Traumhafte Aussichten und Heimweh

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Der liebe Wandergott meint es – wieder einmal gut – gut mit mir, denn ich als Erste gegen halb 10 am Vormittag auf dem Gokyo Ri auf 5350 Meter ankomme, strahlt die Sonne vom gnadenlos blauen Himmel mit meinem Strahlen im Gesicht um die Wette.

Und welche Aussichten um mich herum: Vier der höchsten Gipfel der Welt lassen sich in unmittelbarer Nähe bestaunen (der Cho Oyu 8201m, der Mount Everest 8848m, der Lothse 8414m und der Makalu 8445m), und die Liste der zu sehenden Gipfel mit 6000 und 7000 Meter ließe sich wohl unendlich fortsetzen. Einfach unbeschreiblich schön!

Der Aufstieg war eine entspannte Vormittagsbeschäftigung, die ich zusammen mit Lawang genossen habe. Denn so langsam scheinen ich in der Höhe angekommen zu sein, und meine Beine machen die vielen Schritt aufwärts fast schon von alleine. Schon beim Aufstieg zeigen uns sich die Bergriesen um uns herum in imposanter Manier und ich versuche Lawang zu erklären, dass solch erhabene Schönheit für mich persönlich Beweis ist, dass es „einen Gott“ geben muss. Lawang grinst wie immer und versteht wahrscheinlich nur Bahnhof. Ist aber auch nicht schlimm.

Lawang erzählt, dass er schon auf 7900 Meter im Mount Everest Base Camp IV war, dass aber sein eigentlicher Liebingsgipfel tatsächlich der Island Peak ist, den er wohl schon sage und schreibe 25 Mal erfolgreich bestiegen hat. Ich vermute fast, dass er das nur sagt, weil er mir einen Gefallene tun möchte aber der Island Peak zeigt sich dann tatsächlich neben all den Riesen als „kleiner Hügel“ am Horizont. Kaum zu glauben, dass ich da vielleicht auch noch stehe werde.

Gerade stehe ich aber noch auf dem Gokyo Ri und mittlerweile sind wir komplett und nach dem obligatorischen Gipfel-Bussi von Markus für jeden, der dies möchte, wird wild geknipst. Natürlich das nächste Mannschaftsfoto, aber auch alleine, zu Zweit oder in Kleingruppen. Hauptsache diese unbeschreibliche (Berg-) Schönheit hinter uns ist gut zu sehen.

Endlich macht die Panorama-Funktion, die wir alle in unseren Kameras mit uns herumtragen, Sinn, und wenn wir in diesem Moment eine typische Handbewegung machen müssten, wäre das wohl das „Abfahren“ der wunderschönen Panoramen um uns herum. Ich bin gespannt, ob und wie ich diese angemessen ausdrucken und an meine Karlsruher Wohnungswand hängen kann. Im Vergleich zum echten Erleben kann das aber wohl nur ein farbgedruckter Abklatsch sein. Ich behalte sie vorsorglich auch im Herzen, denn da sind sie absolut unvergänglich.

Mir ist nach Springen und mit etwas Ausdauer und Katrin´s Finger am Auslöser gelingen lustige Sprungfoto-Aufnahmen, auf denen ich scheinbar Richtung Mount Everest abhebe. Lawang springt gleich mit und wundert sich wohl wieder einmal über die Einfälle „dieser Touristen“.

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So erfüllt schmeckt die veg noodle soup nach unserem Abstieg zurück zu unserer Lodge natürlich umso besser, und so machen wir uns frohgelaunt und gut gestärkt zu unserer Nachmittagsetappe auf.

Die uns quer über den fast einen Kilometer breiten Ngozumba Gletscher führt, den größten Gletscher im Solu Khumbu. Im wahrsten Sinne wieder einmal über „Stock und Stein“und die Landschaft um uns herum, lässt sich wahlweise mit „wüst und öd“, „wie auf dem Mars“ oder schlicht als „Eiswüste“ beschreiben.

Wieder einmal werden wir von einem bellenden Begleiter unterstützt, der uns bis am späten Nachmittag begleitet, als wir unsere heutige Lodge in Dragnak erreichen. Der Hüttenwirt ist ein alter Bekannter von Markus, da dieser schon mehrere Jahre in Österreich gearbeitet hat.

Und er hat allem Anschein nach gelernt, wie man europäische Wanderer glücklich machen kann: doppelverglaste Fenster, saubere Toiletten direkt bei den Zimmern und die hot shower darf natürlich auch nicht fehlen. Die fünf Euro gönne ich mir natürlich gerne und bin gerade rechtzeitig frisch geduscht im dining room zurück, als wir vom Hüttenwirt auf einen Schnaps eingeladen werden. Wohl auch eine österreichische Hüttentradition, zu der ich gerne Prost sage.

Das erwartete wifi „tut heute leider nicht“, was ich sehr bedauere, denn ich hätte gerne ein wenig Kontakt mit der Heimat aufgenommen. Denn am Nachmittag hat mich ein wenig Heimweh befallen nach der „Ausgehcrew“, nach Jan und Luisa, nach meiner Trompete, nach ein paar guten Gesprächen, die sich nicht nur um Berge drehen und die nicht auf österreichisch stattfinden und nach der einen oder anderen Kuscheleinheit vor dem Kamin.

Ich merke wieder einmal, dass mir auf Dauer die „richtigen Menschen“ um mich herum mindestens genauso wichtig sind, wie die schönste Natur oder die spannendsten Reiseziele. Das werde ich für meine nächsten Reisen auf jeden Fall in die Planung einfließen lassen.

Ich packe mich und mein Heimweh in meinen Schlafsack und lasse den Nachmittag mal schlafend, mal denkend und mal meditierend aber jederzeit gut eingepackt ausklingen und fühle mich nach diesen zwei Stunden „alleine“ wieder viel besser.

Die Gebetsfahne heute auf dem Gokyo Ri habe ich für mich selbst aufgehängt: für meinen Mut, meine Ausdauer, meinen Optimismus und dafür, dass ich mich darauf verlassen kann, immer den nächsten Schritt zu machen, wenn dieser ansteht. Sei es am Berg oder im wahren Leben.

Pünktlich zum Abendessen bin ich zurück im gut gefüllten dining room, der Dank Doppelverglasung und Bolleroffen mehr als gemütlich eingeheizt ist. Ich genieße mein Dhal Bhat und als Überraschung gibt es als „Gruß aus der Küche“ eine sehr schokoladige chocolate role als Nachtisch.

Anschließend spricht Markus noch das Wort zum Sonntag bzw. für den nächsten Tag. Denn es wird ein sehr langer Tag werden, den wir schon mit einem Frühstück um 6:00 Uhr starten wollen. Da heißt es früh schlafen gehen und süß träumen.

Und meinen Lieben zuhause schreibe ich dann bei nächster Gelegenheit. Das weltweite Netzt ist ja mittlerweile sogar in Nepal fast schon überall angekommen, so dass ich darauf sicherlich nicht allzu lange warten muss.

SoluKhumbu2015-071

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