Weltrekordhalter und Zeichentrick

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Heute ist es endlich so weit – als wir am Nachmittag das schöne Kloster oberhalb von Thame besuchen, knacken wir die 4000 Meter über dem Meeresspiegel. Allerdings bekommen wir dafür keine Pauken und Trompeten, aber wieder einmal eine sehr schöne Aussicht auf Land und Leute. Ich kann immer mehr loslassen, entschleunige bei jedem Schritt ein bisschen mehr und lass mich immer mehr ein auf Nepal.

Thame und die umliegende Region war mit am stärksten vom Erdbeben betroffen und noch im Sommer waren fast alle Hütten und Lodges meist fast vollständig zerstört. Unzählige Helfer mit viel Eifer sowie finanzielle und tatkräftige Hilfe auch von außerhalb Nepals haben aber dazu beigetragen, dass wir kaum noch Menschen sehen, die in Zelten leben müssen.

Wie schon in den letzten Tagen fehlen aber offensichtlich (noch) die Touristen, und so sind wir den Tag über wieder einmal fast alleine unterwegs und dürfen quasi auch als Erstlinge in der gerade wieder aufgebauten Lodge übernachten. Deren stolzer Besitzer Apa Sherpa hat im übrigen sage und schreibe 21 (!) Mal den Mount Everest bestiegen, und hat es damit sogar in das Business Buch der Rekorde geschafft.

Da überrascht es nicht, dass der wie immer gut beheizte dining room mit zahlreichen Fotos, Urkunden und Trophäen dekoriert ist und ich mich fast wie ich einem kleinen Museum fühle. Ein sehr interessantes Museum allerdings wie ich finde, den audio guide suche ich aber vergebens. Apa Sherpa lebt mittlerweile in den USA, ist aber in Nepal eine echte Berühmtheit und nutzt diese Berühmtheit auch für zahlreiche soziale Projekte. Zuletzt ist er in 99 Tagen durch ganz Nepal gewandert, ohne allerdings den 22. Bergsturm am Everest zu wagen.

Geheizt wird mittlerweile nur noch mit Yak-Dung, der allerorts gesammelt und getrocknet wird. Ich denke an mein kleines Malheur beim letzten Mal, als ich den gemütlichen Hüttenabend dadurch beendet habe, dass ich das Ofenrohr zum Einsturz gebracht hatte und dem beißenden Yak-Dung-Rauch dadurch im wahrsten Sinn des Wortes Tür und Tor geöffnet habe.

Dieses Mal werde ich vorsichtiger sein, die Ofenkonstruktionen scheinen aber auch nicht so waghalsig und wackelig zu sein.

Am Morgen haben wir uns vorerst aus Namche verabschiedet, und sind dann bei wieder strahlendem Sonnenschein entlang der alten Handelsroute gewandert. Der doch sehr frische Wind erinnert uns aber immer wieder daran, dass wir uns mittlerweile auf fast 4000 Höhenmeter bewegen und das Tuch über dem Gesicht wird spätestens jetzt mein gern gesehener Reisebegleiter.

In Thamo, dem kleinen Bruder von Thamel, legen wir die obligatorische Mittagsteepause ein, und ehe ich mich versehe, bin ich von drei lustigen Brüdern im Alter von 5 bis 11 Jahren umgeben, die ich der Einfachheit halber unter Tick, Trick und Track verbuche – auch wenn die Drei mich in bestem Englisch mit einem „My name is …“ begrüßen.

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Heute ist nämlich schulfrei, Zeit genug also um, die wenigen Touristen um das eine oder andere „Zuckerl“ zu erleichtern und ein wenig Smalltalk zu betreiben. Ich freue mich über die Ablenkung und wir unterhalten uns während meinem mint tea und der veg noodle soup ein wenig über Schule und das Leben im Dorf. Selfie zu Vier inklusive versteht sich.

Beim nachmittäglichen Besuch des Klosters komme ich mit einem der jüngeren Mönche ins Gespräch. Er wurde vor gut 20 Jahren im Alter von vier Jahren ins Kloster gebracht und lebt seit dem hier – und wird auch sein ganzen Leben hier verbringen, wie er mir wie selbstverständlich erklärt. Für arme und meist kinderreiche Familien ist es nach wie vor üblich, einen Sohn oder eine Tochter ins Kloster zu geben. Dort gibt es Nahrung und sie erhalten eine Ausbildung – trotzdem eine unschöne Vorstellung wie ich finde. Sowohl für die Eltern als auch für die kleinen Kinder, die sich dadurch für ihr ganzes Leben ins Klosterleben verabschieden.

Wir dürfen wieder den Gebetssaal besichtigen, und wieder bin ich berührt von der bildgewaltigen und farbenfrohen Schönheit dieses heiligen Ortes.

So ganz sind wir offensichtlich aber noch nicht in der völlig einsamen Bergwelt angekommen, denn im dining room unserer Lodge sitzen die Kinder des Hauses vor einem imposanten Fernseher und schauen völlig fasziniert irgendwelchen Zeichentrick-Quatsch im nepalesischen Kika. Und wie bei uns muss am Ende die werte Frau Mama dafür sorgen, dass die Beiden ins Bett schleichen, nachdem der Papa mit seinen eher unentschlossenen Versuchen daran gescheitert ist. Schön, dass sich manche Dinge scheinbar auf der ganzen Welt gleichen.

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Unsere Gespräche am Abend ranken sich wieder einmal um die Frage, „wie schwer“ der Island Peak denn nun sein wird. Für Markus gibt es aber nur eine Voraussetzung um uns dann auf den Gipfel mitzunehmen: wir müssen gesund sein und fit genug. Den Rest wird er dann richten. Das klingt im Grunde beruhigend und am Ende wird es genau so kommen. Aber dazu später sehr viel mehr.

„Obi gehn“ heißt im übrigen „runter gehen“ wie ich von Andrea und Christian lerne. Klingt für mich paradox aber man(n) – also ich – lässt sich ja gerne auf fremden (Sprach-) Gebräuche ein, seien es die nepalesischen oder auch die österreichischen.

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