Der Kreis schließt sich

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Zurück in Namsche Bazar. Der Kreis schließt sich also und wir sind zurück in der Sherpa-Hauptstadt, die sich so phänomenal an die steilen Bergwände anlehnt.

Gestern starteten wir in Chukung in fast 5000 Metern Höhe, und der Abstieg ging erwartungsgemäß schneller als der Aufstieg.

Zur Mittagszeit verabschiede ich mich vom Island Peak, der uns tags zuvor so wohlgesonnen war, mit einer phänomenalen cinnamon role und einem ebensolchen Cappuccino, den wir in der french bakery in Dingboche genießen dürfen.

Schon interessant zu sehen und zu erleben, was sich in den fünf Jahren seit meinem letzten Besuch alles geändert hat. In 2010 war wifi im Prinzip nicht vorhanden, allenfalls das eine oder andere Internet-Cafe mit nicht viel mehr als Modem-Geschwindigkeit. Echter Kaffee? Fehlanzeige! Und heute gibt es Kaffee und Internet wie bei uns meist sogar in Kombination. Im Grunde kann ich gut auf all das auch verzichten, wenn es dann dennoch verfügbar ist, ist das wahrer Luxus, über den sich die geplagte Wandererseele durchaus freut.

Die Wege werden wieder breiter, die karge Vegetation der letzten Tage allmählich von Sträuchern und Büschen abgelöst und spätestens hinter Pangboche sind wir zurück auf der Everest-Autobahn.

Und wie auf jeder Autobahn gibt es dann auch wieder mehr Verkehr und uns kommen mehr und mehr tapfere Wanderinnen und Wanderer entgegen, die das meiste von dem, was wir schon bewältigt habe, noch vor sich haben.

Etliche ziemlich verschwitzt, mit knallrotem Kopf und wie wild keuchend – da wurde wohl bei dem einen oder anderen die richtige und nötige Akklimatisation vergessen.

Das Everest base camp kann der geneigte Wanderer in 7-10 Tages-Programmen buchen, doch dann bleibt für eine langsame und schrittweise Annährung an die extreme Höhe kaum Zeit. Mit unkalkulierbaren Folgen für die Gesundheit.

In Pangboche legen wir unsere Nachtruhe ein und bevor ich mich meinem (fast) alltäglichen Dhal Bhat widme, machen Markus, Ellen, Georg und ich noch einen kleinen Nachmittagsspaziergang zum örtlichen Kloster.

Da es mittlerweile sehr nebelig geworden ist, wird das dann ein fast schon mystischer Ausflug. Vorbei an endlosen Reihen von verblassen, bunten oder strahlend weißen Mani-Steinen. Ellen und ich legen beim Rückweg jeweils einen Stein dazu, als kleine Dankschön für die geglückte Island Peak Besteigung.

Wie so oft in den letzten Tagen und Wochen entdecken wir wieder Reste der Erdbebenschäden aus dem Frühjahr und wieder erklingt das für mich so typische Geräusch des nepalesischen Wiederaufbaus – das Hämmern der unzähligen Steineklopfer.

Zurück in der Lodge setzten wir nach dem Abendessen unser fast tägliches UNO-Turnier fort. Dieses Mal bleibt es für mich jedoch beim Pech im Spiel – lassen wir uns überraschen, ob das in nächster Zeit die sprichwörtlichen Folgen haben wird.

Der Tag heute folgt der fast gleichen, sehr angenehmen Rezeptur. Mittagspause in einer Bäckerei mit leckerer cinnamon role und ebensolchem Cappuccino. Dazu einen Schluck Kultur beim Besuch des großartigen Klosters in Tengboche, einem der spirituellen Zentren der Buddhisten in Nepal.

Auch hier sehen wir die Folgen des Erdbebens, die aber fast schon alle wieder beseitig sind. Da waren wohl viele freiwillige Helfer am Werk, die sich dadurch vielleicht auch ein wenig göttlichen Beistand erarbeiten wollen.

Wir unterhalten uns mit dem klösterlichen Hausmeister, der viel Wissenswertes über das Kloster zu erzählen hat. In seiner über 400-jährigen Geschichte wurde es beispielsweise schon dreimal komplett zerstört. Durch Feuer oder Erdbeben und jedes Mal wieder grösser und schöner neu aufgebaut. Es leben 30 Mönche im Kloster, die aber oft unterwegs sind.

Die Gebetshalle ist wunderschön und ganz frisch und farbenprächtig mit den mir schon bekannten Szenen aus Buddhas Leben ausgemalt.

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Am Eingang des Klosters gibt es zudem einen der Sage nach Original-Fußabdruck von Buddha zu bewundern, den dieser beim Meditieren im 16.Jahrhunder hier vor Ort in einem Stein zurückgelassen hat. Es gehört allerdings ganz viel Fantasie dazu, diesen zu entdecken, aber wenn die katholische Kirche Holzstückchen als Teil des Kreuzes von Jesus als Heiligtum verehrt, kann der Buddhist in Nepal auch sehr gerne heilige Fußabdrücke sehen, wenn er dies denn will.

Auch heute verhüllt ein dichter Nebel schon am frühen Nachmittag die ansonsten herrlich grüne Bergwelt um uns herum, so dass ich die letzten zwei Stunden auf dem Weg nach Namche in mir und im Nebel versunken zurücklege.

Einen ersten Blick auf die Hillary Bridge lässt die nebelige Suppe um mich herum aber zu, doch darüber wird es erst am nächsten Tag gehen.

In Namsche begrüßt und dann wieder The Nest, die Lodge, aus der wir vor über zwei Wochen zu unserem Bergabenteuer aufgebrochen sind. Schön finde ich es, wieder zurück in der Zivilisation zu sein. Inklusive der schon gehuldigten deutschen Bäckerei, spielenden Kindern vor dem Schulgebäude und unzähligen Shops und Läden, in denen es einfach alles und noch mehr gibt.

Fürs Souvenirs fehlt mir aber im Augenblick noch die rechte Motivation, das werde ich in wenigen Tagen in Kathmandu in aller Ausführlichkeit nachholen. Stattdessen widme ich mich dem free wifi in der german bakery. Das heutige Passwort entspricht exakt dem heißen und wohlschmeckenden Getränk vor mir, so dass sogar ich mir das gut merken kann und problemlos ins weltweite Netz eintauche.

Die Ausgeh-Crew diskutiert die Frage, wer wann und wo den neuen James Bond anschauen möchte und Gina verkauft redesign YOU gerade an VW in Wolfsburg. Der Alltag blinzelt um die Ecke, noch virtuell aber bald auch ganz real. Und das ist auch gut so, denn ich freue mich schon sehr auf Zuhause.

Zum Abendessen teilen wir uns den großen dining room mit gefühlten 300 Japanern, die laut schnatternd die Lautstärke im Raum zu ungeahnten (Gipfel-) Höhen treiben.

Ich bleibe schon der Tradition wegen bei Dhal Bhat, es gibt schließlich nicht mehr allzu oft die Gelegenheit dazu das nepalesische Nationalgericht so schmackhaft und inklusive Nachschlag zu genießen.

UNO bleibt heute ungespielt und nach einer Genuss-Zigarette mit Katrin verkrieche ich mich schon recht früh in mein so liebgewonnenes Schlafsackpardies.

Ich habe mit meinen wackeren Mitstreiterinnen und Mitstreitern in den letzten fast drei Wochen gut 170 Kilometer und weit mehr als 15.000 Höhenmeter zurückgelegt. Da schlafe ich müde und zufrieden ein und träume von …. mal sehen, vielleicht werde ich bei Gelegenheit noch davon berichten.

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In eisigen Höhen

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Und wieder Sonnenschein pur am Morgen. Das Wetter verwöhnt uns wirklich nach Strich und Faden. Aber wie ich Markus schon gestern gesagt habe, kenne ich Nepal bis jetzt nur bei bestem Wanderwetter, denn das war in 2010 so und ist bis jetzt auch in 2015 so.

Nach der gestrigen absoluten Königsetappe haben wir heute eigentlich spätes Frühstück um halb Neun, ich bin aber schon wach und sitze im sonnigen dining room. Das italienisch-spanische Pärchen im Zimmer neben uns hat lautstark mitgeholfen, dass ich schon wach bin, denn bei den wie in den Lodges üblich sehr dünnen Sperrholzwänden fällt es schwer, nicht mitzuhören, was nebenan so vor sich geht: Ehestreit, Intimitäten und aktueller Klatsch um nur die Klassiker zu nennen.

Sperrholzplatten in verschiedenen Größen und Dicken sind im übrigen wohl ein wesentlicher Bestandteil aller Gebäude in der Bergregion, und fast täglich sehen wir so bewundernswerte wie bedauernswerte Träger, die die Platten schwerbeladen überall dorthin tragen, wo gebaut werden soll. Und dabei mitunter bis so 120 Kilogramm auf die meist recht schmalen Schultern packen. Für mich nicht nachvollziehbar und wohl nur möglich, weil schon die Kinder damit anfangen, große Gewichte von A nach B zu tragen.

Die Träger werden nach Gewicht und Tagen bezahlt, und daher ist in diesem Fall wohl weniger nicht mehr und jeder Träger versucht so viel wie möglich mit sich zu schleppen. Und da es im gesamten Solu Khumbu keine Straßen gibt, sind die Träger lebensnotwenige Ein-Personen-Transportunternehmen, die ab und an unterstützt von Yaks oder Maultieren, dafür sorgen, dass alles zum Leben notwenige an die richtigen und vor allem auch entlegensten Stellen kommt.

Ich fühle mich frisch und ausgeruht, nach dem gestrigen 12-stündigen Bergmarathon ist das fast ein kleines Wunder wie ich finde.

Am Vormittag des Vorvortages hatten wir uns in Richtung base camp aufgemacht und der gut drei-stündige Spaziergang war nach dem Ruhetag die genau richtige Dosis „Bewegung“, um unsere müden Knochen wieder in Fahrt zu bringen.

Markus, Peter, Pradap und die Träger waren schon am Morgen aufgebrochen, um alle Zelte aufzubauen. Denn neben den 2-Mann-und-Frau-Zelten für uns tapfere Bergbesteiger gibt es ein Küchenzelt, in dem Naran für uns echte Leckereien zubereiten wird, sowie ein großes Speisesaalzelt, in dem wir ganz romantisch bei Kerzenschein unser Abendessen und das frühe Frühstück genießen werden.

„Früh“ heißt in diesem Fall „sehr früh“, denn Pradap weckt uns schon kurz nach halb Drei mit seinem laut quäkenden Wake Up Song aus seinem überdimensionalen Handy. Da wir uns aber schon um 19 Uhr in unsere Zelten verzogen hatten, fällt es mir leicht aus meinen Schlafsackfedern zu kommen.

Die Nacht im Zelt war überraschend entspannend und kuschelig. Meinem Schlafsack sei Dank! Da draußen fast 20 Minusgrade zu vermelden waren, wanderten dieses Mal auch die Einlegesohlen meiner Wanderschuhe in den Schlafsack und ich warf mich vorsorglich schon in meine Thermounterwäsche.

Trotz gewärmter Einlegesohlen bekomme ich übrigens den Tag über durchaus kalte Füße. Interessanterweise aber immer nur in Abwechslung mit den kalten Fingern. Beides zusammen bleibt mir zum Glück erspart, ich beneide aber dennoch Christian, der am frühen Morgen mit beheizbaren Handschuhen aufwartet, die sich ganz wunderbar mit den beheizbaren Socken ergänzen, die wiederum Markus anpreist.

Den unvermeidlichen und nächtliche Gang zur Toilette möchte ich an dieser Stelle aber auch nicht vergessen, denn barfuß bei diesen Minusgraden pinkelnd hinter unserem Zelt zu stehen und dabei von wirklich abertausend Sternen am wolkenlosen Himmel über mir beobachtet zu werden, ist schon etwas ganz Besonderes.

Nach dem wie gesagt sehr frühen und auch sehr schnelle Frühstück, bei dem ich mich ausnahmsweise mit porrige zufriedengebe, bläst Markus wieder einmal in sein imaginäres Bergführerhorn und wir brechen kurz nach halb Vier auf in Richtung Island Peak.

Am Himmel die schon gewürdigten Sterne und auf unseren Köpfen unsere Stirnlampen. So erleuchtet bahnen wir uns unseren Weg über die ersten Serpentinen, die gleich recht steil loslegen. Markus geht vorneweg und gibt ein sehr entspanntes Tempo vor, auf das ich mich aber sehr gerne einlasse und mal weiter vorne und mal weiter hinter mitgehe.

Jede Stunde legen wir eine Trinkpause ein, und ehe ich mich versehe geht die Sonne über dem Horizont auf und wir haben schon die ersten 500 Höhenmeter hinter uns gebracht.

Mir geht es richtig gut. Peter, Andrea und Miriam zollen allerdings der Höhe Tribut und Markus entscheidet sich, die Drei ins base camp zurückzuschicken.

Der Rest macht sich weiter auf in Richtung Gipfel und eine gute Stunde später stehen wir am sonnenbeschienenen Beginn des Gletschers. Jetzt heißt es umziehen und wir legen Steigeisen und Klettergut an.

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Für mich ein absolutes „erstes Mal“ und wie das bei ersten Male so ist, bin ich ein wenig aufgeregt und verwechsle prompt links und rechts und lege die Steigeisen verkehr herum an, was Markus mit einem entspannten „do stimmt was net junger Mann“ kommentiert und das kurzerhand und in Nullkommanix zurecht rückt.

Wir bilden zwei Seilschaften und ich hänge von nun im wahrsten Sinne des Wortes sehr an Georg, Ellen und Markus. Markus geht natürlich voraus und meine alleralerersten Schritte auf Gletschereis fühlen sich sehr gut an. Die Sonne lässt das Eis glitzern und glänzen – einfach wunderschön.

Der Gipfel zeigt sich mit einem Mal noch weit über uns, und an dem steilen Hang, den es noch zu überwinden gilt, mühen sich schon zwei weitere Seilschaften ab. Wir haben bis dorthin aber noch ca. 30 Minuten Galgenfrist.

Der Gletscher wird steiler und steiler und dann noch steiler und so langsam wird mir ein wenig mulmig. Die Steigeisen geben mir aber richtig guten Halt und mit aller Kraft ramme ich diese bei jedem Schritt in das knirschende Eis unter mir.

Auf Grund unserer Nicht-Erfahrung am steilen Eishang lässt Markus Ellen von Lawang ans kurze Seil nehmen und kümmert sich von nun an nur noch im Georg und mich. Mir ist es recht, denn ich bin schon lange ganz raus aus meiner waagerechten Komfortzone und kann jede Hilfe gebrauchen. Denn jetzt wird es mit fast 60 Grad wirklich steil – zumindest für mich. Markus hingegen klettert forsch voraus und sichert Georg und mich. Froh ist, wer am Seil eines sehr erfahrenen Bergführer hängt.

Die letzten Meter des Hanges kraxele ich einfach auf allen Vieren nach oben, versuche nicht daran zu denken, wo ich mich gerade befinde und stell mit vor, dass ich einfach einen glattpolierten und vor allem waagrechten Boden entlangkrabbele.

SoluKhumbu2015-214Doch dann bin ich oben, und hole erstmals ganz ganz tief Luft. Zum Gipfel geht es aber noch über einen gut 100 Meter lange nur ein wenig flacheren Grat, an dem uns Markus wieder Seillänge um Seillänge nach oben führt. Und sogar Zeit hat, uns in echter Siegerpose abzulichten.

Der Grat ist einen guten halben Meter breit und im Grunde problemlos zu begehen. Die Breite des Grates folgt aber unter Bergsteigern den gleichen Gesetzen wie die Größe des geangelten Fisches unter Anglern: je öfter man davon erzählt, wird der Grat schmäler und schmäler und wenn ich es mir recht überlege, war der Grat keine 10 Zentimeter breit und wir sind sind mutig darüber balanciert.

Mit ganz viel Puste, ordentlich Nervenkitzel, Herzklopfen und einer guten Portion „einfach machen“ stehe ich dann kurz nach 10 Uhr tatsächlich auf dem Gipfel des Island Peak auf 6189 Meter. Der Wahnsinn!

Der Gipfel hat allenfalls die Größe von meinem Badezimmer und wenn ich mir vorstelle, dass sich darin ca. 20 Leute versammeln, kann man sich vorstellen, wie eng es nun zugeht „ganz oben“.

Aber was soll´s: traumhaft trifft es vielleicht am Besten. Absolut windstill, strahlende Sonne, tiefblauer Himmel und um uns herum wieder einmal die ganze Himalaya-Pracht: Auf der einen Seite erhebt sich die riesige Lhotse Südwand noch weitere fast unglaubliche 2,5 Kilometer in den Himmel. Auf der anderen Seite schweift der Blick vom Makalu im Osten, über den Baruntse bis zur Nordseite der Ama Dablam… Und wir mitten drin. Und voll dabei.

Ich mache Gipfel-Selfies mit allen, eine Videobotschaft für zuhause und dann genieße ich nur! Ich habe es doch tatsächlich geschafft und stehe wie gesagt auf 6189 Meter. Genial! Wunderbar! Und ich bin stolz wie Harry.

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Habe ich schon erwähnt, dass ich auf 6189 Meter stehe?

Doch wer rauf will, muss irgendwann auch wieder runter. Und die nächsten Stunden werden ein ganz langer und am Ende auch schmerzhafter Marsch zurück ins base camp und dann weiter zu unserer Lodge in Chukung.

Zuerst aber lassen wir uns am gut 150 Meter langen Fixseil abseilen. Vorbei an einer Gletscherspalte, die sich Ellen gerne genauer anschauen würde. Ich sage aber nur schnell „Hallo“ und lass mich zügig am Seil hinunter gleiten.

Den Hund, den wir wundersamer Weise am Gipfel angetroffen habe, und der offensichtlich wohl irgendwie rauf gekommen ist, nun aber nicht weiß, wie er wieder runter kommt, wird von Georg kurzerhand Huckepacke genommen und begleitet uns noch über den Gletscher, bis er sich ohne großes Aufsehen von uns verabschiedet.

Am Ende des Gletschers packen wir Steigeisen und Klettergurt wieder in unsere Rucksäcke. Ich habe aber große Lust, mal wieder über einen Gletscher zu wandern.

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Ich befestige eine Gebetsfahne für mich und als Dankeschön an den Wandergott, dass alles gut gegangen ist und ich all das erleben darf.

Die 5 Farben der Gebetsfahnen symbolisieren übrigens für alle, die es gerne besser wissen wollen, die 5 Elemente:

  • Blau – Himmel
  • Weiß – Wasser
  • Rot – Feuer
  • Grün – Luft
  • Gelb – Erde

Ich lasse mich mit Ellen und Markus ans Ende unserer Truppe fallen und habe trotzdem Mühe den Beiden zu folgen. Erst jetzt sehen wir, wie steil und ausgesetzt der Weg ist, den wir in der Nacht aufgestiegen sind, und ich bin froh, dass ich das heute Nacht im doch recht bescheidenen Stirnlampenschein gar nicht richtig wahrgenommen habe.

Doch auch jetzt geht es nur um den nächsten Schritt und den mache ich zwar immer langsamer aber auch kontinuierlich, und so komme ich als glücklicher Letzter fast pünktlich zur Mittagszeit im base camp an, wo wir uns alle erschöpft aber sehr stolz umarmen und von den früher Zurückgekehrten in Empfang genommen werden, die in der Zwischenzeit offensichtlich auch sehr fleißig waren, denn fast alle Zelten liegen schon verpackt zum Abtransport bereit..

Naran hat in seinem doch sehr provisorischen Kochzelt eine wunderbare veg noodle soup gezaubert, die ich gierig verschlinge und mir zumindest ein wenig neue Energie einhaucht.

Ich lasse ein laut-krachendes Zicke-Zacke-Zicke-Zacke-Hoi-Hoi-Hoi auf Markus erklingen und die Träger liegen lachend am Boden, als sie uns müden Bergkrieger so schreien hören.

Doch die letzte Etappe des Tages fehlt noch, und so machen wir uns bald wieder auf in Richtung Chukung und ehe ich mich versehe bin ich wieder einer der Letzten, die sich nach Hause schleppen. Den Weg, den wir am Vortrag noch entspannt in drei Stunden spaziert sind, kommt mir nun mindestens doppelt so lange vor, und ein ums andere Mal bin ich kurz davor in einen Ermüdungssitzstreik zu treten.

Die letzte halbe Stunde kann ich mich durch ein Gespräch mit einem netten amerikanischen Wanderer ablenken, der die gleiche Tour wie wir nur umgekehrt angehen möchte. Ganz alleine und mit minimalen Gepäck, wie er mir versichert. Davor habe ich großen Respekt und Englisch schwatzend laufen wir kurz nach 4 Uhr am Nachmittag ins Ziel sprich in den dining room unserer Lodge ein.

Geschafft! Fix und fertig! Saumässig stolz! Erfüllt von einem wahnsinnig intensiven Gipfelerlebnis. Und hungrig und durstig.

Die Coke ist schnell bestellt und die coconout cookies schmecken ganz wunderbar. Die Warteschlange vor der hot shower hält sich in Grenzen und als ich keine Stunde später frisch geduscht zum Abendessen komme, bin ich schon wieder zu Späßen aufgelegt.

Zusammen mit Peter stoße ich mit dem ersten Bier seit Wochen auf den Gipfelerfolg an und bei veg fried pasta with tomato gibt es an diesem Abend viel zu erzählen.

Nach den schon traditionellen UNO-Runden falle ich gegen halb 10 todmüde aber glücklich und zufrieden in mein Schlafsackbettchen und verschlafe tief und fest dieses Mal sogar die nächtliche Pinkelpause.

Danke für diesen Tag, den ich mit Sicherheit nicht mehr vergessen werde!

Sonnenbaden

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Ruhetag! Das heißt auf fast 4800 Meter vor allem: spätes Frühstück, kein Zeitdruck und ein intensives Sonnenbad auf der bestens dafür geeigneten Terrasse unserer Lodge. Mein Blick schweift immer wieder zur sonnenbeschienenen Ama Dablam, die sich links vor uns so imposant zeigt. Es gibt wahrlich schlechter Orte um die Akkus aufzuladen.

Ohne Sonne wird es aber schnell eisig kalt, so dass die Badehose und die Bikinis heute m Rucksack bleiben.

Besonders in der Nacht wird es auf dieser Höhe sehr frostig. So frostig, dass heute sogar mein Nasenspay eingefroren ist. Nach ein paar Minuten im wärmenden Schlafsack ist es wieder einsatzbereit und befreit meine Nase wieder.

Die Kälte in den Zimmern führt dazu, dass alles, was ich am Morgen anziehen möchte, irgendwie warm gehalten werden muss. Meine Wandersocken, das Halstuch, das mir Ellen zum Geburtstag geschenkt hat, das interessant-duftende Wandershirt, mein Fleece– alles kommt in den Schlafsack, den ich auch deswegen eine Nummer grösser in XL gekauft habe. Meine Wanderhose kommt aber unter den Schlafsack, bleibt dort aber genauso warm und trocken.

Dazu dann die Akkus, die sich bei der Kälte sofort entladen würden, und fertig ist die allabendliche Schlafsackmischung.

Gerade setzt sich Dipar nehme mich, einer der Träger, die mich immer anstrahlen, aber leider klein Wort Englisch sprechen. So strahle ich zurück und wir genießen Beide das sonnige Nixtun.

Die Träger, aber auch Pradap und Lawang sind bei aller Freundlichkeit doch auch sehr gerne unter sich und setzten sich beim Essen beispielsweise immer separat. Ich frage mich oft, was sie wohl von uns denken? Sind wir gerngesehene Gäste, ergiebige Einnahmequelle oder nötiges Übel? Wohl eine Mischung von allem, ich fühle mich aber den Nepalesi wie schon während der Annapurna-Umrundung sehr verbunden und bedauere es sehr, dass es wegen der Sprachbarriere kaum echte Unterhaltungen geben kann.

Markus stellt uns am Nachmittag den Plan für die nächsten zwei Tage vor. Zuerst geht es am nächsten Tag zum Island Peak Base Camp, das Pradap und Helfer vorher schon aufgebaut haben werden. Dann dürfen wir eine kurze Nacht im Zelt verbringen und dann geht es früh am Morgen los in Richtung Island Peak.

Wir packen unsere zusätzliche Ausrüstung zusammen: Helm, Klettergurt, Karabiner und Steigeisen. Den Eispickel brauche ich aber doch nicht, weil Markus andere Pläne hat. Mal sehen, ob ich den dann als Erinnerung im Keller einlagern werde oder doch eher gewinnbringend auf e-Bay an den interessierten Wanderer bringen kann.

Ellen hat Heimweh, was ich gut nachvollziehen kann. Ich spüre auch ein großes UND in mir. Ich finde Nepal wunderschön und die ganze Reise eine einmalige und tolle Erfahrung. UND: Ich freue mich sehr auf Zuhause in einer Woche.

Mein Nasenspray wird dann eher seltener gefrieren, bis dahin packe ich es einfach in meinen Schlafsackwarmhalter.

Zu guter Letzt, hier die feature list der vielen Lodges, die wir auf unserer Tour besucht haben, und die mal mehr, mal weniger der Realität entsprechen:

  • warm, cosy dining room
  • clean, comfortable single and double rooms
  • hot shower
  • fresh, handmade organic food
  • guide and porter service
  • wifi
  • helicopter service
  • cookies, coke, beer, snickers and chips

Und auch bei den Namen entdecke ich gewissen sich widerholende Muster, denn wir sehen und besuchen etliche Mountain View, Everest View, Nepal oder Sunshine Lodges oder beliebige Kombinationen davon: ich eröffne später mal die Everest Mountain Sunshine View Lodge.

 

Bilder GESAMT Markus AMONBilder von Markus Amon (www.markus-amon.at)

Der dritte Pass

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Kurz vor 9 am Abend, also fast schon Schlafenszeit in den Bergen. Ich sitze ausnahmsweise (?) im dining room unserer Lodge in Chukung und lasse den Tag in Gedanken Revue passieren.

Die lange und sehr anstrengende Etappe, die uns bis auf 5535 Meter Höhe über den Kongma La Pass gebracht hat, habe ich nach einer dieses Mal wieder heißen hot shower, einem außerordentlich guten Dhal Bhat und ein paar schönen digitalen Nachrichten aus der Heimat schon wieder ganz gut verdaut.

Aber trotz allem bin ich ziemlich platt, und ich scheine nicht der Einzige zu sein. Denn für Morgen hat Markus einen Ruhetag ausgerufen, den wir uns alle sehr gerne gönnen werden. Bevor dann der letzte Höhepunkt unserer Tour ansteht – die Besteigung des Island Peak.

Das lange Laufen stoppt immer öfters und nachhaltiger meine Gedankenkreisel und auch wenn mich die dünne Luft doch das eine oder andere Male sehr nach eben dieser schnappen lässt, geht es mir ausgezeichnet und ich komme alles in allem gut mit den körperlichen Herausforderungen zurecht.

Ab und an ein wenig Kopfschmerzen, aber immer guten Appetit und die vielen Liter Tee, die ich jeden Tag verdrücke, zeigen mir, dass ich weit entfernt bin von Höhenkrankheit und Co..

Wobei ich die wohl geltende Faustregel, die mir eigentlich einen Lister Flüssigkeit für jede 1000 Meter Höhe abverlangt, beim besten Willen nicht schaffe, dann wohl aber noch öfters zu meinen nächtlichen Toilettengänge aufbrechen müsste.

Gestartet sind wir heute sehr Wanderer-freundlich um 8 Uhr in der Früh und kurz nach halb Zehn holen wir schon eine weitere Wandergruppe ein, die allerdings fast zwei Stunden vor uns gestartet ist. Wir sind also gut unterwegs und Markus zeigt sich sehr zufrieden mit „seiner Mannschaft“.

Ich hänge mich heute im Geiste an Christian (das echte Seil wird dann übermorgen ausgepackt), und folge ihm Schritt für Schritt die immer steiler werdenden und am Ende Schnee bedeckten Serpentinen hinauf zum Pass. Heute ohne Stöcke aber dafür meist schweigend, ziemlich oft nach Luft ringend und mit verschränkten Armen vor der Brust.

Die mittlerweile wohlbekannte Blocklandschaft macht mir wieder ziemlich zu schaffen, aber Stein um Stein geht es höher. Und nach gut drei Stunden Gehzeit ist es geschafft, und ich stehe auf dem höchsten der drei Pässe, die wir auf unserer Tour durch den Solu Khumbu zu bewältigen haben.

Wie gewohnt werden wir vom lieben Wandergott einmal mehr reicht beschenkt, denn wieder einmal offenbart sich uns ein wunderschönes und im Grunde unbeschreibliches Panorama: im Hintergrund der Cho Oyu, direkt vor uns die beeindruckend steile Nordseite der Ama Dablam und dahinter Baruntse und Makalu. Einfach grandios!

Wir genießen in der windgeschützten Sonnenseite des Passes die Momente und den Ausblick. Zwar sicher einer der schwierigsten Passübergänge, aber das Panorama ist als Belohnung mit Abstand eines der beeindrucktesten hier im Solu Khumbu. Obligatorisches Mannschaftsfoto inklusive natürlich.

Besonders ein ca. ein Meter langer Felsvorsprung wird zur beliebten Fotoplattform, denn sobald Mann oder Frau sich darauf wagen, um sich ablichten zu lassen, scheinen diese fast über den Bergen zu schweben, so ausgesetzt ist dieser.

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Nach verdienter Rast, einem Schoko-Müsliriegel und ein paar kräftigen Zügen aus der Teeflasche geht es dann schon wieder abwärts. Anfangs noch sehr steil und teils auch über ein Seil gesichert, aber schon am direkt unterhalb des Passes liegenden Sees wird es flacher und auch wieder grüner.

Der Nachmittag wird aber dann doch lang und länger, aber sobald mich die Kräfte verlassen, genügt ein Blick links oder rechts und die sehr abwechslungsreiche Bergwelt um mich herum motiviert mich immer wieder aufs Neue.

Der Island Peak taucht pünktlich zum Nachmittagstee am Horizont auf und wird uns die nächsten Tage auch nicht wieder verlassen. Markus zeigt uns schon mal den Weg, den wir übermorgen einschlagen werden und ich bin sehr gespannt darauf.

Am späten Nachmittag dann endlich zeigt sich Chukung, unser heutiges Tagesziel. Allerdings noch tief unter uns, und so dauert es nochmals über eine Stunde über steile und immer staubigere Pfade bis wird unsere niegelnagelneue und wirklich schöne Lodge erreichen.

Und Vorsicht Premiere: die Lodge verfügt doch in der Tat über isolierte Fußböden, die das Bergstiefelgetrampel am Morgen auch ohne Ohrenstöpsel fast verstummen lassen. Das nenne ich nutzerzentrierte Innovation!

Da wir morgen ausschlafen dürfen und wander-frei bekommen haben, sitzen wir in mittlerweile bestens eingespielter UNO-Runde noch ein bisschen länger und probieren uns durch das gesamte Chips-Sortiment. Kurz nach 10 Uhr aber drängt die Herbergsmutter freundlich aber bestimmt auf ein Ende, so dass ich wenige Minuten später schon in meinem Schlafsack liege und fast unmittelbar den Schlaf des zufriedenen Wanderers schlafe.

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Ein Tief und viele Höhen

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Ich sitze kurz vor 7 Uhr am Morgen im noch fast leeren dining room in unsere Lodge in Gorak Shep und habe eine anstrengende Nacht hinter mir. Eigentlich war Wecken erst um halb Acht geplant, aber ich musste einfach raus.

Die Nacht war eine Mischung aus nass geschwitzt sein (und das trotz etlichen Minusgrade draußen), wilden Träumen (irgendwie wurde mein Lieblings-Leo entführt und ich war dabei und wir wurden wohl in einem Schuhladen im Einkaufszentrum festgehalten), Kopfschmerzen und Herzrasen (die Höhe zeigt doch Wirkung), einem Gang aufs Klo, Wachliegen und einiger Grübelei.

Neben den körperlichen Anstrengungen, die wir jeden Tag zu bewältigen haben, merke ich vor allem in solchen Momenten wie jetzt gerade, wie sehr mich auch die „äußeren Umstände“ zusätzlich herausfordern.

Gerade setzt sich Georg zu mir, der wohl auch eine harte Nacht hinter sich hat und über „irre Kopfschmerzen“ klagt.

Vor allem seit dem wir über 4000 Meter Höhe unterwegs sind (und das sind wir schon seit über einer Woche) sind die Lodges doch eher „rustikal“. Der schon beschriebene Spreeholzverhau, der „hellhörig“ neu definiert, die Toiletten in der Stehvariante und außer dem dining room ist alles kalt und feucht, die Kleidung, die ich nicht in den Schlafsack packe inklusive.

Grundsätzliche lasse ich mich gerne auf solche Bedingungen ein, aber gerade jetzt nerven sie mich und ich wünsche mir ein wenig mehr Komfort und vor allem frisch gewaschene Wäsche. Denn ich stinke bestialisch.

Und die andere Seite der Medaille ist dann der Blick durch das noch halb zugefrorene Fenster. Denn dort zeigt sich auch heute morgen wieder der Himalaya in all seiner Schönheit. Berge so schön, wie sie nur sein können und ein tiefblauer Himmel, für den „tiefblau“ erfunden werden müsste, wenn es das noch nicht gäbe.

Und so Tage wie der gestrige, der uns auf den Kala Patar auf 5545 Meter geführt hat und den ich sicherlich nicht vergessen werde.

Los ging es um 8 Uhr und nach entspannter Wanderung erreichten wir rechtzeitig zur mittäglichen veg noodle soup Gorak Shep, das letzte Lodge-Dorf vor dem Mount Everest und Ziel unzähliger Wanderer aus aller Welt.

Markus entscheidet auf Grund der perfekten Wetterbedingungen, die sich als „windstill und wolkenlos“ beschreiben lassen, schon heute den Aufstieg zum Kala Patar anzugehen und so machen wir uns kurz nach 13 Uhr schon wieder auf. Nur mit leichtem Gepäck bewaffnet aber wild entschlossen.

Die gut 500 zusätzlichen Höhenmeter bis zum Gipfel nehme ich dieses Mal schon beim Anstieg mit Hilfe meiner Stöcke in Angriff und schon nach kurzer Zeit finde ich „meinen“ Rhythmus und steige den nicht allzu steilen Hügel auf breiten Wegen langsam aber stetig bergauf.

Ich lasse Gedanken Gedanken sein und komme fast in den von Markus beschriebenen flow. Mir kommen Bilder von meiner Heldenreise vor ein paar Jahren, höre wie mich meine Ahnen anfeuern und spüre wie mein Held und mein Dämon mit aufsteigen. Ich brauche Beide und es geht nur miteinander, das ist eine gute Erkenntnis, die nicht neu für mich ist, aber die ich gerade jetzt sehr deutlich spüren darf.

Oben angekommen erwarten mich schon

  1. Peter, der dieses Mal die Bergwertung gewonnen hat und schon sehr entspannt am Gipfel sitzt,
  2. Lawang, der wie immer lachend und mega-entspannt vor mir gegangen ist,
  3. gaaaaaanz viel Sonne und noooooch viel mehr Wind und vor allem
  4. eine tolle, tolle, tolle Sicht auf den Khumbu-Gletscher, den Mount Everest und all die anderen Riesen, deren Namen ich mir nicht merken kann.

Ich klettere die restlichen Meter zur Spitze und in einer kleinen Kuhle finde ich einen recht windgeschützen Platz mit unglaublicher Aussicht, genieße genau diese und erwarte zusammen mit Peter und Lawang den Rest unserer clearskies-Truppe.

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Die lassen auch nicht lange auf sich warten, und schon bald begrüßen wir uns mit dem obligatorischen „Berg heil“ und wenn gewünscht Bussis und Umarmungen. Natürlich werden nun alle verfügbaren Kameras gezückt und jeder hält diesen Moment in der für ihn passenden Weise fest.

Der Kala Patar ist wohl der Trekking-Gipfel schlechthin, und daher ist es ganz schön eng rund um das imaginäre Gipfelkreuz, von dem es einen überwältigenden Ausblick in Richtung Mount Everest, Lothse und in die riesige Westwand des Nuptse gibt. Und in die anderen Richtung zieht der Südgrad des Pumori fast unbegreiflich steil in den Himmel. Ich bin wieder einmal ergriffen und freue mich, das erleben zu dürfen.

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Ich lasse mich zusammen mit Markus ablichten und auch alleine. Schieße ein Panorama nach dem anderen und weiß dennoch, dass die Realität zum Glück nicht vernünftig digitalisierbar ist. Das gedrehte Film-Selfie darf aber dennoch nicht fehlen, auch wenn dies sicherlich ein lustiger Anblick ist, so ein sich drehender und über alle Backen grinsender Wandersmann.

Nach gut einer Stunde steigen Markus, Christian, Andrea und ich zu einer windgeschützteren Stelle auf gut halber Höhe und genießen die sich kontinuierlich veränderten Lichtspiele auf den Bergen und dem Gletschereis, das sich uns gegenüber fast 3000 Meter in die Höhe türmt.

Die Sonne geht langsam unter, und das Licht wechselt mal vom Gelb ins Rot, und wieder zurück. Das Knacken des Gletschereises ist nicht zu überhören und wir haben beste Sicht auf den aus unserer Perspektive doch recht „einfach“ aussehenden Weg rauf auf den Mount Everst: Über den Khumbu-Eisfall, dann steil die Lothse-Flanke hoch, auf dem Südhang rechts abbiegen Richtung Everest und nach dem Hillary step die letzten Meter zum Gipfel.

Wahnsinn, das alles mit eigenen Augen stehen zu dürfen (und nicht nur wie vor kurzem im Kino in 3D vorgeführt zu bekommen).

Mir wird dennoch kalt, verabschiede mich von den anderen, die bis zum Sonnenuntergang bleiben wollen, und beginne den Abstieg zu unseren Lodge.

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Mit einem Male liegen zwei Steine vor mir – mein Held und mein Dämon! Ohne zu zögern packe ich die Beiden ein und stapele bei dieser Gelegenheit noch ein „stoa mandle“, also ein Steinmännchen, mit denen ursprünglich der Vorfahren gedacht wurde. Das tue ich sehr gerne und mit einem ehrfürchtigen Namasté verabschiede ich mich danach von Ihnen.

In der Lodge angekommen erwarten mich Ellen, Christian und Katrin mit einem leckeren orange tea, den ich dankbar schlürfe. Ich bin nämlich ziemlich durchgefroren, doch die Aussichten des Tages waren dies sicherlich wert.

Und keine 10 Stunden später sind wir wieder in Lobuche angelangt. Wieder in Zimmer 203, das im Vergleich zu dem Kellerloch, in dem ich die durchwachte letzte Nacht verbracht habe, geradezu paradiesisch mit Fenster und Toilette um die Ecke.

Meine schlechte Laune von heute morgen hat sich bei strahlendem Sonnenschein schnell wieder verabschiedet und die knapp drei Stunden, die wir zum Everest Base Camp marschiert sind, waren eine echte Wohltat.

Da wir uns außerhalb der typischen Everest-Saison befinden, die die meisten Gipfelstürmer im April und Mai anzieht, finden wir das Base Camp einsam und verlassen vor. Ich kann mir nur mit viel Phantasie vorstellen, dass sich hier im Frühjahr mehrere hundert Menschen in unzähligen Zelten niederlassen um die Erstürmung des höchsten Punktes unserer Erde anzugehen. „Einsam und verlassen“ wird dann vertrieben durch umtriebige Hektik, Internet-Cafés und tonnenweise Material, ohne das sich der Everest nicht bezwingen lässt.

Trotzdem ist der Ort auf jeden Fall historisch und ich drücke Markus alle leicht verfrorenen Daumen, dass er seine Everest-Pläne für 2017 erfolgreich umsetzen kann.

Über Gorak Shep, von dem wir uns mit veg noodle soup und einer Coke zur Mittagszeit verabschieden, geht es dann sehr entspannt zurück nach Lobuche.

Dort treffe ich wieder auf einen Mitwanderer aus einer anderen Gruppe, der mich wie immer ganz euphorisch mit „Barbarossa“ begrüßt. Ich gehe davon aus, dass dies mit meinem entsprechenden Bart zu tun hat, nehme es als Kompliment und wir unterhalten uns etliche Minuten lang über – richtig geraten – die Berge.

Wir sind nun 12 Tage unterwegs und in einer Woche werden wir wieder in Lukla und damit zurück in der nepalesischen Zivilisation sein. Bis dahin bleibt es aber spannend und der Island Peak zeigt immer öfters am Horizont. In meinem Gedanken ist er sowieso schon sehr präsent.

Der Abend wird bei veg maccaroni with cheese und etlichen Runden UNO eine lustige Sache, doch leider muss ich auch eine schlechte Nachricht verdauen: ich habe wohl in der letzten Lodge meinen rechten Flip-Flop vergessen, so dass ich von nun an wohl einbeinig zur Toilette hüpfen muss. Aber auch dies wird mir irgendwie gelingen. Versprochen.

SoluKhumbu2015-111