Der dritte Pass

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Kurz vor 9 am Abend, also fast schon Schlafenszeit in den Bergen. Ich sitze ausnahmsweise (?) im dining room unserer Lodge in Chukung und lasse den Tag in Gedanken Revue passieren.

Die lange und sehr anstrengende Etappe, die uns bis auf 5535 Meter Höhe über den Kongma La Pass gebracht hat, habe ich nach einer dieses Mal wieder heißen hot shower, einem außerordentlich guten Dhal Bhat und ein paar schönen digitalen Nachrichten aus der Heimat schon wieder ganz gut verdaut.

Aber trotz allem bin ich ziemlich platt, und ich scheine nicht der Einzige zu sein. Denn für Morgen hat Markus einen Ruhetag ausgerufen, den wir uns alle sehr gerne gönnen werden. Bevor dann der letzte Höhepunkt unserer Tour ansteht – die Besteigung des Island Peak.

Das lange Laufen stoppt immer öfters und nachhaltiger meine Gedankenkreisel und auch wenn mich die dünne Luft doch das eine oder andere Male sehr nach eben dieser schnappen lässt, geht es mir ausgezeichnet und ich komme alles in allem gut mit den körperlichen Herausforderungen zurecht.

Ab und an ein wenig Kopfschmerzen, aber immer guten Appetit und die vielen Liter Tee, die ich jeden Tag verdrücke, zeigen mir, dass ich weit entfernt bin von Höhenkrankheit und Co..

Wobei ich die wohl geltende Faustregel, die mir eigentlich einen Lister Flüssigkeit für jede 1000 Meter Höhe abverlangt, beim besten Willen nicht schaffe, dann wohl aber noch öfters zu meinen nächtlichen Toilettengänge aufbrechen müsste.

Gestartet sind wir heute sehr Wanderer-freundlich um 8 Uhr in der Früh und kurz nach halb Zehn holen wir schon eine weitere Wandergruppe ein, die allerdings fast zwei Stunden vor uns gestartet ist. Wir sind also gut unterwegs und Markus zeigt sich sehr zufrieden mit „seiner Mannschaft“.

Ich hänge mich heute im Geiste an Christian (das echte Seil wird dann übermorgen ausgepackt), und folge ihm Schritt für Schritt die immer steiler werdenden und am Ende Schnee bedeckten Serpentinen hinauf zum Pass. Heute ohne Stöcke aber dafür meist schweigend, ziemlich oft nach Luft ringend und mit verschränkten Armen vor der Brust.

Die mittlerweile wohlbekannte Blocklandschaft macht mir wieder ziemlich zu schaffen, aber Stein um Stein geht es höher. Und nach gut drei Stunden Gehzeit ist es geschafft, und ich stehe auf dem höchsten der drei Pässe, die wir auf unserer Tour durch den Solu Khumbu zu bewältigen haben.

Wie gewohnt werden wir vom lieben Wandergott einmal mehr reicht beschenkt, denn wieder einmal offenbart sich uns ein wunderschönes und im Grunde unbeschreibliches Panorama: im Hintergrund der Cho Oyu, direkt vor uns die beeindruckend steile Nordseite der Ama Dablam und dahinter Baruntse und Makalu. Einfach grandios!

Wir genießen in der windgeschützten Sonnenseite des Passes die Momente und den Ausblick. Zwar sicher einer der schwierigsten Passübergänge, aber das Panorama ist als Belohnung mit Abstand eines der beeindrucktesten hier im Solu Khumbu. Obligatorisches Mannschaftsfoto inklusive natürlich.

Besonders ein ca. ein Meter langer Felsvorsprung wird zur beliebten Fotoplattform, denn sobald Mann oder Frau sich darauf wagen, um sich ablichten zu lassen, scheinen diese fast über den Bergen zu schweben, so ausgesetzt ist dieser.

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Nach verdienter Rast, einem Schoko-Müsliriegel und ein paar kräftigen Zügen aus der Teeflasche geht es dann schon wieder abwärts. Anfangs noch sehr steil und teils auch über ein Seil gesichert, aber schon am direkt unterhalb des Passes liegenden Sees wird es flacher und auch wieder grüner.

Der Nachmittag wird aber dann doch lang und länger, aber sobald mich die Kräfte verlassen, genügt ein Blick links oder rechts und die sehr abwechslungsreiche Bergwelt um mich herum motiviert mich immer wieder aufs Neue.

Der Island Peak taucht pünktlich zum Nachmittagstee am Horizont auf und wird uns die nächsten Tage auch nicht wieder verlassen. Markus zeigt uns schon mal den Weg, den wir übermorgen einschlagen werden und ich bin sehr gespannt darauf.

Am späten Nachmittag dann endlich zeigt sich Chukung, unser heutiges Tagesziel. Allerdings noch tief unter uns, und so dauert es nochmals über eine Stunde über steile und immer staubigere Pfade bis wird unsere niegelnagelneue und wirklich schöne Lodge erreichen.

Und Vorsicht Premiere: die Lodge verfügt doch in der Tat über isolierte Fußböden, die das Bergstiefelgetrampel am Morgen auch ohne Ohrenstöpsel fast verstummen lassen. Das nenne ich nutzerzentrierte Innovation!

Da wir morgen ausschlafen dürfen und wander-frei bekommen haben, sitzen wir in mittlerweile bestens eingespielter UNO-Runde noch ein bisschen länger und probieren uns durch das gesamte Chips-Sortiment. Kurz nach 10 Uhr aber drängt die Herbergsmutter freundlich aber bestimmt auf ein Ende, so dass ich wenige Minuten später schon in meinem Schlafsack liege und fast unmittelbar den Schlaf des zufriedenen Wanderers schlafe.

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