, die ihr Visum schon in Deutschland besorgt haben und daher stellen wir uns nicht wie alle anderen in der langen Schlange für tourist without visa an, sondern werden quasi persönlich vom netten immigration officer mit dem klassischen Namasté begrüßt.

Vor dem Flughafen das Bild, das mir noch von 2010 gut in Erinnerung ist: eine endlose Reihe von Taxifahrern und Hotelangestellten, die auf ihre Gäste warten. Meist mit selbstgeschriebenen Schilder oder zumindest dem best price für die Fahrt ins Zentrum. Wir werden aber abgeholt und nach ein wenig Schildersuche finden wir auch eines, auf dem Ellen Mohressig und Jürgen Gürtler steht. Wir gehen davon aus, dass damit wir gemeint sind, und steigen vertrauensvoll in das Taxi.

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Zurück auf den Straßen Kathmandu´s – aber im Gegensatz zu 2010 sind diese dieses Mal fast leer. Der Benzin-Boykott und die spürbar geringere Anzahl von Touristen hinterlassen auch auf der Straße ihre Spuren, und so kommen wir absolut stau-frei und entspannt im Holly Himalaya an, unserem „gemütlichen 2-Sterne Hotel im Herzen Thamels“, wie es so schön in der Reisebeschreibung geschrieben steht.

Checkin, Auspacken, eine fast heiße Dusche. Business as usual für (Nepal-) Reisenden und nachdem wir Markus, unseren Bergführer aus Österreich, kennengelernt haben und dieser verspricht, dass Ellen´s Gepäck mit Sicherheit am nächsten Tag abgeholt werden wird, steht einem ersten gemeinsamen Abendessen nichts mehr im Weg.

Die Mitreisenden sind wie erwartet : österreichisch – aber ich bin doch ein wenig überrascht und irritiert, wie wenig ich Christina, Kathrin, Christian, Miriam, Andrea und Peter verstehe, sobald sich diese untereinander unterhalten. Ich denke kurz an den Turmbau zu Babel, hoffe aber, dass es so schlimm nicht werden wird. Das Sahnehäubchen auf unser Sprach-Wirrwar kommt allerdings von Georg aus Niederbayern, den ich noch weniger verstehe als unsere österreichischen Mitwanderer.

Zum Glück schmeckt die klassisch nepalesische Pizza sehr klassisch italienisch gut, und so liege ich kurz nach 22 Uhr doch recht entspannt in meinem king size bed und lasse Dialekte Dialekte sein und freue mich auf die bevorstehende Abenteuer in den Bergen.