Die beste Version von sich selbst

Letzte Woche erschien im Spiegel ein spannendes Interview mit RALF RANGLICK, dem Trainer der österreichischen Nationalmannschaft. In diesem Interview erklärt er mit vielen Details, wie er und sein Team versuchen, das bestmögliche Umfeld für die Mannschaft zu schaffen (bis hin zur Auswahl der Bilder, die im Mannschaftshotel hängen).

Auf die Frage, ob er ein „Perfektionist“ sei, antwortete er wie folgt:

„Das Wort Perfektionist hat einen negativen Unterton. Aber sehen Sie: Mein Trainerteam und ich sind Dienstleister. Unsere Aufgabe ist es, dass unsere Mannschaft die beste Version von sich selbst sein kann. Wir überlegen ständig, was sich in den Abläufen und der Vorbereitung verbessern lässt; dafür muss man auch mal unbequem sein und darf sich vor allem nicht zu schnell zufriedengeben. Ich sehe mich als Optimierer. Es ist meine Aufgabe, alles und jeden stetig weiterzuentwickeln. Sonst braucht es mich doch gar nicht.“

„Die beste Version von sich selbst zu sein“ – diesen Anspruch finde ich großartig und genau das treibt mich auch immer an, wenn ich Workshops plane. Für den einen oder anderen ist das dann fast schon zu viel „Detailarbeit“, aber ich finde, dass ich als Facilitator nichts unversucht lassen sollte, was den Teilnehmenden später hilft, „die beste Version von sich selbst“ zu sein.

Wie viel Vorbereitung und „Perfektionismus“ braucht denn deiner Meinung nach ein wirklich guter Workshop?

Von Software für deutsche Segler hin zu Persönlichkeitsentwicklung mit Hilfe eines Boxers

Geschichten, Gedanken und Gelerntes aus ‘1001’ Design-Thinking-Formaten

Im Rahmen der ersten Design Thinking Masters Veranstaltung, die in den tollen Kreativräumen des Wizeman-Areals in Stuttgart stattgefunden hat, habe ich einmal tief in meiner Design-Thinking-Erinnerungskiste gekramt und zusammengetragen, was ich in den letzten gut 10 Jahren im Rahmen von unzähligen Design-Thinking-Formaten lernen durfe. Über das Moderieren und Coachen von Design Thinkingm aber auch oft und viel über mich selbst.

Einfach anfangen und dann ganz viel üben.

Ich erinnere mich noch sehr gut und gerne an mein allererstes Design-Thinking-Projekt, bei dem wir im Rahmen eines SAP Sponsoring mit der deutschen Segelnationalmannschaft an einer Wissensdatenbank für Segler und Coaches gearbeitet haben. Der Besuch der Kieler Woche mit unzähligen Gesprächen mit unseren zukünftigen Nutzern, das Eintauchen in eine für mich bis dahin völlig unbekanntwe (Segel-Welt) und das “Moin Moin”, das ich damals aufgeschnappt habe, und das mir heute noch regelmässig zur Begrüssung “herausrutscht” , sind dabei bleibende Erinnerungen.

Vor allem der unmittelbare und intensive Kontakt zu den potentiellen Nutzern und das Eintauchen in ein komplett neues Themenfeld waren und sind für mich nach wie vor mit die interessantesten Aspekte meiner Arbeit als Design Thinker. Gerade weil ich bis dahin sehr technisch als Entwickler und Software-Architekt gearbeitet hatte, und “der Nutzer” ein ehrlicherweise eher unbekanntes Wesen war.

Rückblickend war ich damals “zur richtigen Zeit am richtigen Ort”, denn auf Grund der unzähligen Design-Thinking-Aktivitäten, die damals innerhalb der SAP gestartet wurden, hatte ich das das Glück “Design Thinking” in den unterschiedlichsten Themenfeldern und Bereichen ausprobieren zu können. Von Workshops mit Vorstandsmitgliedern oder Aufsichtsräten bis hin zu Software-Projekten für “social entrepreneurs” oder Eishockey-Fans. Ich hab zu allen Anfragen “JA” gesagt und dabei ganz viel gelernt.

Das Projekt mit der Deutschen Eishockey Liga (DEL) ist mir dabei noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Denn durch die Einbindung von “echten” Eishockey-Fans, die wir damals ganz pragmatisch über einen Facebook-Aufruf gefunden haben, sind wir “Uschi” begegnet. Uschi war unsere Persona und war am Eishockey vor allem als Möglichkeit zusammen mit Freunden zu feiern interessiert, und weniger am Sport an sich. Das war selbst für den beteiligten hochoffizellen Fanbeauftragten der DEL neu und für mich seitdem Motivation in jedem Projekt und Workshop auf die Einbeziehung von “echten” Nutzern zu beharren.

Es geht weniger um Inhalte, sondern viel mehr um die Menschen.

Nicht zuletzt auf Grund meines doch sehr technischen Hintergrundes als Entwickler und Software-Architekt waren meine ersten Design-Thinking-Projekte meist auch sehr “technisch” und es ging das eine ums andere Mal um die Gestaltung innovativer Software-Lösungen. Oft auch in Kombination mit Methoden und Ansätzen aus dem Lean Management oder der agilen Softwareentwicklung.

So spannend und lehrreich diese Projekte auch waren, habe ich relativ schnell erkannt, das meine wahre Leidenschaft im Design Thinking garnicht die erstellten Produkte oder Dienstleistungen sind, sondern die Menschen, die ich als Design Thinking Coach dabei begleiten kann.

Passend dazu habe ich durch meiner Ausbildung zum Gestalttherapeuten sehr viel Handwerkszeug gelernt, das mich bis heute in meiner Arbeit als Design-Thinking-Coach unterstützt. Beispielsweise das Wissen darüber, dass Veränderung immer Beziehung und Kontakt braucht, und ich nicht zuletzt daher immer grossen Wert auf persönliches Kennenlernen und echtes Teambuildung lege. Oder meine grundsätzlich sehr offen, neugierigen und unvoreingenommene Haltung aller Teilnehmer gegebenüber, mit denen ich von Anfang an signalisiere, dass Design Thinking auch den Rahmen bieten kann, sich selbst neugierig und unvoreingenommen zu begegnen und sich einfach mal “anders” zu verhalten — und sich dabei vielleicht selbst am meisten überrascht, wenn man am Ende eines Workshops plötzlich mit blonder Perücke auf der Innovations-Bühne steht.

Jetzt aber raus aus der Komfortzone.

Worauf ich rückblicked wirklich stolz bin, ist die Tatsache, dass ich mich von Anfang an nicht damit begnügt habe, Design Thinking nur im durchaus vielfältigen aber andererseits auch sehr “sicheren” und auch ein wenig abgeschotteten SAP-Universum auszuprobieren. Stattdessen habe ich viele Möglichkeiten genutzt, “raus aus meiner Komfortzone” zu gehen, und dabei umso mehr über Design Thinking und vor allem über mich selbst gelernt.

Sei es durch meine Arbeit als Coach an der School of Design Thinking am Hasso-Platter-Institut in Potsdam, die mir einerseits die Möglichkeit gab, tief in die für mich sehr inspirierende Innovations- und Startup-Kultur in Berlin einzutauchen. Mich andererseits aber auch bis nach Südafrika geführt hat, wo ich im Rahmen eines Studentenprojektes sehr spannende Wochen verbracht habe.

Oder das “30 Minuten Design Thinking” Buch, das ich zusammen mit Johannes Meyer geschrieben haben, und das mir damals sehr geholfen hat, Design Thinking auch in meinen “eigenen Worten” beschreiben zu können.

Und last but not least natürlich die sehr herausforderndenen Workshops, die ich im Rahmen der Impact Weeks in Kenia und Ruanda mit-organisiert und durchgeführt habe, und die mich wie wohl nie zuvor raus aus meiner “corporate comfort zone” geführt haben.

Lehren und lernen.

Den eindeutig besten Nachtisch aller meiner Desig-Thinking-Workshops gab es am Genfer See, an dem ich das Vergnügen hatte, für einen dort ansässigen Lebensmittelhersteller Design Thinking Coaches auszubilden und mitzuhelfen, die dortige IT-Abteilung weg vom reinen Kostenfaktor hin zum sehr gefragten Innovationspartner zu machen.

Spannend waren und sind auch die Aktiviäten, die ich innerhalb der Design at Business Community mit angestossen habe, und in der Design-Thinking-Coaches und -Experten aus den unterschiedlichsten Unternehmen gemeinam und auf Augenhöhe diskutieren, üben und lernen.

Ich bin zwar nach wie vor ein Design-Thinking-Coach ohne Zertifikat, kann damit aber gut leben. Ich freue mich aber sehr, dass sich — auch durch das Entstehen von diversen Zertifizierungsprogrammen zum Design Thinking Coach — die Qualität, die Tiefe und die Länge von typischen Ausbildungsprogrammen in den letzten 2 Jahren doch wesentlich verbessert hat und es heute immer klarer wird, dass “echtes” und nachhaltiges Coachen von Design-Thinking-Formaten mehr Persönlichkeit als Methodenexpertise braucht, und das dies auch entsprechende Ausbildungsformate benötigt.

Design Thinking fürs Leben, Arbeiten und Managen

In den letzten zwei Jahren habe ich ich mich Schritt um Schritt immer weiter von den klassischen Design-Thinking-Formaten entfernt, in denen es um die Neugestaltung von Produkten oder Dienstleistungen geht.

Vielmehr experimentiere ich zum Beispiel zusammen mit Deutschlands Glücksministerin Gina Schöler mit redesign YOU an kreativen Workshop-Formaten, in denen wir Design Thinking und Persönlichkeitsentwicklung zusammen bringen, und das uns dieses Jahr mit unserem ersten redesign YOU retreat bis in die wunderschöne Toskana geführt hat.Oder ich arbeite mit Management-Teams innerhalb der SAP mit Hilfe von Design-Thinking-Methoden an deren zukünftigem Verständnis von Führung und Management. Oder ich überlege zusammen mit Kollegen, wie wir Teilnehmer von Design-Thinking-Formaten bei deren ganz persönlichen Herausforderungen, die sich dabei zeigen, (noch) besser unterstützen können.

Design Thinking Coaching 2.0

Zu guter Letzt möchte ich einen kleinen Blick in die Zukunft wagen: wie sieht (zumindest) mein “Design Thinking Coaching 2.0″ aus, worauf möchte ich bei meiner Arbeit als Design Thinking Coach in nächster Zeit noch mehr achten?

Weniger Prozess, mehr Mensch

Die unzähigen aber letztendlich doch mehr oder weniger gleichen Beschreibungen des “Design -Thinking-Prozesses” sind denke ich vor allem zu Beginn ein notwendiges und hilfreiches Konstrukt. Ich möchte aber in Zukunft noch viel mehr die darunterliegende gewünschte (kreative) Haltung derjenigen Menschen, die diesen Prozess durchlaufen, in den Mittelpunkt stellen, erklären und vor allem erlebbar machen.

Weniger Workshop, mehr Erlebnis

Ich bin mehr und mehr der Überzeugung, dass die klassischen Design-Thinking-Workshops, die meist nie länger sind als drei Tage, weniger für die Inhalte gemacht werden sollten, sondern vor allem für die Teilnehmer. Sprich: Fokus sollte nicht die Erarbeitung von den versprochenen wirklich innovativen Produktideen sein — das gelingt, wenn wir ehrlich sind, sowieso nur in Ausnahmen, und wenn doch, dann scheitert es danach meist in der darauffolgenden Umsetzung — sondern vielmehr das Erlebnis, dass wir den Teilnehmern bieten und das wirklich begeistert, herausfordert und dazu motiviert, Design Thinking als Teil der eigenen Arbeitskultur auch nach dem Workshop zu leben.

Weniger Kopf, mehr Bauch

Gerade weil im Design Thinking aus meiner Sicht noch zu oft auf bestimmte Methoden und vordefinierte Prozessschritte vertraut wird, fallen Baugefühl und Intuiton der Teilnehmer und alles “was so zwischen den Post-It´s steht” leider allzu oft “hinten runter” und stattdessen wird intellektualisert und “drüber nachgedacht”. Warum nicht Beispiele wie das Presencing in der Theory U aufnehmen, in dem den Teilnehmern ein Rahmen gegeben wird, auch einmal in der Stille zu verharren, in sich zu hören und dem zu lauschen, was sich dann an Erkenntissen und Ideen zeigt?

Weniger Ich, mehr Du

Veränderung brauch wie oben schon kurz ausgeführt Beziehung, Begegnung und Kontakt. Daher glaube ich fest daran, dass das eigentliche Potential von Design Thinking in den beteiligten Menschen liegt. Alles, was ich als Design Thinking Coach dafür tun kann, dass diese sich noch mehr öffnen, noch mehr auf Arbeit in und mit einem Team einlassen und noch mehr alte Muster loslassen um sich dabei vielleicht sogar ein wenig selbst neu erfinden, ist wichtig und gut.

Weniger Plan, mehr Begleitung

Gerade durchlaufe ich das Facilitation Curriculum der Kommunikationslotsen und finde es sehr interessant zu sehen, wie deren Haltung als Facilitator und Moderator sich doch mitunter sehr vom streng durchgetakteten Design-Thinking-Moderator unterscheidet. Da lerne ich sehr gerne mehr darüber und werde schauen, wie ich auch im — aus guten Gründen oftmals sehr durchgeplanten Design-Thinking-Format — mehr Freiheiten für das Wissen “das im System steckt” einbauen kann.