Aus 2 macht 1

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Ich rede ja selbst auch gerne vom Verlassen der uns allen lieb gewonnenen Komfortzone. Dann passiert was, dann wird Veränderung möglich, dann lernt man und entwickelt sich weiter. Schön gesagt und wohl war – und trotzdem eine echte Herausforderung, wenn man es dann tatsächlich tut.

Denn diese Reise bringt mich mehr und mehr raus aus eben meiner Komfortzone und wird gerade dadurch echte Herausforderung und umso intensivere (Lern-) Erfahrung.

Nach dem gestrigen Gipfeltag, der uns schon mit ganz viel Sonne und traumhaften Aussichten verwöhnte, kann es heute nur „schlechter“ werden, oder? Weit gefehlt, die Sonne strahlt mindestens so schön wie am Vortrag und die schneeweißen Berge um uns herum liefern so beleuchtet einmal mehr eine phänomenale Show.

Frühstück war wie weiter oben schon erwähnt um 6 Uhr in der Früh, ich habe aber gut geschlafen und in der Tat süß geträumt: einigen Blödsinn, durchaus Erotisches und andere Verrücktheiten, an die ich mich nach dem Aufwachen wie gewohnt kaum noch erinnern kann.

Und auch das Pinkeln in der Nacht ist mittlerweile eine Routine, die mich nicht weiter stört und ich halbschlafend hinter mich bringe. Denn einerseits muss das bei den all Litern von mint tea oder orang tea , die ich jeden Tag in mich schütte, einfach sein, und andererseits ist das auch immer wieder ein klitzekleines Abenteuer, das meist einer sehr ähnlichen Dramaturgie folgt:

  1. Ich muss mal!
  2. Ich ignoriere das konsequent und schlafe weiter.
  3. Ich muss mal! Dringend!
  4. Ich denke fünf Minuten drüber nach, ob es wirklich sein muss.
  5. Ich muss mal! Ganz dringend!
  6. Ok, dann los. Ich schäle mich aus meinem Schlafsack, bewaffne mich mit meiner Stirnlampe und mache mich auf zur Toilette. Die im besten Fall direkt neben unserem Zimmer zu finden ist, im schlechtestes Fall aber in der unteren Etage oder sogar draußen
  7. Endlich darf ich.
  8. Und jetzt nix wie zurück ins Schlafsackbettchen und weiter schlafen.

Meist nur fünf Minuten in der Kälte, die sich aber immer sehr gut anfühlen, spätestens dann, wenn ich zurück in der Schlafsack-Wärme bin.

Erstes Ziel des heutigen Tages ist der Cho La Pass auf 5420 Meter, und wieder einmal geht es steil und steiler über „Blocklandschaft“, wie Markus zu sagen pflegt. Ich sag einfach „Stock und Stein“ dazu und muss den Vormittag über ganz schön schwitzen. Mein Herz pumpt wie wild und da gönne ich mir etliche Verschnaufpausen, die dann aber auch Gelegenheit geben, die wunderschöne Natur um mich herum zu genießen. Denn das vergisst man ab und an fast schon: denn einerseits gewöhnt man sich doch recht schnell auch an die schönsten Aussichten und andererseits hat man – also ich – bei all der Anstrengungen dafür auch nicht immer den nötigen Blick und die entsprechende Muße.

Also lege ich gerne meine Pausen ein, atme tief durch, klopf mir symbolisch auf die Schultern und lasse meinen Blick über all das Schöne um mich herum schweifen.

Kurz nach 10 Uhr stelle ich mich auf dem Pass zusammen mit allen anderen wieder einmal zum Mannschaftsfoto und freue mich darüber, die nächste Herausforderung geschafft zu haben. Doch dieses Mal bleibt uns nur kurz Zeit zum Verschnaufen, denn schon bald ruft Pradap mit seinem typischen „Yallah, Yallaa“ zum Aufbruch.

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Warum er das auf Arabisch tut, bleibt mir die gesamte Reise ein Rätsel, ich gehorche aber widerstandslos, werfe mir meinem Rucksack über und mach mich auf den Weg abwärts.

Wieder gut unterstützt durch meine Stöcke geht es über den Gletscher, der gut 20 Zentimeter Neuschnee trägt, die mich aber nicht weiter stören sondern das Gehen eher angenehmer machen. Bald schon sind wir wieder in grüneren Gefilden und fast pünktlich um die Mittagszeit erreichen wir Dzonglha, eine Ansammlung von wenigen Lodges, in der wir uns stärken wollen.

Natürlich mit einer veg noodle soup, die zwar auf sich warten lässt, dann aber umso besser schmeckt. Und einer Coke und einem Snickers, denn das habe ich mir verdient. Ich schließe mich den meisten anderen an und nicke zum power nap weg, den Pradap wieder einem auf Arabisch aber nach wenigen Minuten beendet und zum Aufbruch ruft.

Denn wir wollen heute noch eine zweite Tagesetappe bewältigen, um so an einem der folgenden Tage auch das Everest Base Camp besuchen zu können, das eigentlich nicht auf dem Programm gestanden wäre. Aber natürlich „ein Muss“ darstellt für alle ambitionierten Himalaya-Erstürmer.

Ich bin allerdings schon ziemlich geschafft, und daher freue ich mich umso mehr, mit Markus ins Gespräch zu kommen und mich dadurch ein wenig von den schmerzenden Beinen abzulenken. Wir reden über seine Everest-Pläne für die nächsten Jahre, Teamwork beim Bergsteigen, der Frage, was Manager beim Bergsteigen lernen können und über die mentale Seite beim Bergsteigen. Über den flow, der sich einstellt, wenn Markus meist alleine einer seiner Schnellbesteigungen macht und sich in Momenten totaler Konzentration quasi selbst dabei beobachten kann.

Passend dazu zeigt sich die Ama Dablam rechts von uns immer wieder mal mehr, mal weniger in Nebel eingehüllt von ihrer beste Seite und ich habe größten Respekt vor Markus, dass er diesen Gipfel alleine und wohl in Weltrekordzeit bestiegen hat.

Die letzte Stunde laufe ich zusammen mit Miriam und Pradap am Ende der Gruppe, wir sind aber alle viel zu müde, um das Feld noch einmal von hinten aufzurollen. Am späten Nachmittag stehen wir dann aber stolz und zufrieden vor unserer Lodge in Lobuche. Die Tagesbewölkung löst sich fast zur gleichen Zeit auf und umrahmt von Pumori und Nuptse konnten wir einen eigentlich unbeschreiblichen Sonnenuntergang auf rund 5000 Meter Seehöhe genießen. Das sind dann die Anstrengungen des Tages fast schon wieder vergessen.

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Morgen dürfen wir wieder länger schlafen! Mehr als verdient denke ich mir. Denn meine Beine sind nach den Anstrengungen der letzten Tage schwer und den Schweiß der vielen Höhenmeter steckt mir im wahren Sinne des Wortes unverkennbar in den Kleidern.

Die körperlichen Anstrengungen tun mir aber gut, mein Kopf lehrt sich immer mehr und mein Gedankenkreisel dreht sich immer langsamer.

Am Abend lass ich über das weltweite Netz in der Heimat von mir hören, und ich freue mich, dass ich vermisst werde. Wird schön wieder Zuhause bei meinem Lieben zu sein, bis dahin aber genieße ich Nepal und den Everest-Höhenweg: obwohl und gerade weil er mich raus aus meiner Komfortzone bringt.

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Traumhafte Aussichten und Heimweh

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Der liebe Wandergott meint es – wieder einmal gut – gut mit mir, denn ich als Erste gegen halb 10 am Vormittag auf dem Gokyo Ri auf 5350 Meter ankomme, strahlt die Sonne vom gnadenlos blauen Himmel mit meinem Strahlen im Gesicht um die Wette.

Und welche Aussichten um mich herum: Vier der höchsten Gipfel der Welt lassen sich in unmittelbarer Nähe bestaunen (der Cho Oyu 8201m, der Mount Everest 8848m, der Lothse 8414m und der Makalu 8445m), und die Liste der zu sehenden Gipfel mit 6000 und 7000 Meter ließe sich wohl unendlich fortsetzen. Einfach unbeschreiblich schön!

Der Aufstieg war eine entspannte Vormittagsbeschäftigung, die ich zusammen mit Lawang genossen habe. Denn so langsam scheinen ich in der Höhe angekommen zu sein, und meine Beine machen die vielen Schritt aufwärts fast schon von alleine. Schon beim Aufstieg zeigen uns sich die Bergriesen um uns herum in imposanter Manier und ich versuche Lawang zu erklären, dass solch erhabene Schönheit für mich persönlich Beweis ist, dass es „einen Gott“ geben muss. Lawang grinst wie immer und versteht wahrscheinlich nur Bahnhof. Ist aber auch nicht schlimm.

Lawang erzählt, dass er schon auf 7900 Meter im Mount Everest Base Camp IV war, dass aber sein eigentlicher Liebingsgipfel tatsächlich der Island Peak ist, den er wohl schon sage und schreibe 25 Mal erfolgreich bestiegen hat. Ich vermute fast, dass er das nur sagt, weil er mir einen Gefallene tun möchte aber der Island Peak zeigt sich dann tatsächlich neben all den Riesen als „kleiner Hügel“ am Horizont. Kaum zu glauben, dass ich da vielleicht auch noch stehe werde.

Gerade stehe ich aber noch auf dem Gokyo Ri und mittlerweile sind wir komplett und nach dem obligatorischen Gipfel-Bussi von Markus für jeden, der dies möchte, wird wild geknipst. Natürlich das nächste Mannschaftsfoto, aber auch alleine, zu Zweit oder in Kleingruppen. Hauptsache diese unbeschreibliche (Berg-) Schönheit hinter uns ist gut zu sehen.

Endlich macht die Panorama-Funktion, die wir alle in unseren Kameras mit uns herumtragen, Sinn, und wenn wir in diesem Moment eine typische Handbewegung machen müssten, wäre das wohl das „Abfahren“ der wunderschönen Panoramen um uns herum. Ich bin gespannt, ob und wie ich diese angemessen ausdrucken und an meine Karlsruher Wohnungswand hängen kann. Im Vergleich zum echten Erleben kann das aber wohl nur ein farbgedruckter Abklatsch sein. Ich behalte sie vorsorglich auch im Herzen, denn da sind sie absolut unvergänglich.

Mir ist nach Springen und mit etwas Ausdauer und Katrin´s Finger am Auslöser gelingen lustige Sprungfoto-Aufnahmen, auf denen ich scheinbar Richtung Mount Everest abhebe. Lawang springt gleich mit und wundert sich wohl wieder einmal über die Einfälle „dieser Touristen“.

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So erfüllt schmeckt die veg noodle soup nach unserem Abstieg zurück zu unserer Lodge natürlich umso besser, und so machen wir uns frohgelaunt und gut gestärkt zu unserer Nachmittagsetappe auf.

Die uns quer über den fast einen Kilometer breiten Ngozumba Gletscher führt, den größten Gletscher im Solu Khumbu. Im wahrsten Sinne wieder einmal über „Stock und Stein“und die Landschaft um uns herum, lässt sich wahlweise mit „wüst und öd“, „wie auf dem Mars“ oder schlicht als „Eiswüste“ beschreiben.

Wieder einmal werden wir von einem bellenden Begleiter unterstützt, der uns bis am späten Nachmittag begleitet, als wir unsere heutige Lodge in Dragnak erreichen. Der Hüttenwirt ist ein alter Bekannter von Markus, da dieser schon mehrere Jahre in Österreich gearbeitet hat.

Und er hat allem Anschein nach gelernt, wie man europäische Wanderer glücklich machen kann: doppelverglaste Fenster, saubere Toiletten direkt bei den Zimmern und die hot shower darf natürlich auch nicht fehlen. Die fünf Euro gönne ich mir natürlich gerne und bin gerade rechtzeitig frisch geduscht im dining room zurück, als wir vom Hüttenwirt auf einen Schnaps eingeladen werden. Wohl auch eine österreichische Hüttentradition, zu der ich gerne Prost sage.

Das erwartete wifi „tut heute leider nicht“, was ich sehr bedauere, denn ich hätte gerne ein wenig Kontakt mit der Heimat aufgenommen. Denn am Nachmittag hat mich ein wenig Heimweh befallen nach der „Ausgehcrew“, nach Jan und Luisa, nach meiner Trompete, nach ein paar guten Gesprächen, die sich nicht nur um Berge drehen und die nicht auf österreichisch stattfinden und nach der einen oder anderen Kuscheleinheit vor dem Kamin.

Ich merke wieder einmal, dass mir auf Dauer die „richtigen Menschen“ um mich herum mindestens genauso wichtig sind, wie die schönste Natur oder die spannendsten Reiseziele. Das werde ich für meine nächsten Reisen auf jeden Fall in die Planung einfließen lassen.

Ich packe mich und mein Heimweh in meinen Schlafsack und lasse den Nachmittag mal schlafend, mal denkend und mal meditierend aber jederzeit gut eingepackt ausklingen und fühle mich nach diesen zwei Stunden „alleine“ wieder viel besser.

Die Gebetsfahne heute auf dem Gokyo Ri habe ich für mich selbst aufgehängt: für meinen Mut, meine Ausdauer, meinen Optimismus und dafür, dass ich mich darauf verlassen kann, immer den nächsten Schritt zu machen, wenn dieser ansteht. Sei es am Berg oder im wahren Leben.

Pünktlich zum Abendessen bin ich zurück im gut gefüllten dining room, der Dank Doppelverglasung und Bolleroffen mehr als gemütlich eingeheizt ist. Ich genieße mein Dhal Bhat und als Überraschung gibt es als „Gruß aus der Küche“ eine sehr schokoladige chocolate role als Nachtisch.

Anschließend spricht Markus noch das Wort zum Sonntag bzw. für den nächsten Tag. Denn es wird ein sehr langer Tag werden, den wir schon mit einem Frühstück um 6:00 Uhr starten wollen. Da heißt es früh schlafen gehen und süß träumen.

Und meinen Lieben zuhause schreibe ich dann bei nächster Gelegenheit. Das weltweite Netzt ist ja mittlerweile sogar in Nepal fast schon überall angekommen, so dass ich darauf sicherlich nicht allzu lange warten muss.

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Der erste Pass

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Ich sitze – richtig geraten! – im gutgeheizten dining room und lasse zusammen mit etlichen anderen Gästen und dem Großteil unsere Träger den Tag Revue passieren. Ein echter, erster Höhepunkt.

Kurz nach 7 am Morgen habe ich mich noch recht ungerne aus meinem warmen Schlafsackparadies verabschiedet, aber es hilft ja alles nichts und den schon beschriebenen morgendlichen Ritualen folgend waren wir gut eine Stunde später schon auf dem Weg zum Renjo Pass.

Über Nacht gab es nochmals mehrere Zentimeter Neuschnee, was aber den blauen Himmel über uns jetzt nicht daran hindert, ein wirklich blauer Himmel zu sein. Wunderschön, sich mit so einem Blick aufmachen zu können.

Anfangs geht es noch recht gemütlich und im Schatten die ersten Anhöhen empor, später dann wird es aber seeeeehr steil und noch steiler und die Sonne brennt dazu fast schon hochsommerlich vom Himmel. Da bin ich hin- und hergerissen, ob ich mich nun eingepackt lasse, weil der Wind doch kräftig und kalt weht, oder im T-Shirt gehe. Frieren oder schwitzen das ist hier die Frage.

Lawang scheint das nicht zu kümmern, denn er schwitzt offensichtlich nicht und nimmt den immer steiler werdenden Anstieg zum Pass mit Lachen und im Laufschritt. Sherpa müsste man sein denke ich, und mache alle fünf Meter Pause und verschnaufe.

Die letzten Serpentinen sind dann aber trotzdem eine echte Tortur, die ich dann aber umso mehr bejubele, sobald ich den Pass überquere. Peter erwartet mich mit gezücktem Objektiv und stolz stelle ich mich in Pose. Fürs Sprungfoto fehlt mir aber die Kraft, ich wähle die klassische „Mann auf Berg“-Pose und strahle mit der Sonne über mir um die Wette.

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Zusammen mit Peter und Lawang erwarten und begrüßen wir alle anderen Ankommenden, und gut fünf Stunden nach unserem Aufbruch an der Lodge sitzen wir alle wohlbehalten aber ganz schön geschafft auf dem Pass und lassen uns von Markus fürs nächste clearskies-Mannschaftsfoto ablichten.

Doch das ist heute erst die halbe Miete, denn nach einer ausgiebigen Verschnaufpause inklusive Müsliriegel und Himalaya-Panorama geht es nun über eine tief verschneite Gletscher-Moräne steil bergab Richtung Gokyo, unserem heutigen Tagesziel. Ich packe zum ersten Mal meine Stöcke aus, und bin über den zusätzliche Halt wirklich froh.

Der Weg zieht sich in die allseits bekannte Länge, doch am späten Nachmittag erreichen wir unser Ziel – herrlich gelegen an einem tiefblauen See, der aber zum Baden eindeutig (!) zu kalt ist.

Gokyo hat sich in den letzten Jahren vor der abgelegenen Yak-Alm zum vielbesuchten Touristenörtchen gemausert, und so werden wir nach der Tristesse vom Vorabend mit free wifi, german bakery und vor allem meiner heiß ersehnten nicht ganz so heißen hot shower verwöhnt. Die mir trotzdem fünf Euro wert ist und die letztendlich nur aus einem Eimer besteht, der von oben mit warmen Wasser gefüllt wird und mich nach unten über einen Schlauch im wahrsten Sinne des Wortes nass macht. Und wenn man ganz laut more please ruft, gibt es vom Hausherrn sogar noch einen kleinen Warmwassernachschlag, Wanderherz was willst Du mehr.

Internet, Dusche, warmes Wasser, Akku aufladen, frisches Trinkwasser, Snickers, Cola, Chips – damit verdienen sich die Wirte der Lodges ganz offensichtlich eine goldene Nase und ich muss immer grinsen, wenn ich sie dabei beobachte, wenn sie ihr nepalesisches Geld stapelweise vor sich haben und eifrig am zählen sind.

Die german bakery lassen wir uns natürlich nicht entgehen, doch anscheinend wurde nicht mehr mit uns gerechnet, denn als ich zusammen mit Markus, Andrea, Peter, Ellen und Christian den leeren Raum betreten, wird uns erst einmal Licht gemacht und ein paar Minuten später auch schon der Ofen in der Mitte angeworfen. Zum Glück nicht mit den cineman roles oder dem leckeren chocolate cake, sondern mit dem mittlerweile allseits bekannten Yak-Dung.

Und: da ist er wieder! Der überraschend sehr gute Cappuccino. Und das auf fast 5000 Meter Höhe. Eine wie ich finde sehr gute Entwicklung, denn in 2010 hatten wir davon allenfalls geträumt und uns ansonsten an black tea gehalten.

Am Abendessen breche ich mit der Tradition und lasse Dhal Bhat links liegen und widme mich stattdessen mit größter Hingabe den veg fried maccaroni with cheese. Fast wie beim Italiener und nach etliche UNO-Runden mit den üblichen Verdächtigen geht es für mich schon kurz nach acht ins warme Schlafsackbettchen. Hundemüde und mit schweren Beine aber glücklich und zufrieden mit mir und der Welt.

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Das erste Haus am Platz

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Die gemischten Wettervorhersagen vom Vorabend haben sich als vor allem nicht ganz richtig herausgestellt, und so war es heute vor allem eines: sehr sonnig.

Und so schön mit Schneezuckerguss überzogen machen die Berge um uns herum gleich noch eine viel bessere Figur. Hat sich also alles zum Besten gewendet – und ohne zu viel vorweg zu nehmen: daran wird sich wettertechnisch bis zum Ende unserer gemeinsamen Tage absolut nichts mehr ändern.

Unser Weg führt uns über die alte tibetische Handelsroute Richtung Norden über den Nanga Pa zwar gemächlich aber doch stetig aufwärts bis wir am frühen Nachmittag Lunghen auf 4400 Meter Höhe erreichen, unser heutiges Etappenziel. Die wenigen und sehr einfachen Lodges liegen mehr zufällig als geplant am Wege und zum Glück haben unsere vorausgeeilten Träger schon reserviert. Wohl nicht im ersten Haus am Platz, wobei es dies heute wohl auch nicht gibt, denn unsere Behausung ist mit „schlicht und einfach“ doch recht passend beschrieben.

Aber der dining room ist natürlich beheizt, und wie für diese Höhe typisch wird der Bollerofen, um den sich alle scharen, mit Eimer voller getrocknetem und gepressten Yak-Mist betrieben.

Nach den für nepalesische Verhältnisse fast schon luxuriöse Lodges der ersten Tage sind wir nun, wohl auch in Anbetracht der immer größeren Höhe, doch sehr spartanisch untergebracht. Da muss die nächste warme Dusche noch ein wenig warten und wieder einmal platziere ich in meiner imaginären Liste von all den Dingen, die ich aus der Zivilisation mitnehmen möchte, die „heiße Dusche“ an allerallererste Stelle.

Um aber mein Loblied auf meinen Schlafsack erneut anzustimmen: die Anschaffung hat sich wirklich gelohnt. Genauso wie meine wollenen Wandersocken, die dieses Mal die „Wollenen“ von Mama ersetzen und so tadellos ihren Dienst versehen, dass ich un-getaped und völlig blasenfrei über Berg und Tal komme.

Fürs nächste Mal werde ich dann in Merino-Unterwäsche investieren, das danken mir glaube ich dann auch meine Mitwanderer.

Getreu dem Motto „hoch wandern und tief schlafen“ sind Ellen, Peter, Pradap und ich am späten Nachmittag nochmals losgezogen und haben ein wenig die Hängen rund um unsere Lodge erkundet. Dass dann die Wolken endgültig aufreißen, und wir noch einen wunderbaren Sonnenuntergang erleben dürfen, ist ein schönes Schmackerl, das wir gerne mitnehmen.

Mittlerweile sind wir eine Woche unterwegs, und so langsam wird es ernst. Morgen geht es über den Renjo La Pass, der mit 5475 Meter Höhe fast schon so hoch ist wie der Thorong La Pass während der Annapurna-Runde in 2010. Höher, schneller, weiter – ganz im olympische Sinne versteht sich, denn natürlich ist der „Weg das Ziel“ und nach so vielen Phrasen ist es nun doch Zeit zum Schlafgehen und Kräfte sammeln für die zukünftigen Höhenmeter.

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Weltrekordhalter und Zeichentrick

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Heute ist es endlich so weit – als wir am Nachmittag das schöne Kloster oberhalb von Thame besuchen, knacken wir die 4000 Meter über dem Meeresspiegel. Allerdings bekommen wir dafür keine Pauken und Trompeten, aber wieder einmal eine sehr schöne Aussicht auf Land und Leute. Ich kann immer mehr loslassen, entschleunige bei jedem Schritt ein bisschen mehr und lass mich immer mehr ein auf Nepal.

Thame und die umliegende Region war mit am stärksten vom Erdbeben betroffen und noch im Sommer waren fast alle Hütten und Lodges meist fast vollständig zerstört. Unzählige Helfer mit viel Eifer sowie finanzielle und tatkräftige Hilfe auch von außerhalb Nepals haben aber dazu beigetragen, dass wir kaum noch Menschen sehen, die in Zelten leben müssen.

Wie schon in den letzten Tagen fehlen aber offensichtlich (noch) die Touristen, und so sind wir den Tag über wieder einmal fast alleine unterwegs und dürfen quasi auch als Erstlinge in der gerade wieder aufgebauten Lodge übernachten. Deren stolzer Besitzer Apa Sherpa hat im übrigen sage und schreibe 21 (!) Mal den Mount Everest bestiegen, und hat es damit sogar in das Business Buch der Rekorde geschafft.

Da überrascht es nicht, dass der wie immer gut beheizte dining room mit zahlreichen Fotos, Urkunden und Trophäen dekoriert ist und ich mich fast wie ich einem kleinen Museum fühle. Ein sehr interessantes Museum allerdings wie ich finde, den audio guide suche ich aber vergebens. Apa Sherpa lebt mittlerweile in den USA, ist aber in Nepal eine echte Berühmtheit und nutzt diese Berühmtheit auch für zahlreiche soziale Projekte. Zuletzt ist er in 99 Tagen durch ganz Nepal gewandert, ohne allerdings den 22. Bergsturm am Everest zu wagen.

Geheizt wird mittlerweile nur noch mit Yak-Dung, der allerorts gesammelt und getrocknet wird. Ich denke an mein kleines Malheur beim letzten Mal, als ich den gemütlichen Hüttenabend dadurch beendet habe, dass ich das Ofenrohr zum Einsturz gebracht hatte und dem beißenden Yak-Dung-Rauch dadurch im wahrsten Sinn des Wortes Tür und Tor geöffnet habe.

Dieses Mal werde ich vorsichtiger sein, die Ofenkonstruktionen scheinen aber auch nicht so waghalsig und wackelig zu sein.

Am Morgen haben wir uns vorerst aus Namche verabschiedet, und sind dann bei wieder strahlendem Sonnenschein entlang der alten Handelsroute gewandert. Der doch sehr frische Wind erinnert uns aber immer wieder daran, dass wir uns mittlerweile auf fast 4000 Höhenmeter bewegen und das Tuch über dem Gesicht wird spätestens jetzt mein gern gesehener Reisebegleiter.

In Thamo, dem kleinen Bruder von Thamel, legen wir die obligatorische Mittagsteepause ein, und ehe ich mich versehe, bin ich von drei lustigen Brüdern im Alter von 5 bis 11 Jahren umgeben, die ich der Einfachheit halber unter Tick, Trick und Track verbuche – auch wenn die Drei mich in bestem Englisch mit einem „My name is …“ begrüßen.

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Heute ist nämlich schulfrei, Zeit genug also um, die wenigen Touristen um das eine oder andere „Zuckerl“ zu erleichtern und ein wenig Smalltalk zu betreiben. Ich freue mich über die Ablenkung und wir unterhalten uns während meinem mint tea und der veg noodle soup ein wenig über Schule und das Leben im Dorf. Selfie zu Vier inklusive versteht sich.

Beim nachmittäglichen Besuch des Klosters komme ich mit einem der jüngeren Mönche ins Gespräch. Er wurde vor gut 20 Jahren im Alter von vier Jahren ins Kloster gebracht und lebt seit dem hier – und wird auch sein ganzen Leben hier verbringen, wie er mir wie selbstverständlich erklärt. Für arme und meist kinderreiche Familien ist es nach wie vor üblich, einen Sohn oder eine Tochter ins Kloster zu geben. Dort gibt es Nahrung und sie erhalten eine Ausbildung – trotzdem eine unschöne Vorstellung wie ich finde. Sowohl für die Eltern als auch für die kleinen Kinder, die sich dadurch für ihr ganzes Leben ins Klosterleben verabschieden.

Wir dürfen wieder den Gebetssaal besichtigen, und wieder bin ich berührt von der bildgewaltigen und farbenfrohen Schönheit dieses heiligen Ortes.

So ganz sind wir offensichtlich aber noch nicht in der völlig einsamen Bergwelt angekommen, denn im dining room unserer Lodge sitzen die Kinder des Hauses vor einem imposanten Fernseher und schauen völlig fasziniert irgendwelchen Zeichentrick-Quatsch im nepalesischen Kika. Und wie bei uns muss am Ende die werte Frau Mama dafür sorgen, dass die Beiden ins Bett schleichen, nachdem der Papa mit seinen eher unentschlossenen Versuchen daran gescheitert ist. Schön, dass sich manche Dinge scheinbar auf der ganzen Welt gleichen.

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Unsere Gespräche am Abend ranken sich wieder einmal um die Frage, „wie schwer“ der Island Peak denn nun sein wird. Für Markus gibt es aber nur eine Voraussetzung um uns dann auf den Gipfel mitzunehmen: wir müssen gesund sein und fit genug. Den Rest wird er dann richten. Das klingt im Grunde beruhigend und am Ende wird es genau so kommen. Aber dazu später sehr viel mehr.

„Obi gehn“ heißt im übrigen „runter gehen“ wie ich von Andrea und Christian lerne. Klingt für mich paradox aber man(n) – also ich – lässt sich ja gerne auf fremden (Sprach-) Gebräuche ein, seien es die nepalesischen oder auch die österreichischen.